Helles Tschirpen, sanftes Flöten, rhythmisches Pfeifen oder heiseres Krähen – jede Vogelart hat ihre ureigenen Tonlagen und Melodien. Damit prägen die Vögel auch den akustischen Charakter von Ländern und Regionen. So kann uns der melodiöse Gesang der Amsel an unsere Heimat erinnern, der Ruf einer Möwe an die Küste und das Flöten eines Mauerläufers an die Alpenregion. Sind Vogelstimmen zu hören, ist das meist ein gutes Zeichen dafür, dass das Ökosystem intakt ist. Wird es aber immer stiller in der Natur, weist das auf einen Zusammenbruch hin.

Der in Großbritannien geborene und in Paris lebende Robin Perkins hat das schon seit seiner Kindheit verinnerlicht. Der 33-jährige DJ und Musikproduzent wurde von seiner im Vogelschutz engagierten Mutter auf viele Streifzüge durch die Natur mitgenommen, gemeinsam lauschten beide den Stimmen der Vögel. „Das Zuhören erinnert daran, dass wir sie beschützen müssen, sonst werden ihre Klänge verschwinden“, sagt er. Deswegen bringt er nun so viele Menschen wie möglich zum Zuhören – mit der Hilfe elektronischer Musik.

© Scott Partridge<p>Die Tropfen-Kreischeule lebt in Südmexiko und in den Gebirgen Guatemalas</p>
© Scott Partridge

Die Tropfen-Kreischeule lebt in Südmexiko und in den Gebirgen Guatemalas

Auf dem Album „A Guide to the Birdsong of Mexico, Central America & the Caribbean“ stellt Perkins die Vögel in den Mittelpunkt. In jedem Track ist die Stimme eines anderen Vogels Mittelamerikas zu hören. Jeder von ihnen ist vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Um sie auszuwählen, arbeitete Perkins sich durch die Rote Liste der Weltnaturschutzunion, auf der alle gefährdeten Arten weltweit eingetragen sind. Dort fand er etwa den Kubazaunkönig, der nur noch in einem einzigen Sumpfgebiet Kubas vorkommt, oder die Jamaikanische Amsel, die – wie ihr Name schon verrät – nur in Jamaika zu finden ist. Die Stimmen der Vögel fand er in dem wissenschaftlichen Archiv „Macaulay Library“ und auf der Internetplattform „Xeno-Canto“, auf der sowohl Laien als auch Ornithologen weltweit Aufnahmen von Vogellauten hochladen können.

Ihre Rufe ließ er dann von DJs aus den Ländern, aus denen auch die jeweiligen Vogelarten stammen, mit Bässen, rhythmischen Percussions, Gesängen und Melodien ihrer Heimatländer verweben. So entstanden zehn einzigartige Klangkapseln, jede von dem jeweiligen Stil des DJs geprägt. Mit dem Album, das Perkins auf seinem selbst gegründeten Label Shika Shika veröffentlichte, schuf er einen tanzbaren Hörgenuss mit ernster Botschaft, denn alle darauf zu hörenden Vogelstimmen könnten schon bald verstummen. Es ist bereits das zweite Mal, dass Robin Perkins seine Faszination für die Ornithologie und für lateinamerikanische elektronische Musik zusammenbringt. 2015 hatte er „A Guide to the Birdsong of South America“ herausgebracht, auf dem DJs wie Nicola Cruz, Dengue Dengue Dengue oder Chancha Via Circuito zu hören sind.

Die Erlöse fließen in den Vogelschutz. Mit der ersten Veröffentlichung konnte Perkins rund 13.000 Euro sammeln, die er der ecuadorianischen Fundación Jocotoco und der argentinischen Organisation Aves Argentina spendete. Diesmal sollen sie der mexikanischen Fundación Txori, der Asociación Ornitológica de Costa Rica und Birds Carribbean zugute kommen.

© Scott Partridge<p>Der Kielschnabel-Motmot ist noch in mehreren Ländern zu finden, darunter Costa Rica, Honduras und Nicaragua</p>
© Scott Partridge

Der Kielschnabel-Motmot ist noch in mehreren Ländern zu finden, darunter Costa Rica, Honduras und Nicaragua

Bevor Robin Perkins angefangen hat, als Produzent zu arbeiten und unter dem Namen „El Búho“ (spanisch für Eule) selbst Musik zu machen – auf seinem Debütalbum auch mit Aufnahmen von Vogelstimmen – hatte er in Amsterdam für Greenpeace gearbeitet. Dass er nun den Umweg über die Musik nimmt, um der Umwelt zu helfen, erklärt er so: „Elektronische Musik und populäre Musik haben die Macht, viele Menschen auf eine Weise zu erreichen, wie es Nichtregierungs- oder Wohltätigkeitsorganisationen nicht können.“ Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein: Auch der deutsche DJ und Musikproduzent Dominik Eulberg nutzt die elektronische Musik, um einem breiteren Publikum seine Faszination für die Natur näherzubringen – ein Porträt des Vogelliebhabers erschien im Greenpeace Magazin 1.18. Eulberg sagte darin, dass man mit einer ornithologischen Führung 50 Leute erreichen könne, mit einem Track aber 500.000. Ähnlich wie in Robin Perkins Alben vermischt der im Westerwald lebende DJ Aufnahmen aus der Natur mit clubbigen Beats.

Dieses Verweben von Naturklängen und Musik ist aber nicht auf das elektronische Genre beschränkt. In Großbritannien etwa brachte letztes Jahr der Multiinstrumentalist Cosmo Sheldrake seine „Birdsong Collection“ heraus – verträumte Stücke, in denen größtenteils vom Aussterben bedrohte britische Vögel zu hören sind. Über die beiden Tracks „Cuckoo“ (Kuckuck) und „Bittern“ (Rohrdommel) schreibt er: „Diese beiden kurzen Stücke sind vollständig aus den Liedern der vom Aussterben bedrohten britischen Vögel komponiert. Ich habe sie als Wecker zum Aufwachen am Morgen konzipiert. Heute betrachte ich sie als Weckrufe im weiteren Sinne.“

Solche Weckrufe sind dringend nötig, denn die Lage der Vögel weltweit ist ernst: Laut der Vogelschutzorganisation Birdlife International ist jede achte Vogelart vom Aussterben bedroht, das sind weltweit beinahe 1500 Arten. Etwa 1000 weitere Arten gelten als potenziell gefährdet. In ihrem aktuellen Report stellt Birdlife International fest: „Die Bedrohungen, die die Ausrottungskrise antreiben, sind vielfältig, aber immer von der Menschheit selbst verursacht.“ Neben landwirtschaftlicher Expansion, Abholzung, Raubbau, Verstädterung, Umweltverschmutzung und der Ausbreitung invasiver Arten könne sich der Klimawandel zu der größten Bedrohung von allen entwickeln.

Es sind also die ganz großen Probleme, auf die Robin Perkins nun mit „A Guide to the Birdsong of Mexico, Central America & the Caribbean“ erneut aufmerksam macht. Er plant bereits das nächste Album, vielleicht dann aus Asien. Sein Antrieb? „Ich glaube fest an die Macht der Musik, die Welt zu verändern“, sagt er.

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