À la Saison

Sporadischer Spargel

Gaumenschmeichler, Gesundbrunnen, Götterspeise – Asparagus officinalis beweist seit den Pharaonen in allen Lebenslagen Geschmack. Der ist süß, schwefelig und flüchtig wie eine Frühlingsliebe. Unser Gemüse der Saison im literarischen Porträt

Sporadischer Spargel

Marcel Prousts „Madeleine“ ist das wahrscheinlich prominenteste Gebäck der Weltliteratur. Weniger bekannt ist Prousts Schwäche für Edelgemüse. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit verzehrt Proust beileibe nicht nur Sandküchlein. Sein Kinder-Ich spaziert auch mal in die Küche. Und dort liegen Spargel, „deren in Violett und Himmelblau getauchte Spitze nach dem anderen Ende zu … lauter Abstufungen von irisierenden Farben aufwies, die nichts Irdisches hatten“. Proust schreibt den Trieben des Liliengewächses eine Hommage und verzeiht „den köstlichen Geschöpfen“ gar, dass sie sein „Nachtgeschirr in ein Duftgefäß umschufen“. Das ist – ganz klar – Liebe.

Und wer verstünde das besser als wir Deutschen? „Wenn du Kartoffeln oder Spargel isst, schmeckst du den Sand der Felder und den Wurzelsegen, des Himmels Hitze und den kühlen Regen, kühles Wasser und den warmen Mist“, warb der Dramatiker Carl Zuckmayer. Es ist ein tolles Angebot. Sand und Mist zwischen den Zähnen – wer wollte das nicht? Besser noch ist, das Ganze mit Champagner der Marke „Witwe Klicko“ (Veuve Cliquot) runterzuspülen. So machte es – Jahrzehnte vor Proust – Wilhelm Buschs Fromme Helene. „Denn Spargel, Schinken, Koteletts sind doch mitunter auch was Netts.“ Wo der französische Großroman aufs Höchste schwärmt, stapelt der deutsche Gemüsereim deftig tief. Dabei hat das Erdgewächs durchaus Himmlisches.

Bereits Pharao Echnaton und seine Frau Nofretete nannten die Stängel aus Vorderasien „Götterspeise“. Ägyptischen Herrschern gab man sie als Paradiesproviant mit ins Grab. Die Griechen tauften den Spross aspáragos, junger Trieb. Und die Römer bauten ihn wohl erstmals an. Kaiser Augustus soll Befehle mit den Worten „citius quam asparagus coquantur“ bekräftigt haben – ehe der Spargel kocht! In Frankreich war die Delikatesse bei Hofe der letzte Schrei. Kraft seiner Sonne (und eines genialen Gärtners) speiste etwa Ludwig XIV. selbst im Winter Spargel. In Dosen gab es das Luxusgut erst 1804. Und kurz darauf wechselte es die Farbe von grün zu weiß. Unter Tonhauben, die zum Schutz vor Kälte dienten, fand man den Spargel bleich vor – eine Variante, die sich vor allem in Deutschland durchsetzte.  

Vornehme Blässe steht dem Spargel gut. Beim Stechen verneigt sich der Mensch – meist in Gestalt des Erntehelfers aus Rumänien, Polen oder Bulgarien – tief vor ihm. Und auf dem Teller verströmen seine starken Aromen natürliche Autorität. Zerlassene Butter unterstreicht seine süß-schwefelige Präsenz besser als dicke Sauce Hollandaise, exquisite Pilze wie Morchel und Trüffel begegnen ihm auf Augenhöhe und Garnelen schmeicheln seiner Süße. Apropos. In jeder lustvollen Küche gilt: Mit dem Essen spielt man! Ein gefälliges Dessert wie die Crème brûlée bekommt mit Spargel erst richtig Tiefgang. Keine Angst vor Zucker! Der Edelspross ist ja voller guter Dinge wie Kalium, Kalzium und Folsäure. Seine älteste Erwähnung stammt nicht zufällig von dem Arzt Hippokrates. Spargel entwässert wunderbar. Angeblich aphrodisiert er auch. Oder ist das nur das Gefühl der Saison? Der Lenz ist da!

Man muss nicht lange raten, was die Comedian Harmonists einer Dame mit folgender Zeile sagen wollten: „Die ganze Welt ist wie verhext, Veronika, der Spargel wächst.“ Und dann erst der Dichterfürst. Dreimal in vier Tagen schickte Johann Wolfgang von Goethe Charlotte von Stein im Mai 1776 zarte Triebe aus eigener Ernte. „Da sind Spargel, erst iezt gestochen... Sagen Sie mir wie’s Ihnen heut Mitag ist. Ob ich kommen darf?“ Und so was nennt sich deutsche Hochkultur. Halten wir uns an die französische Spitzenpolitik. Charles de Gaulle war hager und wurde manchmal Spargel genannt. Einmal erklärte er, das habe ihn nie gestört: „Denn am Spargel ist der Kopf das Wichtigste.“

Zuckerschoten-Spargel-Gemüse mit Wildkräutern
Ein Rezept von Karin Midwer

Für 3 Portionen:
400g Spargel, 50g gemischte Wildkräuter wie Löwenzahn-, Brennnessel- oder Spitzwegerichblätter, 200g Zuckerschoten, 1EL mildes Olivenöl, Pfeffer, Salz, Saft einer Zitrone

Zubereitung:
Spargel waschen und schälen, in mundgerechte Stücke schneiden. Kräuter verlesen, waschen und hacken. Zuckerschoten waschen. In einer heißen Pfanne das Öl erhitzen und den Spargel so lange braten, bis er leicht gebräunt ist. Zuckerschoten kurz dazugeben, pfeffern und salzen. Pfanne vom Herd ziehen, Gemüse mit einigen Spritzern Zitronensaft würzen und die Kräuter untermengen. Sofort servieren.

Und sonst so?

Neu im April:
Rhabarber

Frisch im Mai:
Erdbeere, Blattsalate, Frühlingszwiebel, Kohlrabi, Mairübe, Mangold, Radieschen, Teltower Rübchen

Sporadischer Spargel

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