„Alle Feuer in New South Wales sind jetzt eingedämmt“, sagte ein Sprecher der Einsatzkräfte am 13. Februar 2020. „Das sind sehr gute Nachrichten!“ Unterstützt durch tagelangen Regen hatte die australische Feuerwehr sämtliche Buschfeuer im am schwersten betroffenen Bundesstaat New South Wales unter Kontrolle gebracht. Am 2. März war es dann offiziell: Nach 240 Tagen waren die Feuer in Australien gelöscht. Es war das Ende des weltweit zerstörerischsten Waldbrandes seit Beginn der Aufzeichnungen, wie es in einer aktuellen Studiensammlung der Zeitschrift „Nature Climate Change“ heißt.

Die Bilanz der Katastrophe: 21 Prozent des australischen gemäßigten Mischwaldes sind während der Brände, die im Juni 2019 begannen, vernichtet worden. Die Flammen zerstörten mehr als zwölf Millionen Hektar Land, das entspricht etwa einem Drittel der Fläche Deutschlands. So stark brannten die Feuer, dass sie alleine zwei Drittel des jährlichen australischen Ausstoßes an Klimagasen verantworten. Mindestens 33 Menschen starben in den Feuerwalzen, über 3000 Häuser wurden zerstört. Experten vor Ort schätzen die Zahl der getöteten Tiere auf bis zu einer Milliarde – ohne Berücksichtigung der Insekten. Und ihre Zahl wird erwartungsgemäß weiter steigen, da die überlebenden Tiere zum Teil nur schwer Futter, Wasser oder einen geschützten Ort zum Leben finden. Die Wälder sind durch die Feuer wie leergefegt.

Im Februar hatte der lang erwartete Regen dem Feuerinferno ein Ende gemacht. Aber er hat auch ein neues Problem gebracht: Die Verschmutzung der Gewässer mit Asche, Kohle und anderen Rückstände der Buschbrände. Kurz nachdem der Regen einsetzte, wurden auf einer Strecke von 70 Kilometern im Macleay River im Nordosten von South Wales tausende tote Fische ans Ufer gespült. „Wir haben noch nie ein solches Ausmaß an Fischsterben im Zusammenhang mit Bränden gesehen", sagte Luiz Silva, Süßwasserfisch-Expertin an der Charles-Sturt-Universität in Sydney, im Gespräch mit einem Reporter von Yale Enviroment. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katie Doyle dokumentierte sie die Fälle an 14 Orten im Südosten Australiens.

Für Mensch und Natur in Australien bedeutet das kurz gesagt: die Krise ist noch nicht vorbei. Weil die Wälder keinen Schutz bieten, wird die Asche und alles andere bei Regen fast ungehindert in die Bäche, Flüsse, Seen der betroffenen Gebiete geschwemmt. Und das hat Folgen für die Trinkwasservorräte, die Küstenökosysteme und die Flüsse des Kontinents.

Das Problem mit all der Asche ist: sie trägt auf einen Schlag sehr viele Nährstoffe in die Gewässer. Das kann den Sauerstoffgehalt negativ verändern. Entweder direkt, wie es im Macleay River der Fall gewesen zu sein scheint. Oder indirekt, indem die Nährstoffe das Blaualgenwachstum fördern und deren Blüte dem Wasser Sauerstoff entzieht. Experten warnen davor, dass der Sauerstoffentzug die Farbe, den Geruch und den Geschmack des Wassers beeinträchtigen werden. Bakterien wie die Cyanobakterien können außerdem Chemikalien produzieren, die dem Wasser einen erdigen oder muffigen Geschmack verleihen. Die Folge ist immer dieselbe: das Ökosystem Wasser verändert sich.

Im Sommer 2019 hatten Algenblüten, die durch landwirtschaftliche Abwässer verursacht wurden, in New South Wales bereits Millionen von Fischen, besonders den Australischen Goldbarschen und Dorschbarschen, das Leben gekostet. Aufgrund der Dürre galt das Auftauchen von Algenblüten auch in diesem Jahr als wahrscheinlich. Experten wie Ricky Spencer, Ökologe von der University of Western Sydney in New South Wales fürchten nun, dass sich durch die Buschbrände die Lage noch verschlimmert hat. „Diese Algenblüten könnten anhalten, bis entlang der Flusssysteme wieder Vegetation nachwächst oder heftige Regenfälle die Flüsse kräftig durchspülen“, sagt Spencer gegenüber National Geographic.

Die Asche der Brände kann aber auch nicht nur indirekt über die Algen, sondern auch direkt zu einem Problem für die Städte werden: Im Januar verbrannten in Südwales große Gebiete rund um den Brogo-Staudamm. In der zweiten Februarwoche stoppte starker Regen die Brände, enorme Mengen an Asche und Schutt wurden in das Stauwasser gespült. Die Trübungswerte des Staudamms stiegen auf das Hundertfache der kritischen Kontrollgrenze. Aus diesem Grund musste am 11. Februar 2020 die Gemeinde die Wasserversorgung von 4000 Haushalten stoppen. Das Militär installierte eine Wasseraufbereitungsanlage, zwei Wochen lang musste das Trinkwasser per Lkw unter hohen Kosten zu den Anwohnern transportiert werden. Und auch in Sydney wurde die Nutzung des Wassers von einem der Versorgungsdämme kurzfristig eingestellt, die Wasserwerke installierten Schlammvorhänge, um die Ausbreitung der Asche in die Reservoirs zu verhindern. Die Leitungswasserqualität von Sydney sei nie gefährdet gewesen, erklärte der Wasserversorger „Water New South Wales“, aber die Lage habe sich am äußersten Rand dessen bewegt, was sie erwartet hätten.

Also geht das Bangen für die Australier weiter. Während hunderte von Städten und Gemeinden noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind, ist nicht klar, ob die ökologischen Systeme sich erholen werden. „Ein großer Teil des australischen Buschlandes kann sich regenerieren“,  sagte Martin Zavan von Greenpeace Australien, „aber da die Intensität der Brände zunimmt, warnen Experten davor, dass viele Ökosysteme sich angesichts der immer längeren und umfassenderen Brandsaison nachhaltig verändern werden. Die jüngsten Brände wüteten in Gebieten, die seit vielen Jahren - manchmal seit Jahrtausenden - nicht mehr gebrannt haben“, so Zavan gegenüber dem Greenpeace Magazin.

Auch das Ausmaß der Schäden an den australischen Süßwasser-Ökosystemen und langfristig auch an den angrenzenden Meeren beschäftigt Experten: „Es ist beachtlich, wie lange die Folgen dieser Brände noch nachwirken“, sagt der Süßwasserökologe Ross Thompson von der Universität in Canberra gegenüber National Geographic. „Bis sich diese Systeme wieder erholt haben – insbesondere, was die Wasserversorgung angeht – wird mindestens ein Jahrzehnt vergehen.“ Andere Wissenschaftler sind weniger zuversichtlich: „Ich glaube, wir haben jetzt einen Wendepunkt erreicht", sagt Katie Doyle von der Charles-Sturt-Universität Sydney, im Gespräch mit Yale Environment. In den letzten Jahren würden in den Flusseinzugsgebieten so viele Bäume sterben und so viel Asche in die Gewässerökosysteme fließen, dass die früheren Regeln möglicherweise nicht mehr gelten. „Wir wissen nicht, ob sich ein Fluss nach so einem Brand wieder erholt“, sagt Doyle.

Für Umweltschützer wie Martin Zavan und seine Mitstreiter von Greenpeace Australia ist das kein Grund zum Aufgeben, sondern Antrieb zum Weitermachen: „Die Debatte darüber, was zu einer so katastrophalen Brandsaison beigetragen hat und wie die Reaktion darauf aussehen sollte, hat gerade erst begonnen“, sagt er. Es bestehe unter Wissenschaftlern kein Zweifel an der Verbindung zwischen dem Klimawandel und den Bränden, nun gehe es darum, umwelt- und wissenschaftsfeindliche Politiker und ihre Kollegen in der Lobby der fossilen Brennstoffe zur Verantwortung zu ziehen und ein Umlenken zu erkämpfen. „Wir haben während der Brände sehr enge Verbindungen zu den betroffenen Menschen auf dem Land geknüpft“, sagt Martin Zavan. Nun würden sich die Umweltaktivisten dafür einsetzen, dass deren begründete Anliegen nicht vergessen werden. Die Zahl der Menschen, die begreifen, dass es beim Klimawandel um Leben und Tod geht, steige mit jedem Tag, sagt Zavan. Das könnte die einzig gute Folge aus der Feuerkatastrophe sein.

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