Die guten Nachrichten zuerst: Die überwältigende Mehrheit der EU-Bürger glaubt, dass der Klimawandel menschgemacht ist. 42 Prozent sagen, er sei vollständig auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen, 51 Prozent glauben, dass der Klimawandel teilweise durch den Menschen befeuert wurde. Das ist das Ergebnis des Eurobarometers zum Thema „Future Europe – Climate Change“, das im vergangenen Herbst in 28 Mitgliedsstaaten durchgeführt wurde. Insgesamt wurden rund 27.000 Menschen aus unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen befragt.

Mehr als acht von zehn Befragten stimmten zu, dass der Kampf gegen den Klimawandel auch positive wirtschaftliche Effekte habe – so wie beispielsweise Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Ähnlich viele EU-Bürger gehen davon aus, dass der Wissensvorsprung im Bereich erneuerbarer Energien der EU ebenfalls einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen kann.

Allerdings gaben vier Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass sie den Klimawandel nicht dem Menschen anlasten, ein Prozent stritt ab, dass es überhaupt einen Klimawandel gibt. Obwohl die Zahl der Klimaleugner noch klein ist, wächst der Einfluss der Klimaskeptiker in den Mitgliedsstaaten und in der EU.

Das Lager der Kohlestrombefürworter erstarkt

Bei der Europawahl könnten laut Eurobarometer rechte und euroskeptische Parteien rund 22 Prozent, also mehr als 150 Sitze im europäischen Parlament erlangen. Und mit ihnen wächst auch die Möglichkeit von Rechtspopulisten, die Klima- und Energiepolitik auf europäischer Ebene zu torpedieren: Sie bekommen längere Redezeiten und finanzielle Mittel, dürfen Anträge einbringen und den Vorsitz der Ausschüsse übernehmen.

Für den Klimaschutz sind das besorgniserregende Aussichten, denn während auf der einen Seite die Zeit drängt, konkrete europäische Klimaschutzmaßnahmen zur Senkung von Treibhausgasemissionen auf den Weg zu bringen, erstarkt auf der anderen Seite das Lager derer, die an Brennstoffmotoren festhalten, zurück zu Kohle- und Atomstrom wollen und sich nicht von wissenschaftlichen Fakten überzeugen lassen. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob die EU das selbst gesteckte Ziel von vierzig Prozent weniger Emissionen (im Vergleich zu 1990) bis 2030 und „Klimaneutralität“ bis 2050 schaffen kann. Wer mehr Klimaschutz fordert, sollte die Europawahlen ernst nehmen.

Zwei von drei rechtspopulistischen Abgeordneten stimmen regelmäßig gegen klima- und energiepolitische Maßnahmen im europäischen Parlament. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Berliner Denkfabrik adelphi vom Februar dieses Jahres, die die 21 stärksten rechtspopulistischen Parteien Europas, deren Wahlprogramme, Statements und Abstimmungsverhalten analysierte. Rechte Parteien, die der Think Tank als Klimawandelleugner einstuft, sind unter anderem die deutsche AFD, die dänische Volkspartei, die konservative Partei Estland, UKIP aus Großbritannien, die Partei für Freiheit aus den Niederlanden und die Schwedendemokraten. Bei einigen der genannten Parteien, wie etwa der österreichischen FPÖ, beschränkt sich das Leugnen des Klimawandels auf Äußerungen prominenter Parteivertreter. Bei der AfD steht es dagegen schwarz auf weiß im Wahlprogramm: „Wir bezweifeln, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte“, heißt es dort, die Klimaschutzpolitik sei ein Irrweg, die zu einem ökologischen Planungs- und Zwangsstaat mit gewollter Mangelwirtschaft führe.

Doch auch, wenn die gemäßigten Parteien der Mitte und des linken Spektrums im EU-Parlament immer noch die Mehrheit haben, verändert der wachsende Einfluss der rechtspopulistischen Parteien den europäischen Klimadiskurs. „Die Gefahr besteht darin, dass demokratische Parteien sich der Argumente der Rechtspopulisten bedienen und es zu einem Rechtsruck in Europa kommt“, sagte Alexander Carius, Geschäftsführer von adelphi, gegenüber Medien. Rechte Parteien brandmarkten die Klimapolitik als elitäres Projekt, für das die Armen, die Arbeiter und die Unternehmen teuer bezahlen müssen, so Carius. Um diesem Narrativ entgegenzuwirken, müssten die wahren Kosten und Risiken des Klimawandels gegenüber der Bevölkerung besser kommuniziert werden.

Die EVP als „Dinosaurier“ beim Klimaschutz

Nicht nur am rechten Rand, auch in der Mitte der Gesellschaft gibt es Parteien, die Klimaschutz nicht ernst nehmen oder ausbremsen. Das „Climate Action Network Europe“ (CAN) hat das Wahlverhalten der Parteien im Europaparlament ausgewertet und drei Gruppen von Parlamentariern identifiziert: Verteidiger des Klimaschutzes, Verzögerer des Klimaschutzes und Dinosaurier, die mit ihrer Tatenlosigkeit den Anschein erwecken, aufs Aussterben geradezu zu warten. Gut schnitten dabei nur die Grünen (European Green Party /EFA), die Linken (European United Left/Nordic Green Left) und die Sozialdemokraten ab (Progressive Alliance of Socialists and Democrats). Die Europäische Volkspartei EVP, die größte Gruppe im Europaparlament, der auch die CDU angehört, wurde ihrem Abstimmungsverhalten zufolge zum Dinosaurier ernannt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der alle demokratischen deutschen Parteien – die AfD war davon ausgenommen – angefragt hat, ihre Haltung zu zentralen grünen Themen der Europapolitik darzustellen: Ob sie die Beteiligung der Zivilgesellschaft auf EU-Ebene unterstützen, im Zuge der EU-Agrarreform für höhere Naturschutzförderung stimmen, Umweltaspekte in Pestizid-Zulassungsverfahren besonders berücksichtigen, sich für die Anhebung der EU-Klimaziele einsetzen und bei der EU-Verkehrspolitik dem Motto „Schiene statt Straße“ folgen. Sehr gut schnitten bei diesem EU-Wahlcheck die Grünen, die Linke und die SPD ab. Die Konservativen ließen einige der Fragen unbeantwortet, die FDP hat im Bereich Klima- und Verkehrspolitik abweichende Ziele.

Die zögerliche und bremsende Haltung der liberalen und der konservativen Parteien zeigt sich auch in aktuellen Äußerungen ihres Spitzenpersonals: CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer betonte letzte Woche in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, es gebe verschiedene Methoden der Bepreisung von CO2, eine Steuer sei nur eine davon. Sie setzt weiterhin auf den Emissionshandel als Lösung, doch der funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Die Frage lautet also, was schneller ist: Der Klimawandel oder die Kompromissfindung in der EU. Und in der FDP gab es zuletzt mehrfach skeptische Äußerungen der Generalsekretärin Nicola Beer, Spitzenkandidatin für die Europawahl: „Alle Forscher, die solche Klimaveränderungen seit Jahrhunderten betrachten, sagen, das sind kleine Ausschläge“, sagte sie im Januar. „Über die Jahrhunderte betrachtet, hat es nicht diese Brisanz, wie es momentan dargestellt wird.“ Mit Aussagen wie diesen stellt sich die FDP in eine Reihe mit den Klimaleugnern ganz rechts außen.

Das zeigt: Wer am 26. Mai in Deutschland wählen geht, entscheidet mit seiner Wahl auch über den künftigen Klimaschutz in Europa. Und wer seine Stimme nicht nur in der Wahlkabine abgeben, sondern auch auf die Straße tragen möchte, dem bieten sich viele Möglichkeiten: Am 24. Mai werden in ganz Europa Proteste für Klimaschutz stattfinden, initiiert ist das von der Schüler-Bewegung „Fridays for Future“. Viele der junge Klimaaktivisten dürfen noch nicht wählen – sie hoffen deshalb, dass diejenigen, die es können, auch für die Zukunft der kommenden Generationen stimmen werden. Bei der letzten Europawahl 2014 gingen nur 43 Prozent der wahlberechtigten Europäer zur Abstimmung – eines der schlechtesten Ergebnisse seit der Gründung der EU. Ob angesichts dessen, was nun auf dem Spiel steht, die Wahlbeteiligung signifikant steigt, wird sich Ende der Woche zeigen.