Bei Ikea duzt man sich wie in Schweden, Stuhl Ingolf für 49,99 Euro sieht aus wie im Ferienhäuschen an der Schärenküste und grünumrandete Poster verkünden im Laden: „Besser für Mensch und Umwelt – Holz verantwortungsvoll nutzen.“ Da kann man guten Gewissens zugreifen und sich zu Hause entspannt zurücklehnen. Oder?
Leider nein. Greenpeace-Recherchen haben eine dunkle Seite der heilen Ikea-Welt enthüllt: In den rumänischen Karpaten, einer der ökologisch wertvollsten Waldregionen Europas, werden für billige Möbel in großem Stil Bäume gerodet. Aktivistinnen und Aktivisten der Umweltorganisation haben in 13 Ländern Zahlen und Fakten zusammengetragen, die zu den Nachhaltigkeitsansprüchen des Konzerns ebenso wenig passen wie zu seinem gepflegten Unschuldsimage. Mit der Zeile „Åbgehölzt“ hat das Greenpeace Magazin deshalb in seiner satirischen Serie „Keine Anzeige“ eine abgewandelte Ingolf-Werbung überschrieben.
Hintergrund der Greenpeace-Anschuldigungen ist der immense Holzverbrauch des „Fast Furniture“-Riesen – nach Schätzungen fällt für Ikea-Möbel alle zwei Sekunden ein Baum. Rumänien beherbergt einige der größten verbliebenen Urwälder Europas und andere alte Wälder mit teils jahrhundertealten Bäumen, die allerdings zu großen Teilen nicht oder nur unzureichend geschützt sind. Die Rodungen sind also nach geltendem Recht legal, haben aber mit „Nachhaltigkeit“, mit der Ikea sich brüstet, nichts zu tun. Dass das beanstandete Holz großenteils das Siegel des Forest Stewardship Council (FSC) trägt, macht die Sache kaum besser. Mehrere Umweltorganisationen kritisieren das Zertifikat, das eigentlich nachhaltige Forstwirtschaft garantieren soll, wegen zu lascher Kriterien.
Da Ikea nicht alle Möbel selbst produziert, sondern teils von externen Herstellern bezieht, sei die Nachverfolgung der Lieferketten nicht einfach gewesen, räumt Greenpeace ein. Die Recherchen hätten aber ergeben, dass von den 15 größten Möbelherstellern in Rumänien sieben für Ikea produzieren, ihr Umsatz habe im Jahr 2022 bei umgerechnet 480 Millionen Euro gelegen, heißt es im Greenpeace-Report Nature Crime Files Romania. Der Hersteller Plimob produziere nahezu ausschließlich für Ikea. Das Holz werde für mindestens dreißig Ikea-Produkte verwendet, zum Beispiel für „Sniglar“-Kinderbetten, für den Tritthocker „Bekväm“, für „Kivik“-Sofas, „Proppmätt“-Schneidebretter oder „Bumerang“-Kleiderbügel. Angesichts des hohen Anteils von Holz aus alten Wäldern in der Ikea-Lieferkette sei es „extrem wahrscheinlich“, dass solches Holz in den genannten Produkten lande. Der Ikea-Konzern habe die Ergebnisse nicht abgestritten.
So sauber und verantwortungsvoll, wie der Möbelkonzern sich in der Werbung darstellt, ist er demnach nicht – für viele Kundinnen und Kunden dürfte das eine bittere Erkenntnis sein. Urwälder und andere alte Wälder sind in Europa rar geworden, in Deutschland etwa gibt es nur kleine Reste davon. Die Wälder in den rumänischen Karpaten hingegen sind Schatzkammern der Artenvielfalt – stehen aber nur zu 2,4 Prozent unter strengem Schutz. „Es wird geschätzt, dass Rumänien in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als fünfzig Prozent seiner intakten Urwälder durch Rodungen verloren hat“, heißt es im dem Greenpeace-Report.
Die Umweltorganisation sammelt Unterschriften für einen offenen Brief an Ikea, in dem sie den Möbelriesen auffordert, die „letzten Urwälder Europas endlich zu schützen“.
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