Die Sojamilch ist als erstes alle. Enttäuscht blicken junge Menschen in die leere Keramikkanne auf dem Buffettisch. Daneben türmen sich Croissants, Milch von der Kuh gibt es noch, auf einem Schild steht, man solle die Pappbecher für den Kaffee doch bitte den ganzen Tag behalten. Das spart Müll – und schließlich geht es hier um die Umwelt. Das Bundesumweltministerium hat zu einer Jugendkonferenz eingeladen. Jugendliche und junge Erwachsene sollen sich in sogenannten Murmelgruppen und Foren über die Ergebnisse der hier vorgestellten Jugendstudie austauschen. Es sind hauptsächlich diejenigen gekommen, die sich schon in Umweltverbänden, Gewerkschaften oder andere sozialen Organisationen engagieren. Der hohe Sojamilch-Konsum ist also nicht repräsentativ für alle jungen Menschen in Deutschland. Die Ergebnisse der Jugendstudie aber schon.

Unter dem Motto „Zukunft? Jugend fragen“ hatte das Ministerium 2017 über tausend junge Menschen zwischen 14 und 22 Jahren befragt, was Ihnen wichtig ist und wie sie leben. Der Fokus lag dabei auf Nachhaltigkeit, Politik und Engagement. Die Ergebnisse liegen nun vor und wurden am Donnerstag in einem Coworking-Space in Berlin-Kreuzberg vorgestellt und diskutiert.

Im betahaus in Berlin treffen sich Jugendliche und junge Erwachsene, um über die Jugendstudie des Bundesumweltministeriums zu diskutieren

Im betahaus in Berlin treffen sich Jugendliche und junge Erwachsene, um über die Jugendstudie des Bundesumweltministeriums zu diskutieren

Umwelt ist wichtig – persönliche Beziehungen aber noch mehr

Eine zentrale Rolle für den Alltag der Befragten spielen Themen wie Ausbildung, Freizeit und Entspannung. Aber das Wichtigste im Leben sind verlässliche persönliche Beziehungen. Und auch eine intakte, natürliche Umwelt gehört für 44 Prozent der jungen Menschen zu einem guten Leben unbedingt dazu. 41 Prozent sind beunruhigt, wenn sie an die Umweltverhältnisse denken, unter denen nachfolgende Generationen aufwachsen müssen. Beim Übergang vom Denken zum Handeln wird es allerdings schwierig. Viele möchten zwar ökologisch und sozial handeln, aber auf Spaß bringende Sachen wie Flugreisen verzichten, wollen sie dagegen nicht.

„Es ist zwar cool und hip vegetarisch zu sein, aber wenn die Leute sich persönlich einschränken müssen, hört es bei den meisten auf“, sagt Luisa Neubauer. Auf die 21-Jährige trifft das nicht zu. Sie engagiert sich bei der NGO „One“, die gegen extreme Armut und vermeidbare Krankheiten kämpft. Außerdem moderiert sie die Jugendkonferenz. „Aber ich habe auch den sozialen Background und ein Stipendium, sodass ich neben meinem Studium nicht arbeiten muss. Daher habe ich Zeit für politische Arbeit und soziales Engagement. Andere haben das nicht“, sagt Luisa Neubauer.  

Gerade hat sie auf dem Podium Dietmar Horn vom Bundesumweltministerium angekündigt. Der Abteilungsleiter für Umwelt- und Stadtpolitik entschuldigt seine Ministerin Barbara Hendricks, die es nicht geschafft hat, die Veranstaltung wie geplant zu eröffnen – die Koalitionsverhandlungen seien dazwischen gekommen. Sie lässt jedoch einen Kommentar übermitteln: „Die Studie zeigt, Umwelt- und Klimaschutz muss noch stärker in der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen ankommen“, so die Ministerin. „Jugendliche haben ein hohes Interesse an  Bildungsangeboten zu Nachhaltigkeitsthemen. Wenn wir diesen Bildungsauftrag ernstnehmen, können wir junge Generationen für Umwelt- und Klimaschutz begeistern und sie motivieren, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen.“

Luisa Neubauer moderiert die Jugendkonferenz

Luisa Neubauer moderiert die Jugendkonferenz

Mit Horn auf dem Podium steht auch Gerd Scholl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Er erläutert die Ergebnisse der BMUB-Studie: „Anscheinend seid ihr heute viel beschäftigter als ich früher“, sagt er. „Als ich 14 war, da kannte ich noch Langeweile.“ Scholl bezieht sich auf das Ergebnis, dass Jugendlichen für Engagement einfach die Zeit fehle. Dafür sehen sie insbesondere die Politik in der Verantwortung. So wünschen sich 43 Prozent zum Beispiel gezielte gesetzliche Maßnahmen für mehr Umweltschutz. Ein Ergebnis habe ihn besonders überrascht, fügt Scholl noch hinzu: So begreifen die Befragten Wirtschaftswachstum – im Gegensatz zum Mainstream-Kanon – eher als negativ.

Das findet Aaron Boos nicht überraschend, sondern logisch. Der 21-Jährige sitzt im Publikum und engagiert sich in seiner Freizeit bei einem Jugend-Panel für Nachhaltigkeit. Er sagt: „Nachhaltigkeit funktioniert nur mit einem anderen Wirtschaftssystem. Wachstumsgedanke, Konkurrenz und Leistungsstreben arbeiten nicht für die Umwelt, sondern dagegen.“ Und auch beim Klimawandel glaube er nicht mehr an die Politik, sondern auf Wissensvermittlung. „Wenn die Leute verstehen, was passiert, dann werden sie selbst handeln“, sagt er.

„Darauf warten bis Menschen ertrinken“

Die Rolle der Politik beurteilt die Moderatorin Luisa Neubauer ähnlich negativ. Klimaschutz sei keine Sache des Einzelnen, sondern von Gesellschaft und Politik – und die habe beim Klimawandel versagt. „Wir können ja nicht warten bis Menschen tatsächlich ertrinken. Die Folgen des Klimawandels kommen schleichend, aber dafür umso dramatischer“, so die Studentin. Auch Carl Frederick Cuthin, 22, der die Studie begleitet hat, pflichtet bei. Als abstrakte Gefahr sehe er den Klimawandel nicht. „Der Klimawandel ist sehr konkret. Es gibt die Hurricanes in den USA und das Extremwetter hier bei uns“, sagt er.

Aaron Boos will die Ergebnisse der Studie diskutieren, weil ihn besonders das Thema Nachhaltigkeit interessiert

Aaron Boos will die Ergebnisse der Studie diskutieren, weil ihn besonders das Thema Nachhaltigkeit interessiert

Direkten Einfluss auf die Politik haben die Studienergebnisse nicht

Nachdem Dietmar Horn vom Umweltministerium und Studienleiter Gerd Scholl die Ergebnisse vorgestellt haben, dürfen die Jugendlichen im Publikum Fragen stellen. Ob das Umweltministerium mit den Ergebnisse denn auch politisch etwas machen würde, möchte ein junger Mann wissen. Und fügt hinzu: „Oder landen die Ergebnisse in irgendeiner Schublade und das war‘s dann?“

Wissenschaftliche Studien könnten nicht den Anspruch erheben, direkten Einfluss auf Politik zu haben“, sagt Horn. „Auch in die Koalitionsgespräche werden sie nicht einfließen.“ Trotzdem, so betont er, würden die Ergebnisse durchaus zur politischen Meinungsbildung beitragen. Und dann kommt er noch einmal auf den Wunsch der Befragten zu sprechen, dass Politik gerade bei Umwelt- und Klimaschutz mehr regeln müsse. „Das finde ich richtig. Das können wir und das wollen wir auch.“