Liebe Leserinnen und Leser,

mit der Berufung von Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan als Klima-Sonderbeauftragte sei Annalena Baerbock ein Coup gelungen, befanden diverse Medien, als die neueste Personalie des Auswärtigen Amts am Mittwoch bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben wurde. Von FAZ bis taz, von RTL bis Tagesschau war man sich einig: Die Frau bringt Sachverstand und Erfahrung mit und ist international bestens vernetzt, was bei einer globalen Bedrohung wie der Klimakrise von größtem Vorteil ist. „Eine Traumbesetzung“ sei das, so Baerbock.

Die US-Amerikanerin Morgan lebt schon lange in Deutschland, sie kennt die Klimabeauftragen der USA und Chinas, John Kerry und Xie Zhenhua, und gehörte bereits 2007 während der deutschen EU-Präsidentschaft einem Beratergremium der Bundesregierung an, die damals von einer gewissen Angela Merkel geführt wurde. Für den neuen Job muss man ihr Glück und ein gutes Händchen wünschen, in unser aller Interesse.

So weit, so gut, doch kaum war die Nachricht offiziell bestätigt, da konnte man sich kurz zurücklehnen und zählen, einundzwanzig, zweiundzwanzig, da hagelte es schon Kritik, vor allem seitens CDU und CSU. Die alten Beißreflexe funktionieren also noch. Eine Klima-Lobbyistin und -Aktivistin in den heiligen Hallen des Außenministeriums, welch ein Sakrileg!

„Es ist bemerkenswert, dass gerade eine grüne Bundesministerin die Grenzen zwischen Staatlichkeit und Lobbyismus so leichtfertig überspringt“, sagte beispielsweise der außenpolitische Sprecher der CDU Jürgen Hardt der ARD. Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte gegenüber der Zeitung Münchner Merkur: „Dass jetzt internationale Lobbyisten, egal in welcher Sache, die Führung von Bundesministerien übernehmen sollen, finde ich selbst für diese Bundesregierung überraschend.“ Dass sein Parteifreund, Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer, in seiner Amtszeit 80 Treffen mit der Automobilindustrie, aber nur ein einziges mit einem Umweltverband hatte, hält Dobrindt hingegen sicher für normal.

Wie konnte, sozusagen über Nacht, ausgerechnet bei den C-Parteien der Lobbyismus derart in Verschiss geraten? Sie waren es, die sich so lange gegen ein Lobbyregister wehrten, bis es gar nicht mehr ging. Mit Gründen, denn Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU stellten durchgängig keinen übertriebenen Hang zur Transparenz in Sachen Lobbyismus zur Schau.

Während man so vor sich hin sinniert, fällt einem ein, dass es eine Zeitlang gängige Praxis war, dass Privatfirmen großzügig Personal an Ministerien (nicht nur CDU-geführte) „ausliehen“, das sodann eifrig an Gesetzentwürfen werkelte, wie das Politmagazin „Monitor“ 2006 aufdeckte. Philipp Amthor, Karl Theodor zu Guttenberg, Eckart von Klaeden, Gisela Manderla oder die Aserbeidschan- Connection – in den dunkleren Ecken des Lobbyismus, der ja als solcher gar nicht verwerflich ist, sofern gelegentlich ein Lichtstrahl auf ihn fällt, herrscht ziemliches Gedränge. Nun wollen wir hier zwar nicht bis Ostern sitzen, aber zwei weitere Beispiele aus jüngerer Zeit müssen noch sein:

Da wäre die Sache mit dem Wirtschaftsrat der CDU, der, so ein Gutachten im Auftrag der Organisation Lobbycontrol, ein „als Berufsverband organisierter Lobbyverband“ ist und dessen Präsidentin Astrid Hamker das Privileg genießt, als „ständiger Gast“ an den Sitzungen des CDU-Bundesvorstands teilzunehmen. Das verstoße, so das Fazit der Studie, sowohl gegen das Parteiengesetz als auch gegen die Satzung der CDU. Der Wirtschaftsrat ist nach Ansicht von Lobbycontrol übrigens ein „einflussreicher Klimaschutz-Bremser“.

Und schließlich ist gerade erst mit Friedrich Merz ein Mann CDU-Vorsitzender geworden, der zunächst Politiker war, sodann bis 2020 als Cheflobbyist für den berüchtigten Blackrock-Konzern wirkte und nun in die Politik zurückgekehrt ist. Noch während seiner Tätigkeit für Blackrock beriet Merz übrigens die nordrhein-westfälische Landesregierung.

Liebe CDU/CSU: Wie war das doch gleich mit dem Glashaus und den Steinen?

Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin