Überhitzte Auto- und Landebahnen brechen auf, Niedersachsen verzeichnet einen Rekord an Waldbränden und in Berliner und Hamburger Parkanlagen gießt die Polizei Bäume und Wiesen per Wasserwerfer – es ist heiß. Am meisten leiden darunter die Landwirte: Durchschnittlich breche die Ernte um zwanzig Prozent ein, im Norden und Osten Deutschlands sogar um bis zu siebzig Prozent, prophezeit Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbands. „Allein beim Getreide gibt es einen Ausfall von 1,4 Milliarden Euro. Die Rüben, das Gemüse, die Kartoffeln – alles leidet. Der Mais ist nur dreißig bis vierzig Zentimeter hoch.“

Die Hitze treibt die Bauern zu extremen Schritten: Einige entschieden, ihren Weizen oder Roggen gar nicht erst zu dreschen, sondern das Getreide mit den Ähren gleich zu Viehfutter zu verarbeiten. Das wiederum ist vielen Milchbetrieben bereits ausgegangen. Statt auf grünen Wiesen stehen Kühe auf braunen Steppen. Viele Bauern verfüttern deswegen nun schon ihre Wintervorräte, andere bringen ihre Tiere deutlich früher zum Schlachter, als geplant. Besonders heftig von der Dürre betroffene Landwirte sehen sich sogar in ihrer Existenz bedroht.

Angesichts dessen fordert Joachim Rukwied den Ausruf des Notstands und eine Milliarde Euro Soforthilfe. Betriebe, deren Ertrag mehr als dreißig Prozent unter dem Schnitt der letzten Jahre liege, sollten damit direkt unterstützt werden. Außerdem schlägt er vor, eine Risikoausgleichs-Rücklage einzuführen, mit der Bauern in guten Jahren steuerlich vergünstigte Rücklagen bilden könnten.

Klöckner vertagt Entscheidung zu Hilfsmaßnahmen für Landwirte auf Ende August

Auch die Politik reagiert auf die Dürre: An diesem Dienstag trafen sich Experten aus Bund und Ländern in Berlin. Das Ziel war allerdings nicht der Beschluss von schnell wirksamen Notfallmaßnahmen, sondern erst einmal eine Bestandsaufnahme der Schäden in der Landwirtschaft. Inwieweit man den Bauern unter die Arme greifen könne, will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erst Ende August entscheiden, wenn der vollständige Erntebericht vorliegt.

Der Notstand könne auch nur dann ausgerufen werden, wenn die Ernteverluste dreißig Prozent der durchschnittlichen Erträge der letzten drei Jahre überschreiten. Und nur dann zahlt der Bund. Denn für den Ersatz von Schäden durch Naturereignisse seien in erster Linie die Bundesländer zuständig, stellte Klöckner klar. Ihre Ressortkollegen aus den Bundesländern drängen indes zur Eile. „Ich wünsche mir sehr, dass die Bundesregierung die Entscheidung trifft, dass es hier eine Notsituation gibt“, sagte Till Bauckhaus, Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern.

Verdorrte Weiden – Bio-Bauern greifen auf konventionelles Futter zurück

Denn den Landwirten fehlt das Futter jetzt. So wie auf dem Bauernhof von Bernd Schmitz, dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die ersten Hänge färbten sich schon vor vier Wochen braun, nun sieht die Wiese aus „wie eine Steppe in einem Western-Film“. Für seinen Bio-Milchbetrieb musste Schmitz gerade bei der Landesregierung eine Ausnahmezulassung für konventionelles Futter beantragen. Auch die Landesregierung in Schleswig-Holstein bewilligte bereits solche Ausnahmen, die Bio-Zertifizierung der Betriebe ist davon voraussichtlich nicht bedroht. Bernd Schmitz bleibt ohnehin keine andere Wahl: Die dritte Mahd des Jahres fällt wegen der Trockenheit aus. Weil die konventionellen Betriebe das Wachstum ihrer Grünflächen im kalten Frühjahr mit Mineraldünger beschleunigen, können sie schon eher mit dem Mähzyklus beginnen. Schmitz musste auf die Hilfe der Sonne warten – das wird ihm nun zum Verhängnis. Zehn seiner fünfzig Kühe und fünzig Jungtiere musste er wegen Futtermangels schon schlachten lassen. „Ich bewirtschafte meinen Betrieb im dreißigsten Jahr, aber sowas habe ich noch nicht erlebt.“ 

© Bernd SchmitzHier ist mal ein Bach geflossen – Ausgetrocknetes Flussbett im Hanftal, an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz
© Bernd Schmitz

Hier ist mal ein Bach geflossen – Ausgetrocknetes Flussbett im Hanftal, an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz

Die vom Bauernverband geforderte Milliardengeldspritze nennt er aber „ein Strohfeuer“. Die dreißig Prozent Einbußen können viele Bauern beim Futteranbau gar nicht nachweisen, da viele ihre Futtererträge nicht durchgängig dokumentieren. Somit könnten sie also auch keine Förderung beantragen. Bernd Schmitz fordert mit der AbL „reelle Preise für Lebensmittel, damit nicht alle immer am Limit produzieren müssen“. Dann würde eine Dürre auch nicht zwangsläufig eine Notsituation bedeuten. „In dieser prekären Situation vieler dürregeschädigter Höfe müssen die Marktpartner der Landwirtschaft wie Molkereien, Schlachthöfe und Getreidehandel, aber auch wir Bauern, Verantwortung übernehmen.

Bauernvertretungen fordern höhere Preise für Erzeugerprodukte

Eine existenzbedrohliche Krise kann nur gemildert werden, durch eine schnelle und faire Anhebung der Erzeugerpreise“, lässt Bernd Schmitz sich in einer offiziellen Stellungnahme zitieren. Im Moment bekommen die Milchbauern teils weit unter vierzig Cent pro Liter. Die bräuchten sie aber mindestens, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Die AbL fordert außerdem, die EU-Subventionen umzuverteilen. Die zahlt die Bundesregierung pro Hektar. Um kleine Betriebe zu stärken kann sie bis zu dreißig Prozent der Subventionen für die ersten Hektare zahlen, derzeit verwendet sie darauf aber nur sechs Prozent.

Auch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, hält nichts von den vom Bauernverband geforderten Milliarden. „Die Landwirtschaft kann nicht so weitermachen wie bisher, sondern muss zukünftig klimafreundlich wirtschaften“, sagt er. „Jetzt schlägt der Klimawandel voll durch und die Landwirtschaft ist natürlich einer der Bereiche, die am stärksten Opfer des Klimawandels, aber auch Mitverursacher ist.“ Dass diese Hitzewelle mit der Klimaerwärmung zusammenhängt, hat die Klimaforscherin Friederike Otto von der Oxford Universität vor wenigen Tagen bestätigt. Ihre Berechnungen ergaben, dass der Klimawandel die Hitzewelle an vielen Orten Nordeuropas mehr als zweimal so wahrscheinlich machte als ohne ihn. Sie und ihre Kollegen weltweit untersuchten in den letzten Jahren 190 Wetterextreme mit dem Ergebnis: Rund zwei Drittel von ihnen waren durch den Klimawandel wahrscheinlicher oder stärker.

Es gibt übrigens auch Profiteure der Erwärmung: Die Obst- und Weinbauern freuen sich auf so gute Ernten wie lange nicht mehr. Vermutlich kann die Weinlese schon zwei Wochen eher als normalerweise bedingen. Wein statt Milch – das klingt ein bisschen wie Kuchen statt Brot.