Selten kamen Kaffeekapseln so selbstverliebt daher: „Ich bin Eleganz“, behauptet „Capsa“, die Produktlinie aus dem Hause Dallmayr. Angesichts des Verpackungsberges, den die kleinen Brühpatronen verursachen, befinden wir: eher dekadent als elegant. Und widmen der Kaffeemarke unsere aktuelle Fake-Anzeige.

Erinnern Sie sich noch an die Dallmayr-Werbespots aus den Neunzigerjahren? Darin richten in einer kitschigen Kaufladen-Parallelwelt die Kaffeeverkäuferinnen sorgsam ihre weißen Schürzen, legen jede Bohne auf die Goldwaage und füllen den Kaffee liebevoll in die guten alten 500-Gramm-Tüten. Doch die sind inzwischen offenbar für viele Verbraucher nicht mehr zeitgemäß. Das Münchner Kaffeehaus und die weißen Schürzen gibt es auch heute noch, doch Dallmayr hat inzwischen sein Traditionsimage aufpoliert und ist wie viele andere Marken und Discounter auf den Convenience-Zug aufgesprungen. Das Konzept: Man verpackt den Kaffee aufwendig und preist das Ergebnis als moderne Lebensart an – in Form von Kapseln.

Das Image ist „edel“: Die Maschinen der Nestlé-Marke Nespresso tragen klangvolle Namen wie „Latissima“ oder „Creatista“ und glänzen in „Nespresso-Boutiquen“ in deutschen Innenstädten, George Clooney grüßt mit einem Kapsel-Espresso vom Werbebanner. Nespresso ist unangefochtener Kapsel-König, gefolgt von Mitbewerbern wie Tchibo und Tassimo, die eigene Systeme entwickelten. Andere Marken wiederum setzen auf kompatible Kapseln – darunter seit 2014 auch Dallmayr mit „Capsa“, die in die Nespresso-Maschinen passen.

Und warum das Ganze? Der Deutsche Kaffeeverband erklärt, dass die Patronen „für viele Verbraucher mit einem Lifestyle- und Luxusgefühl im Alltag verbunden sind.“ Nüchtern betrachtet erinnern sie mit ihrem kühlen Design zwar eher an Nasa-Bordausrüstung statt an vollendet-veredelte Kaffeekultur, aber dafür gibt’s ja die Werbung, die Sinnlichkeit herbeischwurbelt: „Ich bin Eleganz“ heißt es da über den „Espresso Dark Roast“ von Dallmayr, „Ich bin Leidenschaft“, haucht der „Espresso Barista“ und etwas zurückgelehnt lässt uns der „Lungo Azzurro“ wissen: „Ich bin Gelassenheit.“ Sogar Biokaffee, Kakao und Tees gibt’s inzwischen aus der Kapsel.

Doch viele Umweltschützer bleiben keineswegs gelassen angesichts des Materialaufwands: Mit jeder Tasse dampfender Leidenschaft wandert eine der farbenfrohen Kapseln aus Aluminium und Kunststoff in den Müll. Würden die Kaffeeverkäuferinnen aus dem Neunzigerjahre-Spot heute so eine Patrone auseinandernehmen und auf die Waage legen, würden sie feststellen, dass sie gerade einmal sechs Gramm Kaffeepulver enthält, aber die Kapsel noch einmal fünf Gramm wiegt – ein rekordverdächtig schlechtes Produkt-Verpackungsverhältnis. Dadurch wird auch der Transport unnötig verkompliziert und umweltschädlicher. Zum Vergleich: Die klassische Kaffeepackung, die ein Pfund Kaffee umhüllt, wiegt gerade einmal 15 Gramm.

Für Industrie und Marken ist das Abkapseln ein gutes Geschäft: Ein Zehnerpack Kaffeekapseln der Hausmarke „Prodomo“ kostet 2,99 Euro, darin enthalten sind knapp 56 Gramm Kaffee. Rechnet man dies auf 500 Gramm hoch, kommt man auf 26,70 Euro – mehr als dreimal so teuer wie der Kaffee aus der Tüte.

Dennoch liegt Kapselkaffee seit Jahren im Trend. 15 Prozent des deutschen Kaffee-Gesamtumsatzes stammten 2016 allein aus dem Kapselgeschäft. Jedes Jahr drücken die Deutschen 3,5 Milliarden Patronen – fast zehn Millionen pro Tag also – in ihre Maschinen, 2016 waren es noch 3,1 Milliarden. Damit verursachen sie jährlich rund 14.000 Tonnen Abfall aus Kunststoff, Aluminium und Papier (aus der Umverpackung).

Der Münchner Kaffeeröster wirbt derweil fröhlich damit, dass die Kapseln immerhin ohne Extra-Beutel auskommen: „Dallmayr verwendet für Capsa eine Kombination aus einem speziellen, mehrlagigen High-Tech-Kunststoff für die Außenwand und Aluminium für Deckel und Boden. Beide Materialien halten Licht und den Luftsauerstoff, der die Frische des Kaffees beeinträchtigen würde, draußen und schützen so die wertvollen Kaffeearomen.“ Dieser vermeintlich revolutionäre Materialmix lässt sich allerdings kaum recyceln, denn dafür müssen Kunststoffe am besten sortenrein in die Anlage. Gerade die Schichten aus „High-Tech-Kunststoffen“ und die Kombination mit Aluminium machen eine Verwertung schwierig. Die Folge: Der Müll wird oft verbrannt, selbst wenn er richtig entsorgt wird.

Überhaupt das Aluminium: Das lässt sich zwar im Prinzip gut recyceln. Doch dazu müssten die Kapseln überhaupt erst in den Gelben Sack oder die Wertstofftonne gelangen. In der Realität enden sie jedoch häufig im Restmüll. Ein großer Teil der Kapseln wird daher zwangsläufig aus Neumaterial hergestellt. Aluminium stammt häufig aus Bauxitminen und Werken, für die zum Beispiel reichlich brasilianischer Regenwald abgeholzt wird. Die Verhüttung des Bauxits ist energieintensiv und belastet die Umwelt. Da die Kapselkultur im Grunde niemand braucht, helfen auch Recyclingquoten wenig: Allein in Deutschland fallen dadurch Tausende Tonnen Alumüll an.

Andere Hersteller setzen entweder ganz auf Plastik oder auf biologisch abbaubaren Kunststoff. Bei ersterem ist fraglich, wie hoch die Recyclingquote tatsächlich ist, bei zweiterem dauert die Zersetzung viel zu lange für moderne Kompostieranlagen, sodass sie die Kapseln dann doch lieber in die Verbrennung geben. Die Deutsche Umwelthilfe gibt sich deshalb auch mit Kapseln aus Zellulose oder Maisstärke nicht zufrieden: Schließlich wandern auch die nach einmaliger Nutzung in den Müll. Nachhaltig geht anders.

Es gibt aber gute Nachrichten: Wer wieder auf herkömmlichen Kaffee umsteigen möchte, muss dazu nicht einmal seine Nespresso-Maschine entsorgen. Denn für die gibt es wiederverwendbare Kapseln aus robustem Edelstahl, die man einfach aufschrauben und neu befüllen kann. Und warum nicht die Tradition aufleben lassen, die ja auch das im Jahr 1700 gegründete Kaffeehaus Dallmayr gerne hochhält? Der Duft frisch gemahlener Bohnen, das Ritual des Aufbrühens mit Filter oder French Press – sinnlicher als hermetisch verschlossene Kapseln ist das allemal.

In jedem Greenpeace Magazin zeigen wir auf der letzten Seite eine Fake-Werbeanzeige. Diese hier finden Sie in der Ausgabe 4.20 „Zukunft Wirtschaft“. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

Mehr zum Thema