Erinnern Sie sich an das letzte Getränk, das Sie heute getrunken haben? Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es Kaffee. Den trinken – ja brauchen – wir ständig: Morgens zum Wachwerden, auf der Arbeit zum Wachbleiben, nach dem Essen zum Verdauen, nachmittags zum Kuchen, nach 16 Uhr noch ohne Koffein, man möchte ja nachts schlafen. Jeder von uns trinkt statistisch gesehen mehr Kaffee als Wasser: 162 Liter im Jahr, das entspricht 1296 Tassen, macht 3,5 Tassen pro Tag.

Und jetzt nehmen Sie besser noch einen großen Schluck, denn: In Zukunft wird es deutlich schwieriger, unseren immensen Kaffeedurst zu stillen. Zum einen wächst die globale Nachfrage schneller als das Angebot. Zum anderen droht die Klimaerwärmung, die Anbauregionen untauglich für die sensiblen Kaffeepflanzen zu machen. „Ohne Forschung und Entwicklung wird der Kaffeesektor im Jahr 2050 bis zu 180 Millionen mehr Säcke Kaffee brauchen, als wir wahrscheinlich haben werden“, sagt Greg Meenahan von dem amerikanischen non-profit Institut World Coffee Research. Ein Koffeindefizit von 10,8 Millionen Tonnen.

Arabica Kaffee braucht gleichbleibend um die zwanzig Grad. Schwankt die Temperatur oder wird es dauerhaft viel wärmer oder kälter, leiden die Pflanzen. 2012 etwa wurden die Anbaugebiete in Mittelamerika nach ungewöhnlich hohen Temperaturen und Niederschlägen in den Höhenlagen vom Kaffeerost heimgesucht, einer zerstörerischen Pilzerkrankung. Der angerichtete Schaden lag bei 500 Millionen US-Dollar. In Afrika und Asien fühlt sich der Kaffeekirschenkäfer dank steigender Temperaturen und Regenfälle auch in mehr als 1500 Höhenmetern wohl und frisst sich dort in die Bohnen. Anhaltende Dürren und Stürme zwangen Kaffeebauern in Costa Rica, aufzugeben.

© picture alliance / AP PhotoWie Rostflecken sieht der Befall durch den gleichnamigen Pilz auf betroffenen Kaffeepflanzen aus.
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Wie Rostflecken sieht der Befall durch den gleichnamigen Pilz auf betroffenen Kaffeepflanzen aus.

Die beunruhigende Tendenz dieser Einzelereignisse bestätigten Wissenschaftler der Universität Vermont 2017 in einer Studie. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass für den Kaffeeanbau geeignete Flächen bis 2050 je nach Erwärmungsszenario um 73 bis 88 Produzent reduziert werden“, schreiben die Forscher. Das ist viel mehr, als bisherige Einschätzungen annahmen.

Und damit nicht genug: Bereits 2012 hatten Forscher des britischen Botanischen Gartens Kew Gardens herausgefunden, dass der Klimawandel den wilden Arabica Kaffee bedroht. Im Bestfall reduziert sich sein Bestand bis 2080 um 65 Prozent, im schlimmsten Fall ist er dann ausgestorben. Der wilde Kaffee dient der Kaffeebranche als genetisches Reservoir, durch Einkreuzungen kann er die kommerziellen Sorten gegen Schädlinge, Krankheiten und Klimaveränderungen wappnen.

Zufall oder nicht –  ebenfalls 2012 gründete sich World Coffee Research. Eine der ersten Initiativen des Instituts ist der International Multilocation Variety Trial, ein standortübergreifender Test verschiedener Kaffeesorten. 35 von ihnen verschickte das Institut an mehr als sechzig Testfelder in 23 Ländern um herauszufinden, welche Pflanzen wo unter welchen Bedingungen am besten wachsen. Erste Ergebnisse gibt es bereits: Eine Handvoll Sorten trotzte dem Frost in Laos, ebenso viele gediehen in Zambia, wo das heiße und trockene Klima herrscht, das vielen Anbauregionen weltweit künftig droht.

Der Kaffeeanbau macht die Sache nicht besser, denn Anbau und Waschung der Bohnen verbrauchen große Mengen Wasser: weltweit sagenhafte 120 Billionen Liter Wasser. Hinter einer Tasse Kaffee verbirgt sich ein Verbrauch von 140 Litern. Das übersteigt sogar die 125 Liter Trinkwasser, die ein Durchschnittsdeutscher täglich nutzt. Wenn wir nun also täglich 3,5 Tassen trinken, haben wir 490 Liter Wasser verbraucht – Wasser, das in den Anbauländern mit zunehmender Hitze und Trockenheit immer knapper wird. Hinzu kommt, dass die Bohnen von ihren derzeitigen Anbaugebieten in Südamerika, Afrika und Asien weite Wege ins kaffeedurstige Europa zurücklegen müssen – das ist klimaschädlich.

Künftig könnte die Strecke allerdings noch ein wenig weiter sein, denn eines der am Sortentest von World Coffee Research teilnehmenden Länder ist Australien, bislang nicht unbedingt bekannt als Kaffeeanbaugebiet. In der Saison 2011/2012 produzierten australische Kaffeefarmer rund 1000 Tonnen Bohnen. Zum Vergleich: Marktriese Brasilien brachte in der selben Saison rund 2,6 Millionen Tonnen hervor. Warum Australien in Zukunft trotzdem eine wichtige Rolle spielen könnte, erklärt Graham King, Forscher an der Southern Cross Universität an der Ostküste des Landes: „In Australien haben wir derzeit den Vorteil, keinen Kaffeerost oder Kirschbohrer oder andere große Schädlinge und Krankheiten zu haben. Das ist im Vergleich zu den meisten Produktionsgebieten der Welt ziemlich einzigartig.“ Außerdem könnte die Klimaerwärmung den Kaffeeanbau in einigen australischen Regionen erst ermöglichen, in denen Winterfrost das bislang verhindert. Diesen Januar noch pflanzen King und sein Team rund 900 Testpflanzen ein, erste Ergebnisse sind in fünf Jahren zu erwarten. Verlaufen die Tests positiv, könnten wir in Zukunft mehr Kaffee aus Down Under trinken. Willkommen in der klimatischen Neuordnung.