Während der abschließenden Arbeiten an diesem Heft wütet der Krieg in der Ukraine seit mehr als einem Monat. Millionenfaches Leid, Schäden in Milliardenhöhe und die offenbare Zerstörung einer Weltordnung, die auf festen Regeln basieren sollte statt auf dem Recht des Stärkeren, sind die unmittelbaren Folgen. Aber eben auch Hilfsbereitschaft und Solidarität, wie die Welt sie lange nicht erlebt hat. Niemand weiß in diesen Tagen, wie es weitergehen wird, an scheinbar einfachen Vorschlägen mangelt es nicht: Mehr „Stärke“, mehr „Verantwortung“ und noch viel mehr Militär. Doch stimmt die Erzählung von der „Schwäche“, die Gewalt erst möglich macht? Oder zeigt sich gerade das wahre Gesicht einer militärisch-industriell geprägten Denkweise, die längst die ganze Welt in einen Vernichtungskampf gegen die Natur und unsere Lebensgrundlagen hineingezogen hat? Die Wege zum äußeren und inneren Frieden lagen vermutlich selten so verborgen wie heute. Aber das heißt nicht, dass man nicht trotzdem auf die Suche gehen soll.

Die Bilder und Berichte sind kaum zu ertragen. Die Barbarei der russischen Angriffe, die weder Neugeborene noch Holocaust-Überlebende verschonen, die Bomben auf Wehrlose in ihren Schutzräumen, auf Wasser- und Lebensmittelvorräte, ja sogar auf Hilfskonvois und Fluchtfahrzeuge, lösen Wut und Mitgefühl aus, Ohnmacht, Ratlosigkeit und Angst. Wie kann das sein, im 21. Jahrhundert? Kaum ein deutscher Leitartikel, kaum eine Talkshow verzichtete in den ersten Tagen des Überfalls auf diese Frage, die ungewollt weltfremd klingt – angesichts der vielen Toten, die in Kriegen wie im Jemen, in Somalia oder in Syrien tagtäglich beweint werden. Falls nach all den Kriegsjahren dort noch jemand Tränen hat zu trauern.

Und während der Großteil der Menschen noch mit widerstreitenden Gefühlen kämpfte, half, wo es ging, und versuchte einzuordnen, was sich kaum ordnen lässt, hatten andere längst ihre Antworten parat. Auf allen Kanälen verkündeten sie ihre Erzählung zum Krieg, seinen Ursachen und den nötigen Konsequenzen. Verkürzt – aber nicht vereinfacht – geht diese Erzählung so: Naive Bundeskanzlerin (aus dem Osten, spricht Russisch, auch das noch) wird samt der moskautreuen SPD und anderen pazifistischen Gutmenschen von hochgerüstetem Diktator jahrelang vorgeführt, verschwendet die Zeit mit „Diplomatie“ und lässt darüber die einst stolze Bundeswehr zu einer „kaputtgesparten“ Lachtruppe verkommen, die nicht mal mehr Geld für warme Unterwäsche hat. Ex-Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio polemisierte in der FAZ gegen das „moralisch so selbstgewisse Deutschland“ mit seiner „naiven, geradezu unpolitisch anmutenden Sicht auf die Welt“. Militärfachmann Carlo Masala bekräftigte in der „Zeit“ den angeblich überfälligen Abschied vom „Traumbild der liberalen Weltordnung“. Und der Journalist Thomas Schmid forderte in der „Welt“ sogar eine „Entschuldigung“ beim ukrainischen Volk. Von der Friedensbewegung.

Es mag absurd erscheinen, unter dem unmittelbaren Eindruck von Terrorkrieg und nuklearer Bedrohung überhaupt an Frieden zu denken. Und doch gilt es, in diesem Krieg nicht schon wieder den Keim für den nächsten zu legen, seine tieferen Ursachen zu ergründen und jene Erzählungen zu hinterfragen, die gleich die ganze Idee einer globalen Friedensordnung über Bord werfen wollen. Denn dass Krieg wirklich als Teil der unveränderlichen menschlichen Natur gelten soll, muss man ja nicht so stehen lassen.

Es ist ganz offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung der Sicherheit unseres Landes darstellt. Viele von uns haben in der Ukraine Verwandte, Freunde und. Kollegen im Bereich der Wissenschaft. Unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben gemeinsam gegen den Nationalsozialismus gekämpft. Die Entfesselung eines Krieges wegen der geopolitischen Ambitionen der Führung der Russländischen Föderation, die sich leiten lässt von zweifelhaften historiosophischen Fantasien, ist ein zynischer Verrat ihres Andenkens. Mit der Entfesselung des Krieges hat sich Russland zu internationaler Isolierung verurteilt. Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt ins Nichts.
Aus dem offenen Brief russischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftsjournalisten, der am Tag des Überfalls auf die Ukraine veröffentlicht wurde. Binnen 24 Stunden hatten mehr als 380 Menschen unterschrieben.

Nicht dafür geschaffen

Aus grauer Vorzeit sind keine Funde bekannt, die auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen unseren Vorfahren schließen lassen, sagt die Archäologie. Aus der Zeit bis etwa zehntausend Jahre  vor Christi Geburt fanden sich statt Kriegswaffen eher Jagdwerkzeuge, Schmuck oder hübsch geschnitzte Tierfiguren. Viel spricht dafür, dass die ersten Kriege mit der Entstehung von Landaneignung und Herrschaft zusammenfallen und das „Maximum an Barbarei“, wie der griechische Dichter Homer es nannte, eher eine Idee der Eliten war, die Besitztümer für sich reklamierten, als die des einfachen Volkes. Unter den vielen Friedensschriften des kriegsgeplagten Spätmittelalters ragt das 1517 verfasste Traktat „Die Klage des Friedens“ des Erasmus von Rotterdam heraus. „Es ist jetzt schon so weit gekommen, dass man den Krieg allgemein für eine annehmbare Sache hält und sich wundert, dass es Menschen gibt, denen er nicht gefällt“, schreibt der niederländische Humanist. Und auch seine These, dass der Krieg „aus dem Krieg erzeugt“ werde, passt in unsere Gegenwart – mit einer bedrückenden Prognose: „Aus einem Scheinkrieg entsteht ein offener, aus einem winzigen der gewaltigste.“ Dabei sei der Mensch gar nicht dafür gemacht: „Merkt man denn nicht sofort, dass die Natur, oder vielmehr Gott, ein solches Wesen nicht für Krieg, sondern für Freundschaft, nicht zum Verderben, sondern zum Heil, nicht für Gewalttaten, sondern für Wohltätigkeit erschaffen habe?“

Hatte Erasmus sich noch auf die individuelle moralische Verantwortung von Königen, Fürsten und anderen mächtigen Kriegstreibern konzentriert, erdachte der deutsche Philosoph Immanuel Kant knapp drei Jahrhunderte später in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, ein „philosophisches Projekt“, das sich mit den Strukturen befasste, die hinter Kriegen stecken. In seiner 1795 erschienenen Schrift „Zum ewigen Frieden“ fragt er, wie der Mensch das Reich dieses ewigen Friedens nicht erst im Himmel, sondern bereits auf Erden erleben kann. Gestützt auf damals revolutionäre Ideen wie die Gleichheit vor dem Gesetz, ein Völkerrecht oder ein Weltbürgerrecht, das alle Menschen schützt, egal, wo sie sich gerade aufhalten mögen und woher sie stammen, entwarf er eine neue Ordnung der Welt. Sie war eine wichtige Inspiration für den Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg die Welt befrieden sollte, und steckt auch in den Gründungsdokumenten der Vereinten Nationen nach der Menschheitskatastrophe des Zweiten.

Der Dschungel-Ansatz, der sagt, Krieg liege nun mal in unserer Natur, ist nicht nur unzutreffend, er entlässt die Menschen auch aus der Verantwortung für ihre Entscheidungen. Wenn der Krieg eine menschliche Konstante ist, dann ist auch dieser Krieg nicht Putins Schuld. Aber gerade im Fall der Ukraine ist es klar, dass es der Krieg eines einzelnen Individuums ist.
Yuval Noah Harari, israelischer Historiker

Der Schutz durch das Recht, der Frieden aus reiner Vernunft – konsequenterweise müssten in Kants „Weltrepublik“ sämtliche „stehenden Heere“ verschwinden, weil sie andere Staaten durch ihre Bereitschaft, ständig für den Krieg gerüstet zu sein, unaufhörlich mit Krieg bedrohen. Überdies stelle das Soldatentum „einen Gebrauch von Menschen als bloße Maschinen und Werkzeuge“ zum Töten dar, eine Entwürdigung der menschlichen Natur. All jenen, die Kants Ideen heute „naiv“ nennen würden, hätte der freundliche Professor vermutlich verständnislos gegenüber gestanden. Sich einander friedlich zu nähern, war in Kants Sinne gerade das Gegenteil von Naivität, sondern Ausdruck nüchterner Kalkulation. Ein Krieg produziere nur Verlierer und den Folgekrieg gleich mit. Nicht die „zu wenigen“ Waffen des Westens wären das Problem, hätte Kant womöglich entgegnet, sondern dass Putins Russland zu viele hat. Mit zwei Billionen US-Dollar wurde 2020 weltweit so viel für das Militär ausgegeben wie nie zuvor – das militärisch „blanke“ Deutschland steht in dieser Liste übrigens auf Platz sieben. Die Zahl der Kriege stieg seit dem Jahr 2008 von neun auf 21, die der „gewaltsamen Krisen“ von 102 auf 180. Offenbar sind Aufrüstung und Sicherheit doch keine friedlichen Geschwister, sonst sähe die Statistik anders aus.

Zur Erzählung dieses Krieges gehört daher auch die Frage, wem Russland eigentlich seine Militärmacht verdankt. Wenn man die wütenden Kommentatoren hört, die Putins Krieg direkt aus den vermeintlichen friedensdiplomatischen Verirrungen deutscher Regierungen ableiten, könnte man meinen, Angela Merkel sei all die Jahre bei ihren Staatsbesuchen im Kreml mit lammfrommen Friedensaktivistinnen im Gefolge aufgelaufen und eben nicht mit dem Who’s Who der deutschen Wirtschaft, das nur allzu gern viel Geld in die russische Militärkasse einzahlte, um dafür Kohle, Öl und Gas zu beziehen. Im Gegenzug gab es, Sanktionen hin oder her, auch schon mal deutsche Rüstungsgüter oder Gasturbinen für die frisch besetzte Krim. Obwohl Merkel bei diesen Gelegenheiten gern theoretisch über liberale Werte sprach, die ihre Gastgeber regelmäßig mit Füßen traten, sei es in der Praxis vor allem um gute Konditionen für die deutsche Wirtschaft gegangen, analysiert die US-Historikerin Anne Applebaum. Dass Merkels „Economy-first-Attitüde“ die falschen Abhängigkeiten zementierte und letztlich so auch alle offiziellen Friedensbemühungen und Sanktionen unterminierte, bemerkten schon damals vor allem die angeblich so naiven Friedensfreunde. Als wenige Monate nach dem russischen Einmarsch in die Krim der wichtigste deutschen Gasspeicher von einer BASF-Tochter im Rahmen eines Milliardendeals ausgerechnet an Gazprom verkauft wurde, warnte beispielsweise der grüne Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer 2015 im Deutschlandfunk: „Ich will mir nicht ausmalen, wenn wir tatsächlich mal einen Krisenfall haben, wie dieser Speicher dann eingesetzt wird.“

Grüner Friede

Das Wort Greenpeace, das auch diesem Magazin seinen Namen gab, entstammt wie alle guten Ideen einer einfachen Eingebung. Wahren Frieden, „Peace“, kann es nur geben, wenn auch die Natur, das „Green“, in Frieden gelassen wird. Dagegen folgt die fossile Wirtschaft mit ihrer rücksichtslosen Ausbeutung von Boden- und Meeresschätzen, dem buchstäblichen Verbrennen der Überreste längst vergangenen Lebens, der Logik des Krieges. Die fortgesetzte Unterwerfung der Natur bei der Förderung von Kohle, Gas und Öl trotz des Wissens um die katastrophalen Folgen verbindet Brutalität, Technologie und Profit für wenige Auserwählte, sie ähnelt in ihrer Eroberungs- und Zerstörungswut der Kriegführung, nur eben gegen die Erde selbst. Beide Systeme der Weltvernichtung sind ineinander verwoben. Sechs der Länder mit den größten Rüstungsausgaben finden sich auch in den Top Ten der Staaten mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen wieder. Switlana Krakowska, eine ukrainische Wissenschaftlerin und Mitglied des Weltklimarats IPCC, erklärte in der New York Times, sie fange an, „über die Parallelen zwischen dem Klimawandel und diesem Krieg nachzudenken, und es ist klar, dass die Wurzeln dieser beiden Bedrohungen für die Menschheit in den fossilen Brennstoffen liegen“.

Kein Gas und kein Komfort der Welt ist es wert, dass wir jede Menschlichkeit von uns abstreifen wie ein unpassendes Kleidungsstück, dass wir andere opfern, um uns in Sicherheit zu wähnen.
Nino Haratischwili, georgisch-deutsche Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin

In seinem 1999 erschienen Buch über die „Solare Weltordnung“ beschreibt der viel zu früh verstorbene SPD-Politiker Hermann Scheer die Unvereinbarkeit des fossilen Wirtschaftsmodells mit einem dezentral organisierten, selbstverwalteten System, das uns der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien weltweit ermöglichen würde. „Die Unmöglichkeit, auf Sonne oder Wind ein Patent anzumelden und entsprechende Nutzerlizenzen zu verkaufen“, widerstrebe der innersten Natur des fossilen Kapitalismus, dessen Macht es zu brechen und durch das friedliche Zeitalter des Lichts abzulösen gelte. Was sich wie ein esoterischer Fiebertraum anhören mag, folgt einer kühlen Logik. Um Öl, Gas oder Kohle wurden und werden unzählige Kriege geführt, nicht zuletzt dank der Petroprofite. Die ökonomische Abhängigkeit von fossilen Diktaturen wie Russland, Saudi-Arabien oder Katar macht uns zu Komplizen ihrer Aggression. Dass irgendwann einmal Armeen aufmarschieren und sich wegen Wind oder Sonnenlicht bekriegen, wird dagegen wohl kaum passieren.

Kein Zustand, eine Aufgabe

Gerade jetzt, da sich das Zerstörerische des fossil-militaristischen Prinzips offenbart, darf die nächste Nachkriegsordnung nicht schon wieder dieser Logik folgen. Die realpolitische Idee vom Frieden, die gerade das politische Handeln bestimmt, geht von einem latenten Kriegszustand aus. Aufrüstung müsse mit Aufrüstung, Krieg mit Wehrhaftigkeit begegnet werden. Sicherheit basiere auf militärischer Macht. Ursula Schröder, Direktorin des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, setzt einen anderen Schwerpunkt: „Wir müssen lernen, in komplexen Krisenlandschaften zu leben, ohne die Komplexität dieser neuen Welt auf unzulässige Weise zu reduzieren. Hierfür müssen wir verstehen, dass diese Krisen vielfach und eng miteinander verbunden und letztendlich notwendig nur durch globale Kooperation zu bewältigen sind.“ Der Gegenentwurf zu einer neuen Rüstungsspirale – als vermeintlichem Sicherheitsgaranten zwischen den Staaten – entwickelt Frieden eher aus dem Sicherheitsgefühl des Einzelnen. Ernährungssicherheit, Gleichberechtigung, eine faire, lebenssichernd bezahlte Arbeit, Bildung, Zusammenhalt, Kultur, freie Meinungsäußerung, demokratische Teilhabe, Rechtssicherheit, auch individuelle, die Freiheit, so zu leben und zu lieben, wie man mag: In dieser Idee von Sicherheit fließen innerer und äußerer Friede zusammen. Dass die Werte der Demokratie nun mal „nicht verpflanzbar“ seien, wie der erklärte Anhänger der „Realpolitik“ Carlo Masala behauptet, klingt für einige vielleicht überzeugend – lässt man die Demokratiebewegungen etwa aus Myanmar, Weißrussland, Uganda, Hongkong oder Afghanistan außer Acht, die sich nichts sehnlicher wünschen als ebendiese Pflanze der Freiheit.

Niemand beherrscht einen Krieg. Es gibt nicht einen einzigen Wert in der Welt, sei er materiell oder ideell, der Krieg rechtfertigt. Sieger ist nicht, wer die Schlachten gewinnt. Sieger ist, wer einen Frieden herstellt.
Alexander kluge, Schriftsteller und Regisseur

Das aktuell Notwendige, um den Menschen in und aus der Ukraine zu helfen, darf den hoffnungsvollen Blick auf eine friedlichere Welt nicht verstellen. Der Frieden als „Ultima Ratio", wie Willy Brandt ihn in seiner Rede zur Verleihung des Nobelpreises nannte, ist kein Zustand, sondern eine Aufgabe. Gerade jetzt gilt es das kurzfristig Unvermeidliche mit einer mittel- und langfristigen Idee zu verbinden, in welcher Welt wir leben wollen. Oder, um es zuzuspitzen, in welcher Welt wir überleben können. In diesem Krieg überlagern sich die Übel dieser Zeit: ein militärisch-industrieller Komplex, untrennbar mit der politischen Macht verbunden, die gedanken- und rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die die Klimakrise befeuert, der Einsatz von Krieg, Hunger und Flucht als Waffe, die Anhäufung obszönen Reichtums, der sich als globale Macht längst über alle Regeln hinwegzusetzen weiß. Das Ganze verkleistert mit einer auf Lügen gegründeten Ideologie, die weltweit demokratische Diskurse vergiftet. Der Krieg liegt nicht in der „Natur“ des Menschen, aber sehr wohl in der Natur dieser räuberischen Haltung gegenüber Mensch und Erde, zementiert durch Geld und Militär.

Demgegenüber liegt die wahre Naivität, das wirkliche Versagen, nicht im Ringen um einen „ewigen Frieden“, sondern in der wehrlosen Hinnahme dieses „ewigen Kriegs“. 

Meine ersten Märchen waren russische Märchen. Alle meine Freunde aus der Kindheit sprachen russisch. Ich sehe Träume auf Russisch und Englisch, aber nie auf Ukrainisch. Und selbst jetzt, wo die Russen Bomben und Raketen auf meine Stadt abwerfen und Menschen töten, die größtenteils russisch sprechen, russisch denken und russisch träumen, denke ich nicht, dass die Russen schlechte Menschen sind.  Es geht hier um Würmer. Die Würmer, die sich seit langem in einem kahlen Kreml-Kopf vermehrt haben, haben sich daraus herausgewunden, haben sich in ganz Russland ausgebreitet und zig Millionen andere Menschen befallen. Deshalb habe ich Mitleid. Jeder verdient Liebe, auch Menschen mit Würmern in ihren Köpfen und Hirnen.
Sergej Gerasimow, ukrainischer Schriftsteller aus Charkiw, in seinem „Kriegstagebuch von der Front“, veröffentlicht am 23. März 2022 in der Neuen Zürcher Zeitung

Dieser Artikel ist als Extra zum Ukrainekrieg in der Ausgabe 3.22 „Ich bin raus!" des Greenpeace Magazins erschienen. Im Schwerpunkt dreht sich hier alles um Menschen, die das Gefühl antreibt, dass es mehr geben muss als Eigennutz und eine Wirtschaft, die auf Ausbeutung basiert. Um diese Menschen kennenzulernen, haben wir das ganze Land bereist und dabei viel Optimismus erlebt, der Sie hoffentlich genauso inspiriert wie uns. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel. Alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!