Laut dem neuen Sonderbericht des Weltklimarates IPCC sind Land- und Forstwirtschaft für 23 Prozent des menschengemachten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, einer der Leitautoren, erklärt im Interview, welchen Wandel er sich durch die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erhofft.

Der neue Sonderbericht des Weltklimarats besagt in Kürze: Wie das Land, so das Klima. Wie muss das Land aussehen, damit das Klima erträglich bleibt?

Das Land muss nachhaltig genutzt werden. Derzeit tragen Land- und Forstwirtschaft mit 23 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Wir haben das Problem, dass der dadurch angetriebene Klimawandel auch umgekehrt die natürlichen Systeme schädigt: Die Klimazonen verlagern sich, zahlreiche Arten und auch die Lebensmittelproduktion sind den Extrembedingungen vielerorts nicht gewachsen. Die Böden vertrocknen und versalzen, und das bereits auf einem Viertel der genutzten Landfläche.

Was sind die größten Stellschrauben, um gegenzusteuern?

Das sind nach wie vor zuallererst drastische Emissionsreduktionen – im Industrie-, Verkehrs- und Energiesektor. Aber auch das Land, also die Art, wie wir Flächen bewirtschaften, kann einen Beitrag leisten, und zwar indem wir seine Fähigkeit zur CO2-Speicherung fördern. Denken Sie an den Schutz der Moore und an die Aufforstung, vor allem da, wo Raubbau betrieben wird. Wir müssen überdies die Beschädigung der Böden durch die Landwirtschaft eindämmen, um ihre Speicherfähigkeit zu reaktivieren. Und wir müssen uns von der intensiven Viehwirtschaft verabschieden – dadurch würde Land für andere Zwecke frei, etwa die Produktion von Bioenergie.

© Kerstin RolfesHans-Otto Pörtner
© Kerstin Rolfes

Hans-Otto Pörtner

Als eine wichtige Maßnahme nennt der Report das Anpflanzen neuer Bäume. Sie raten aber dazu, nur dort aufzuforsten, wo Wald natürlicherweise vorkommen würde. Warum?

Wenn Sie Kulturen pflanzen, wo Wälder normalerweise nicht lebensfähig sind, müssen Sie erstmal Arten aus anderen Regionen identifizieren, die dort wachsen können, und diese bewässern. Wenn Sie hingegen natürliche Ökosysteme restaurieren, erhalten sie damit deren Leistungen für Klimaschutz und Artenvielfalt – wobei sie allerdings berücksichtigen müssen, dass sich die optimalen klimatischen Bedingungen für die Arten bereits verschoben haben können (und dies auch in Zukunft noch tun werden).

Statt aufzuforsten, holzen wir aber immer mehr ab: Laut „Global Forest Watch“ hat die globale Abholzung 2017 einen Spitzenwert von knapp dreißig Millionen Hektar erreicht – fast ein Drittel mehr als durchschnittlich in den Jahren zuvor.

Da würde ich das Wort „wir“ nicht benutzen, denn in Deutschland gibt es eine solche Netto-Abholzung nicht.

Aber wir tragen eine Mitverantwortung für die Abholzung, die in anderen Teilen der Welt passiert.

Das stimmt. Da reden wir vor allem über Länder, die Wald abholzen um Soja zu produzieren, das dann für die intensive Viehwirtschaft nach Europa transportiert wird. Das sind keine nachhaltigen Prozesse.

Das passiert vor allem im Amazonas-Regenwald. Unter Brasiliens neuem Präsidenten Jair Bolsonaro wurde dort zuletzt beinahe viermal mehr gerodet als in den Jahren zuvor. Wie Donald Trump leugnet Bolsonaro den Klimawandel.

Die Frage die sich angesichts der Wahl solcher Politiker stellt ist: Wie erreichen wir einen Sinneswandel? Der lässt sich nur mit der Aufklärung der Menschen erreichen und mit den wissenschaftlichen Informationen, wie sie vom Weltklimarat kommen. Der 1,5-Grad-Sonderbericht hat letztes Jahr zu einer Mobilisierung der jungen Generation beigetragen – das ist beispielhaft dafür, wie man Umstellungen erreicht. Es hat viele konservative Politiker in Europa überrascht, wie diese Mobilisierung die Europawahlen oder auch die Wahlen in Bremen – dem Bundesland, in dem ich arbeite – beeinflusst hat. Darauf müssen wir aufbauen, und ein entsprechend steigendes Bewusstsein brauchen wir auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch Herr Bolsonaro muss verstehen, dass der globale Klimawandel die nationale Umwelt in Brasilien bedroht.

Die Verantwortung dafür tragen aber auch wir Europäer mit unserer Nachfrage. Die EU-Kommission geht davon aus, dass sich der Fleischexport Brasiliens nach Europa in den nächsten Jahren verdreifachen wird. Muss man die Menschen dazu zwingen, weniger Fleisch zu essen?

Es wird immer einen Teil der Bevölkerung geben, der das freiwillig macht, und andere, die beratungsresistent sind. Deshalb muss auf politischer Ebene gehandelt werden.

Was halten Sie von der aktuell diskutierten höheren Mehrwertsteuer auf Fleisch?

Ich wage zu bezweifeln, dass das als einzelne Maßnahme ausreicht. Wir brauchen auch Aufklärungskampagnen über die Notwendigkeit einer Nahrungsumstellung – übrigens kombiniert mit der Botschaft, dass eine eher pflanzenbasierte Ernährung mit reduzierten Fleischanteilen auch der Gesundheit dient. Und wir brauchen überdies eine Umleitung der Finanzströme und den Abbau klimaschädlicher Subventionen in der Landwirtschaft: Das, was schädlich ist, muss teurer werden, und das, was nachhaltig ist, muss gefördert werden. Eine nachhaltige Tierhaltung ist übrigens nur in natürlichen Lebensräumen möglich, die eben nicht bewaldet sind – denken Sie an die Savannen auf den verschiedenen Kontinenten.

Wie sieht eine klimafreundliche Ernährung aus?

Da werde ich Ihnen jetzt keine Rezepte durchgeben (lacht). Sie ist pflanzenbasiert, unter hohen Anteilen von Gemüsen, Getreiden, Nüssen und Früchten. Und der Fleischkonsum sollte zum Beispiel auf den Sonntagsbraten reduziert werden.

Die fünf größten Fleisch- und Molkereiunternehmen stoßen zusammen mehr CO2 aus als Exxon, Shell und BP. Auch Lebensmittelkonzerne müssten doch in die Verantwortung genommen werden. Warum wälzt die Politik dennoch die Verantwortung auf die Konsumenten ab?

Natürlich steuert der Konsument viel. Der Mentalitätswandel bei den Konsumenten muss aber ganz klar von einem Mentalitätswandel bei den Produzenten begleitet werden. Sie überschwemmen den Markt mit billigen Produkten und bremsen damit den Wandel. Das hat eine Trägheit der Gesellschaft zur Folge – die ist sehr ungünstig angesichts der Dringlichkeit beim Klimaschutz.

Viele NGOs wie Greenpeace fordern einen radikalen Umbau des Agrarsektors. Und angesichts zunehmender Wetterextreme wird deutlich, das es nicht nur darum gehen kann, den Klimawandel zu drosseln, sondern auch darum, sich an ihn anzupassen. Wie muss der Wandel aussehen?

Wir werden in der Anpassung berücksichtigen müssen, dass bestimmte Produktsorten im Ackerbau vielleicht nicht mehr verwendet werden können. Deswegen müssen wir mithilfe von Zuchtmaßnahmen etwa hitzeresistente Sorten finden. Wir brauchen eine wirtschaftliche Nutzung der Wasserressourcen, um die Verfügbarkeit von Süßwasser für die Weltbevölkerung zu sichern. Wir müssen auch die Verschwendung reduzieren, denn derzeit landen 25 bis 30 Prozent der produzierten Lebensmittel im Müll. Es ist ein ganzes Bündel verschiedenster Maßnahmen, die der Sonderbericht den Politikern an die Hand gibt – denn das alles benötigt politische Begleitung.

Und Zeit. Haben wir noch die Zeit, um etwa den Bäumen beim Wachsen zuzusehen?
Wir haben sie dann, wenn wir das ganze mit ambitionierten Emissionsreduktionen in den anderen Sektoren begleiten, die im Übermaß fossile Energieträger nutzen. Mit der Begrenzung des Klimawandels können wir gewissermaßen Zeit für die Anpassung kaufen. Je ambitionierter wir die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern zurückfahren, desto nachhaltiger können wir die Landnutzung gestalten, den Ökosystemen und der Artenvielfalt Raum geben und die Ernährungssicherheit für die Menschheit sichern.