Lewis Just weiß, dass der Ecocoin weder ihn noch andere reich machen wird. Darum geht es ihm auch nicht. Just, ein 27 Jahre alter Schotte, der in Amsterdam lebt, verfolgt mit der Kryptowährung ein anderes Ziel: Er will Menschen ermutigen, für den Umweltschutz aktiv zu werden, indem er ihm einen Gegenwert gibt. „Das ist es, was fehlt“, sagt er. „Wenn wir Bäume abholzen, bekommen sie einen Wert, es bekommt aber niemand etwas dafür, wenn er einen Baum pflanzt.“

2015 hat sein Chef den Ecocoin ins Leben gerufen, Justs Aufgabe besteht nun darin, ihn zu testen und bekannt zu machen. Die derzeitige Aufregung um Kryptowährungen kommt Just da gerade recht. Der im vergangenen Jahr so gehypte Bitcoin ist zwar in den vergangenen Wochen deutlich eingebrochen, im Zeitalter der Digitalisierung nehmen die Anwendungen für dezentral gesteuertes, digitales Geld dennoch zu. Und zwar exponentiell: Etwa 3000 Kryptowährungen gibt es mittlerweile, vor zwei Monaten waren es gerade einmal halb so viele.

Das verbindende und entscheidende Element ist die Technologie dahinter: die Blockchain. Das ist eine dezentrale, also auf vielen verschiedenen Rechnern gespeicherte Datenbank, in der sämtliche Informationen und Vorgänge wie Transaktionen, Vereinbarungen oder Vertragsabschlüsse dokumentiert sind. All diese Informationen sind für jeden Nutzer einsehbar, können aber nicht nachträglich verändert werden.

Die Blockchain sorgt für mehr Transparenz in Lieferketten

Das hat das Potenzial, nicht nur den weltweiten Zahlungsverkehr zu revolutionieren, sondern ganze Industrien, den Handel und Lieferketten zu vereinfachen. So hatte das französische Unternehmen Louis Dreyfuss, einer der größten Lebensmittelhändler der Welt, im Dezember den ersten Handel auf Grundlage der Technologie abgeschlossen. Dabei wurde eine Ladung Sojabohnen aus den USA nach China verkauft. Die Handelspartner schlossen digitale Verträge ab, die alle nötigen Dokumente, Papiere von Behörden und Zertifikate enthielten. Der zeitliche Aufwand für die Verarbeitung der Dokumente sei gegenüber den normalen behördlichen Vorgängen um etwa die Hälfte reduziert worden, hieß es.

Innerhalb von Lieferketten steigt durch den Einsatz der Blockchain-Technologie auch die Transparenz und somit das Vertrauen. „Smarte Verträge“ ermöglichen den reibungslosen Ablauf. Darin wird festgelegt, welche Aktionen zu welchem Zeitpunkt  hervorgerufen werden sollen. Erreicht der Container das Schiff, wird das vermerkt – und löst zum Beispiel eine Zahlung aus.

Dass das auch Chancen für den Umweltschutz und die Energiewirtschaft birgt, davon ist Lewis Just überzeugt. Dazu funktioniert der Ecocoin allerdings etwas anders als bekannte Kryptowährungen wie der Bitcoin. Während der Bitcoin vor allem als Spekulationsobjekt dient, hat der Ecocoin genau den gegenteiligen Zweck: Er soll nicht weltweit gehandelt werden, sondern in kleineren Rahmen, etwa in Unternehmen oder Verwaltungen, als Zahlungsmittel dienen. Ausgegeben wird er dazu nur in privaten, geschlossenen Blockchains, die nicht für jeden zugänglich sind.

Im vergangenen Jahr kam der EcoCoin zum Beispiel auf einem Festival in den Niederlanden zum Einsatz. Die Besucher konnten die virtuelle Währung verdienen, indem sie vegetarisch aßen, an nachhaltigen Projekten teilnahmen oder Vorträge besuchten. Hatten Sie genug Ecocoins gesammelt, konnten sie diese direkt wieder einlösen gegen Bier, freie Musikdownloads oder den Eintritt zu einer speziellen Party. „Wir haben rund 100.000 Ecocoins umgesetzt“, sagt Just zufrieden.

Energiewirtschaft ist eines der spannendsten Anwendungsfelder für die Blockchain-Technologie

Im nächsten Schritt soll die virtuelle Währung in Büros eingesetzt werden. Wer sich nachhaltig verhält, bekommt EcoCoins, mit denen er beispielsweise in der Kantine bezahlen kann. Das kann schon das Einsparen von Papier oder Strom sein, die Verwendung recyclebarer Materialien und der umweltfreundlichere Umgang mit Computern. „Es funktioniert wie ein Spiel“, sagt Just. „Ein Spiel, mit dem wir die Verhaltensweisen der Menschen verändern können.“

Auch die dezentrale Energiewende könnte die Technologie so voranbringen. Direkte Transaktionen zwischen Energieerzeugern und -verbrauchern können deutlich einfacher und transparenter getätigt werden. Ganz ohne Stadtwerke oder Strombörsen. Die Beteiligten interagieren direkt über eine private Blockchain miteinander und handeln mit Strom, Gas und Zertifikaten für erneuerbare Energien. „Die Energiewirtschaft ist eines der spannendsten Anwendungsfelder für die Blockchain-Technologie“, sagt Stephan Zimprich, Leiter der Kompetenzgruppe Blockchain beim Verband der Internetwirtschaft.

Auch Umweltschützer sehen großes Potenzial, zum Beispiel bei der Verfolgung von nachhaltigen Lieferketten oder CO2-Emissionen. Emissionsdaten von Industrieanlagen, Autos oder Flugzeugen könnten unmittelbar erfasst und in einer Blockchain abgelegt werden. Wie viele Emissionen fallen bei der Herstellung eines Autoreifens an? Werden alle Daten erfasst, wird es in Zukunft möglich sein, genau festzustellen, wie groß der ökologische Fußabdruck eines jeden Produktes ist.

Das große Problem: der hohe Energieaufwand

Das derzeit größte Problem: Die Technologie ist extrem energieaufwändig. In der vergangenen Woche lag der zu erwartende Stromverbrauch des Bitcoin für das Jahr 2018 bei 44,54 Terrawattstunden. Der Handel mit Bitcoins verbraucht demnach mehr Energie als Hong Kong (44 TWh/Jahr). Und mit jeder Transaktion, die mit der Kryptowährung durchgeführt wird, steigt der Energiebedarf weiter. Zudem entstehen immer mehr Währungen. Ether zum Beispiel verbraucht zwar deutlich weniger Strom als Bitcoin, liegt mit erwarteten 12,2 Terrawattstunden pro Jahr aber immer noch im Bereich von Staaten wie Bosnien-Herzegowina und Sri Lanka. Wo soll das enden?

„Es war eine ziemlich absurde Idee, Kryptowährungen auf Basis derart hoher Rechenleistungen und dem damit verbundenen hohen Energieverbrauch aufzubauen“, sagt Stephan Zimprich. Er geht aber davon aus, dass der Validierungsprozess, der für den hohen Energieverbrauch verantwortlich ist, in Zukunft auch weniger kompliziert und mit weniger hoher Rechenpower möglich sein wird. „Es wird allerdings noch dauern, bis sich die Technologie in Deutschland durchsetzt und bis es entsprechende rechtliche Regelungen gibt“, sagt Rechtsanwalt Zimprich.

Lewis Just glaubt daran, dass die Menschen bald ein virtuelles Portemonnaie besitzen, indem viele Währungen zur Verfügung stehen. Neben dem Ecocoin und einer allgemein nutzbaren Währung, die einen monetären Wert hat, vielleicht noch Solarcoins, die gegen die Vorlage von erneuerbaren Energiezertifikaten ausgegeben werden, oder Climatecoins, die einen Gegenwert in CO2-Emissionen haben. Am besten wäre es, sagt er, wenn der Ecocoin nicht viel wert ist. Das hieße nämlich, dass viele Menschen viel für die Umwelt tun und viele Ecocoins verdienen.