Liebe Leserinnen und Leser,

In den kommenden Tagen geht die neue Ausgabe des Greenpeace Magazins in den Druck. Es rückt die Menschen in den Mittelpunkt, die unsere Zukunft bedeuten: die Kinder.

Ich durfte für dieses Heft noch einmal in die Schule gehen – und mit einem Schulleiter aus Karlsruhe sprechen, der das Leben als Fach auf den Lehrplan gesetzt hat. Zwei Stunden pro Woche dreht sich darin alles um Mut, Selbstständigkeit, Engagement und Verantwortung. In der siebten Klasse etwa werden die Kinder zu ehrenamtlichen Jobs im Viertel entsandt, ins Seniorenheim etwa, in den Kindergarten oder zum Gnadenhof für Tiere. „Sie sind dort wie die Sahne auf dem Kuchen“, sagte er dazu, „eine Bereicherung“.

Mich hat das sehr berührt, heißt es doch viel zu oft genau umgekehrt: Kinder, seid still und hört den Erwachsenen gut zu, hier gibt’s was zu lernen.

Welch Bereicherung Kinder und Jugendliche auch für die große politische Bühne sind, zeigen wieder einmal die Proteste von Fridays for Future bei der Weltklimakonferenz in Glasgow. Während die Abgesandten der Regierungen über Paragrafen verhandeln, erinnern die jungen Menschen auf der Straße an das, was auf dem Spiel steht: die Zukunft unseres Planeten.

Was man von ihnen lernen kann? Sie sind hartnäckig und unbeirrbar. Ob man das auch von den Regierungsdelegierten im Konferenzgebäude sagen kann? Hartnäckig zumindest dürften auch die Abgesandten der Lobbyverbände sein – und zahlreich: Ein Verbund von mehreren Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter Global Witness, hat sich die öffentliche Liste der Teilnehmenden angeschaut und festgestellt, dass sich mehr als 500 Lobbyistinnen und Lobbyisten der fossilen Industrie auf der Konferenz tummeln. Würden sie einem Land zugehören, es wäre die größte Delegation. Da sie zur Zivilgesellschaft gezählt werden, erhalten sie leicht Zugang – vertreten aber vor allem die Interessen von Wirtschaftsverbänden. Fairerweise muss man sagen, dass insgesamt 40.000 Menschen an der COP26 teilnehmen, wovon rund 11.000 Vertreterinnen und Vertreter von NGOs dabei sind, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen.

Doch nützt diese Fülle an NGOs am Ende nichts, wenn diese bei den so wichtigen, aber im halboffiziellen Rahmen stattfindenden Treffen nicht dabei sind. So sind es die abendlichen Soirees der Lobbyverbände, auf denen Delegierte bei Schampus und Häppchen den Verhandlungstag ausklingen lassen – und ganz nebenbei ins Gespräch mit dem netten Herrn von der Erdölindustrie kommen, der sich an den Stehtisch gesellt hat. Ein Gespräch auf Augenhöhe – während draußen auf dem Vorplatz die Demonstrierenden bei Wind und Wetter ihre Parolen rufen.

Welchen Einfluss Lobbyisten auf Klimakonferenzen entfalten können, hat vor ein paar Jahren David Hone, Klimawandelberater von Shell, ausgeplaudert. „Wir haben uns vier Jahre lang dafür eingesetzt, dass ein Emissionshandel Teil des Paris-Abkommens sein muss“, sagte Hone. Und so kam es dann auch: „Wir können es uns also zum guten Teil zurechnen, dass es Artikel 6 überhaupt gibt.“

Besagter Artikel 6 des Paris-Abkommens soll regeln, wie Emissionsminderungen zwischen Staaten übertragen werden können und diese auf nationale Klimaschutzziele anrechenbar sind. Dieser Handel steckt hinter dem Konzept der „Klimaneutralität“ – also die Möglichkeit, den CO2-Ausstoß des einen Landes durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten in einem anderen Land auszugleichen, um damit auf „netto null“ zu kommen.

Um den Artikel wird seit Jahren heftig gestritten, weil er Schlupflöcher zulasten des Klimaschutzes öffnen kann. Sollten etwa Länder wie Brasilien ihre Auffassung von Artikel 6 durchsetzen, sind bald sogenannte Doppelzählungen erlaubt. Das heißt, CO2-Einsparungen könnten dann zweimal verbucht werden – im eigenen Land und in dem Land, das die Minderung, etwa durch ein Aufforstungsprojekt, finanziert hat. Die ganze Idee des Emissionshandels wäre damit ad absurdum geführt.

Auch wegen des Artikel 6 wird die Klimakonferenz, deren Beschlüsse derzeit eine Erderhitzung um 2,4 Grad bedeuten würden, wahrscheinlich in die Verlängerung gehen. Pünktlich hingegen, am 3. Dezember, erscheint unser Heft zum Thema Kinder, die leider keine so große Lobby haben – vielleicht ja die passende Lektüre für all jene, die heute über die Zukunft junger Menschen entscheiden.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für das Wochenende. Bleiben Sie gesund!

Unterschrift

Frauke Ladleif
Redakteurin

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