Bis 2031 soll in Deutschland ein Ort gefunden sein, ein Schacht vielmehr, tief unter der Erde und weit weg von jedweder vulkanischen Aktivität und Erdbebengefahr. Ein Ort, an dem etwa 30.000 Kubikmeter hochradioaktiver Müll lagern können. Trocken und sicher für die nächsten eine Million Jahre, so die Vorgabe. Diesen Ort zu finden ist keine leichte Aufgabe – und der Prozess ein konfliktreicher. 

Deshalb hat der Bundestag das „Nationale Begleitgremium“ eingesetzt, das die Bundesregierung neben der neu gegründeten Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) bei der Suche unterstützt. Es setzt sich zusammen aus sechs „anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ wie dem ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer und der Klimawissenschaftlerin Miranda Schreurs, sowie drei zufällig ausgewählten Bürgern. Seine Aufgabe besteht darin, die Nähe und den Austausch mit der Öffentlichkeit zu suchen und Vertrauen aufzubauen, die Bevölkerung einzubinden und so das Konfliktpotenzial möglichst gering zu halten. Einmal im Monat trifft sich das Gremium zu öffentlichen Sitzungen in Berlin, es organisiert Informationsveranstaltungen, hat an der Überarbeitung des Standortauswahlgesetzes mitgearbeitet und Gutachten in Auftrag gegeben.

Am Dienstag hat das Gremium dem Bundestag seinen ersten Tätigkeitsbericht samt Empfehlungen vorgelegt. Darin mahnt es mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung beim Auswahlverfahren an – und fordert die zügige Verabschiedung des Geowissenschaftsdatengesetzes. Ein solches Gesetz sei „unerlässlich“, heißt es im Gremiumsbericht, um ein von Anfang an transparentes Standortauswahlverfahren überhaupt zu ermöglichen. Hintergrund: Die Endlagersuche findet im ersten Schritt „ergebnisoffen“ und nach dem Prinzip der „weißen Landkarte“ statt. Es gibt also kein Gebiet, das nicht als Standort in Erwägung gezogen wird. Geologische Daten werden gesammelt und nach und nach Regionen ausgeschlossen. Die Rechte an den geologischen Daten liegen jedoch teilweise bei Dritten und können nicht so einfach veröffentlicht werden. Das neue Gesetz soll dem Transparenzgebot Vorrang vor dem Interesse Dritter einräumen.

Das Geowissenschaftsdatengesetz ist bereits in Planung

Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien bereits die „rasche Verabschiedung“ des Geowissenschaftsdatengesetzes vereinbart. Ursula Heinen-Esser, Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE begrüßte den Dringlichkeitsappell des Nationalen Begleitgremiums. „Wir benötigen das Geowissenschaftsdatengesetz dringend, um unsere Arbeit transparent und öffentlich gestalten zu können“, sagte sie.

Jorina Suckow, 25, ist eine der drei zufällig ausgewählten Bürgervertreter im Nationalen Begleitgremium und Vertreterin der jungen Generation. „Die Zusammenarbeit mit den anderen beiden beteiligten Stellen, BfE und BGE, läuft gut. Es sind immer Vertreter von ihnen auf unseren Sitzungen dabei. Allerdings ist es ein schleppender Prozess und vieles ist sehr bürokratisch“, sagt sie. Insgesamt zieht sie aber eine positive Bilanz der ersten eineinhalb Jahre ihres Ehrenamts. „Rückblickend hätte ich gedacht, dass es deutlich weniger Arbeit sein würde. Aber ich halte es für eine sehr sinnvolle Aufgabe“, sagt sie und ist sich ihrer Verantwortung bewusst, denn schließlich ist es ihre Generation, die die meisten Folgen der Atomwirtschaft zu tragen hat.

© Inga Kjer/photothek.netJorina Suckow ist das jüngste Mitglied im Gremium – und hofft in Zukunft auf weniger bürokratische Hürden
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Jorina Suckow ist das jüngste Mitglied im Gremium – und hofft in Zukunft auf weniger bürokratische Hürden

Suckow war zufällig ausgewählt und – nachdem sie sich bereit erklärt hatte – in einem Beteiligungsverfahren in das Gremium gewählt worden. Ganz nebenbei hat sie ihr Staatsexamen gemacht und in einer Kanzlei gearbeitet. In ihrer Freizeit las sie Studien zur Endlagerung, geologische Berichte und bereitete Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung vor. „Ich lerne ganz viel“, sagt die Juristin, „gleichzeitig will ich aber gar nicht Expertin für alles Mögliche sein. Ich versuche eher mir die Bürgersicht zu bewahren.“

Darin besteht die zentrale Aufgabe des Gremiums: Die Bürgersicht berücksichtigen und der Öffentlichkeit umfassende Einsicht in das laufende Auswahlverfahren gewähren. Daher nun auch die Empfehlungen an den Bundestag, bereits den ersten Arbeitsschritt, den Ausschluss von Gebieten, transparent zu vollziehen und schon die Zwischenergebnisse des Auswahlverfahrens zu veröffentlichen. In öffentlichen Dialogforen sollten die Ausschlusskriterien zur Diskussion gestellt werden.

Begleitgremium mahnt mehr Transparenz an, das Interesse der Bürger sei groß

Die Öffentlichkeitsarbeit könne durchaus intensiviert werden, findet Jorina Suckow: „Ich denke, dass die Bürger durchaus mehr Interesse hätten, wenn sie denn besser informiert würden.“ Zu den Veranstaltungen, die das Begleitgremium zum Beispiel im vergangenen Jahr an den Zwischenlagerstandorten organisiert hat, kamen regelmäßig um die zweihundert Leute. „Viele wissen aber auch noch gar nicht, dass wir überhaupt ein Endlager suchen“, sagt sie.

Die Zeit drängt, jetzt schon. Denn insbesondere in den Regionen, in denen sich atomare Zwischenlager befinden, ist die Sorge groß, dass diese faktisch zu Endlagern werden könnten. Auch hier mahnt das nationale Begleitgremium ein Konzept an, das die Bürger in die Entscheidung mit einbezieht und das ausreichend Zeit für die Auswahl des Endlagerstandortes einräumt. Zudem solle es „klären, welcher Weg bei einer notwendigen Verlängerung der Zwischenlagerung beschritten wird“, heißt es im Gremiumsbericht. Die Verzögerungen sind also bereits einkalkuliert, die Konflikte vorprogrammiert.