Algen sind ein ständig nachwachsender Rohstoff. Viele Arten brauchen keine Agrarfläche, keinen Dünger, kein Süßwasser, sondern lediglich das Meer, in dem sie wachsen und gedeihen können. Umweltschützer preisen Algen angesichts fortschreitender Überfischung als Alternative zu tierischen Meeresprodukten an. Die Genügsamkeit der Wasserpflanzen macht sie auch für Wirtschaft und Forschung attraktiv. Gerade testen sowohl Firmen wie auch Forschungsinstitute, zu welchen Lebensmitteln außer Sushi Algen passen könnten. Gleichzeitig warnen Verbraucherschützer, dass man algenhaltige Produkte wegen ihres hohen Jod-Gehalts nur in Maßen konsumieren sollte.

„Meeresalgenprodukte können gesundheitsschädliche Mengen an Jod enthalten“, sagt Gudrun Köster, Referentin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Die Verbraucherzentralen empfehlen, höchstens 0,5 Milligramm Jod pro Tag einzunehmen – und diese Menge könne schon in ein bis zehn Gramm getrockneten Algen stecken. „Der Jod-Gehalt von Algen variiert erheblich. Deshalb sollten Konsumenten nur solche Meeresalgenprodukte kaufen, bei denen auf dem Etikett klar steht, wieviel Jod enthalten ist und was die maximale Verzehrmenge ist“, so Köster.

Elke Böhme forscht zu allem, was im Meer schwimmt und wächst

Elke Böhme lässt sich von den Sorgen der Verbraucherschützer nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Seit einem Jahr forscht sie an der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik in Lübeck zu „allem, was im Meer schwimmt und wächst“ und prophezeit Algen eine glänzende Zukunft. „Unser Algen-Bier kommt im Juni auf den Markt, an der Algen-Limo sind wir dran und als nächstes könnte dann eventuell Brot mit Algen oder vegane Wurst kommen. Was genau, bleibt vorerst unser Geheimnis“, so die Lebensmittelingenieurin. „Zwei Flaschen von unserem Algen-Bier decken den Tagesbedarf an Vitamin B12.“ Das ist gerade für vegan lebende Menschen interessant, denn laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist Vitamin B12 der „kritischste Nährstoff“ für Veganer. Mangelerscheinungen äußern sich in Müdigkeit und Depression.

Dabei sei der geschmackliche Einfluss der Algen im Bier nur ganz dezent. „Es schmeckt nicht so herb wie Pils, eher mild-süßlich und hat eben eine milde Salznote wegen der Algen“, sagt Elke Böhme. Gebraut wird das Bier wie jedes andere auch, mit Malz, Hopfen, Wasser und Hefe – und Algenextrakt als Zugabe. Intern im Forschungsinstitut haben die Wissenschaftler das Bier schon verköstigt, das sei „sehr gut angekommen“. Und auch schon die Konkurrenz, also verschiedene Craft-Beer-Brauer, durften probieren. „Aber da scheiden sich die Geschmäcker. Ich würde sagen, wir konnten rund achtzig Prozent überzeugen“, so Böhme.

Sind Algen übertrieben gehyptes Superfood oder sinnvolle Fisch-Alternativen?

Der Geschmack aber bereitet Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale keine Sorgen. Neben dem schwer zu kalkulierenden Jodgehalt weist sie auf möglicherweise enthaltene Schadstoffe wie Schwermetalle oder Microcystine sowie auf Hygieneprobleme bei der Algenproduktion hin. Außerdem ärgert sie sich über die pauschale Anpreisung von Algenprodukten als nährstoffreiches „Superfood“: „Nach meiner Einschätzung ist es eher ein Trend, der sich in den Hype um sogenannte Superfoods einreiht.“ Für die in der Werbung oftmals übertrieben angepriesenen Wirkungen gebe es wenig tragfähige Belege, und der Nährstoffgehalt sei meist gering. Auch das Argument, Veganer könnten über Algenprodukte ihren Vitamin B12-Bedarf decken, sieht sie ambivalent: „Das oft angepriesene Vitamin findet sich zwar in vielen Algenprodukten, aber überwiegend in einer für Menschen nicht verwertbaren Form“, so Köster.

Allerdings räumt die Verbraucherschützerin ein, dass Menschen meistens eher zu wenig als zu viel Jod zu sich nehmen. Insbesondere Vegetarier oder Menschen, die keinen Fisch essen, sind betroffen. „Deswegen gibt es ja Jod-Salz in den Supermärkten zu kaufen“, sagt die Lebensmittelexpertin. Und auch andere Inhaltsstoffe machen die Algen in Zeiten der Überfischung der Meere als Alternative zu Fisch interessant. So sind bestimmte Algenprodukte wie Öle aus Mikroalgen besonders reich an Omega-3-Fettsäuren, die für den menschlichen Organismus essentiell sind. Lebensmittelingenieurin Elke Böhme erwartet, dass man in Zukunft Fischmahlzeiten komplett durch Algen ersetzen kann: „Die Fettsäuren der Algenöle sind dabei im Wesentlichen dieselben wie in Fisch und Fischölen – schließlich nehmen auch die Fische sie mit der Nahrung auf“, so Böhme.

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