Das Thema Tierversuche ist hochemotional – es lohnt sich darum, mit Fakten zu beginnen: Im Jahr 2017 wurden unter anderem 1.368.447 Mäuse, 255.449 Ratten, 92.661 Kaninchen und 3.472 Affen und Halbaffen zu wissenschaftlichen Tierversuchen herangezogen. Rund zwei Millionen Tiere waren es insgesamt. 50 Prozent der Tierversuche dienten der Grundlagenforschung, 27 Prozent der Herstellung oder Qualitätskontrolle von Medikamenten und 15 Prozent der Erforschung von Krankheiten.

Wie viele dieser Tierversuche waren nötig? Diese Frage wird zwischen Tierfreunden und Forschern seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Die einen halten das Recht der Tiere auf Unversehrtheit hoch, die anderen wollen mit ihren Untersuchungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen. Ende letzten Jahres erklärte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dazu: „Ich will, dass die Zahl der Tierversuche kontinuierlich gesenkt wird. Tiere sind Mitgeschöpfe. Sie verdienen unser Mitgefühl.“ Dort wo Experimente an Tieren unerlässlich seien, müsse weiter an Alternativen geforscht werden.

Um die Suche nach Ersatzmethoden voranzutreiben, hat das Bundesforschungsministerium bisher rund 560 Projekte mit insgesamt mehr als 180 Millionen Euro finanziert. Die Vorhaben fußen auf dem „3R-Konzept“: Replacement (Vermeidung), Reduction (Verringerung) und Refinement (Verfeinerung). Das Prinzip ist schnell erklärt: Tierversuche sollen durch alternative Methoden ersetzt werden. Wenn dies nicht möglich ist, soll die Zahl der eingesetzten Tiere auf ein Minimum beschränkt werden. Dabei soll ihr Leiden verringert und aus jedem einzelnen Tierversuch so viel Information wie möglich gewonnen werden.

Nach diesen Prinzipien arbeitet auch das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R). Es ist Teil des Bundesinstituts für Risikobewertung, das das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berät, und hat im Januar eine neue Datenbank für Forschungsvorhaben eröffnet, die Tierversuche beinhalten. Die für jedermann einsehbare Plattform www.animalstudyregistry.org soll dazu beitragen, dass Daten und Erkenntnisse aus Tierversuchen mit größtmöglichem Nutzen verwendet werden.

Denn oft werden in der Forschung nur diejenigen Ergebnisse veröffentlicht, die von den Forschern positiv bewertet werden, also ihre Hypothese bestätigen. Das kann Teile von Studien und sogar ganze Studien betreffen. Studien mit aufregenden Ergebnissen lassen sich besser veröffentlichen als solche, bei denen die Ausgangsfrage negativ beantwortet wird. Man spricht in Fachkreisen von einem „Publication Bias“, einer Verzerrung der Publikation. 

Das heißt: Versuche, deren Ergebnisse die Hypothese der Studie nicht stützen, werden seltener publiziert und verschwinden womöglich in der Schublade. In Bezug auf Studien mit Tierversuchen bedeutet das auch: Viele Tiere leiden umsonst. Denn die Ergebnisse werden später nicht einmal genutzt. 

Der Leiter des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren, Gilbert Schönfelder, sagt, dies stehe sowohl der Qualität der Forschung, als auch dem Tierwohl entgegen: „Ergebnisse aus Tierversuchen, die nicht publiziert werden, helfen dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn nicht. Wir Forschenden haben eine moralische Verantwortung den Versuchstieren gegenüber, dass Forschungsergebnisse bekannt werden.“ Indem man Studien vor ihrer Durchführung öffentlich registriere und das Versuchsdesign detailliert beschreibe, könne man verhindern, dass Negativresultate unveröffentlicht bleiben. Somit könne auch die Zahl der eingesetzten Versuchstiere langfristig reduziert werden, so Schönfelder. „Die Idee ist, das Tierwohl schon beim Studiendesign mitzudenken.“ Sie solle, hofft Schönfelder, eine Art Aushängeschild für wissenschaftliche Qualität werden.

Schon seit 2013 müssen genehmigte Tierversuche in Deutschland auf der Plattform www.animaltestinfo.de veröffentlicht werden. Sie enthält anonymisierte Zusammenfassungen von Tests, deren Durchführung von Universitäten, Unternehmen und Forschungsinstituten des Bundes beantragt wurden. Damit soll die deutsche Öffentlichkeit einen Überblick über die hierzulande zugelassenen Tierversuche bekommen. Die neue Datenbank www.animalstudyregister.org richtet sich sogar an Forscher weltweit.

Doch nicht alle sehen in ihr ein starkes Instrument zum Schutz von Versuchstieren: „Auch wenn wir die Einrichtung eines solchen Registers im Grundsatz begrüßen, ist die Wirksamkeit fraglich, da die Registrierung freiwillig ist“, erklärt Kristina Wagner, Leiterin des Referats für Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund. „Das Register ist nur dann wirkungsvoll, wenn die erfassten Daten repräsentativ sind. Daher würden wir uns eine verpflichtende Registrierung wünschen. Dies könnte zum Beispiel erreicht werden, wenn die Zuteilung von Fördermitteln mit einem verpflichtenden Eintrag in das Animal Study Registry verknüpft wäre.“ Bisher verknüpft nur das Bf3R seine Förderung mit einer Prä-Registrierung in der neuen Datenbank, das Bundesministeriums für Bildung und Forschung empfiehlt Antragstellern eine Eintragung nur.

Gaby Neumann vom Verein Ärzte gegen Tierversuche hält die neue Datenbank für einen positiven Schritt hin zu mehr Transparenz – allerdings sei die Umsetzung falsch gelaufen: „Aktuell findet man nur fünf Einträge, und das nachdem die Datenbank seit fast drei Monaten online ist. Schaut man sich diese Einträge genauer an, finden sich dort nicht einmal genaue Versuchsaufbauten oder Studienabläufe. Damit sind dort weniger Informationen enthalten, als in der bereits existierenden Datenbank.“ Der richtige Weg zur Reduzierung von Tierversuchen und zu höherer wissenschaftlicher Qualität wäre eine Pflicht zur Veröffentlichung auch von Negativstudien, meint Neumann. Auch wenn in der Fachwelt bereits über eine gesetzliche Verpflichtung nachgedacht wird, setzt das Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren bis auf weiteres auf Freiwilligkeit: „Wir stehen am Anfang eines Prozesses, bei dem wir zunächst auf die Eigenverantwortung der Forscher setzen wollen“, sagt Gilbert Schönfelder.

Ob das freiwillige Register sich durchsetzen wird, muss sich in den nächsten Monaten zeigen. Gilbert Schönfelder und seine Kollegen versuchen, die Idee derzeit auf Konferenzen, in Gesprächen mit Forschungsförderern und Fachverlagen zu verbreiten. Denn egal, wie man zu Tierversuchen steht: Dafür, dass die mit Tierleid entstandenen Forschungsergebnisse nicht genutzt werden, gibt es keine Entschuldigung.

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