Zur Grünen Woche in Berlin treffen Bio-Landwirte auf ihre konventionellen Kollegen. Sei es in den Messehallen selbst oder draußen bei Aktionen auf der Straße. Beide Gruppen haben verschiedene Ansichten, wie Deutschland in Zukunft mit Gemüse, Obst und Fleisch versorgt werden soll. Konventionelle Höfe setzen ihr Augenmerk auf die Versorgungssicherheit und eine günstige Produktion. Biobauern wollen ohne Pestizide arbeiten und verteidigen hohe Tierstandards. Können sie sich in ihren Zukunftsszenarien annähern?

2016 mussten Bauern 5000 Höfe aufgegeben

Bauer in Deutschland zu sein ist nicht einfach – egal, ob der Landwirt konventionell oder biologisch arbeitet. Allein im Jahr 2016 mussten 5000 Höfe ihre Tore schließen, so der aktuelle Bericht des „Bund Ökologische Landwirtschaft“. Mit dem Wegfall der Milchquote 2015 mussten viele ihre Milch immer günstiger verkaufen. Mindestens 35 Cent sollten sie pro Liter einnehmen, um die Herstellungskosten zu decken, doch in der Vergangenheit bekamen sie oft nur 25 Cent oder weniger pro Liter. Außerdem hat die langwierige Diskussion um das Pflanzengift Glyphosat viele Verbraucher verunsichert, da die Risiken des Unkrautvernichtungsmittels weiterhin unklar sind. Besonders für kleinere Betriebe wird es immer schwieriger, kostendeckend zu produzieren. Tierhalter pferchen ihre Schweine, Hühner und Kühe deshalb in immer größere Ställe, um billiger zu produzieren. Durchschnittlich halten deutsche Bauern 1.200 Schweine in ihren Ställen. Die Zahl der Schweinehalter hat sich seit 2010 fast halbiert. Wie gehen die Landwirte mit all diesen Herausforderungen um? Wie stellen Sie sich ihre Zukunft vor? Wir haben einen ökologischen und einen konventionellen Landwirt gefragt.

Für Felix Prinz zu Löwenstein, 63, Biobauer und Vorstandsvorsitzender des „Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft“ ist vor allem das derzeitige Agrarsystem schuld. Es sei nicht in der Lage zu verhindern, dass immer mehr Höfe aufgegeben werden müssen. Die Margen seien zu gering und die Preise auf dem Weltmarkt zu niedrig. Marcus Holtkötter, 40, konventioneller Bauer bei Steinfurt und einer der Leiter der Gegenbewegung „Wir machen Euch satt“ hält dagegen, dass das Sterben der Höfe mit der zu hohen administrativen Arbeit, vor der viele zurückschrecken würden, zusammenhängt. Früher sei es außerdem selbstverständlicher gewesen, dass Kinder den Hof ihrer Eltern übernehmen.

© privatDr. Felix Prinz zu Löwenstein erntet auf seinem biologischen Hof unter anderem Kräuter
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Dr. Felix Prinz zu Löwenstein erntet auf seinem biologischen Hof unter anderem Kräuter

Ähnlich wie die Bauern, stehen sich auch die politischen Lager scheinbar unvereinbar gegenüber, wenn es um das Thema Umweltschutz geht. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) setzte in der Vergangenheit besonders auf den weltweiten Verkauf deutscher Produkte, wo sie mit Billigpreisen konkurrieren mussten. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hingegen forderte einen grundlegenden Umbau der Agrarpolitik. Sie will zum Beispiel Subventionen stärker an Umweltaspekte koppeln. Am Dienstag dieser Woche haben sich Politik, Bauern und Verbände beim 2. BMUB-Agrarkongress Gedanken über eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft gemacht. Ziel des Kongresses war es, die Idee eines neuen Gesellschaftsvertrages für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland zu entwickeln. „Auch bei diesem zentralen umweltpolitischen Thema ist die Zeit reif für Versöhnung und Konsens“, sagte Hendricks. Viel zu lange schon spalte eine Agrarpolitik nach dem Motto „Wachse oder Weiche“ Landwirtschaft und Gesellschaft. Der konventionelle Landwirt Marcus Holtkötter hat zudem das Gefühl, dass ein Glaubenskrieg zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft stattfindet. Vor allem politisch und gesellschaftlich: „Der wird dann gefährlich, wenn ein reiner Wunschglauben mehr zählt als Fakten und Wissenschaft“, sagt er.

Die Diskussionslinie zieht sich nicht nur durch die Politik. Seit acht Jahren fahren alljährlich zur Grünen Woche Biobauern mit ihren Traktoren durch Berlin, begleitet von Bürgern und NGOs. Unter dem Motto „Wir haben es satt“ demonstrieren sie für eine nachhaltige, grüne Wende in der deutschen Landwirtschaft. Sie fordern, dass der „Exportwahnsinn der Landwirtschaft“ beendet wird. Jochen Fritz, Sprecher des Bündnisses, kritisiert außerdem die Entscheidung für Glyphosat auf EU-Ebene: „Minister Christian Schmidt hat mit diesem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk an Bayer-Monsanto einmal mehr bewiesen, dass er ein Handlanger der Industrie ist. So eine Fehlbesetzung darf es nicht wieder geben.“

Für Felix Prinz zu Löwenstein kann die Zukunft der Landwirtschaft nur ökologisch sein. Er selbst hat einen Hof erst sechs Jahre lang konventionell betrieben, bevor er 1992 auf eine biologische Anbauweise setzte. „Die Landwirtschaft, die heute der Normalfall ist und deshalb konventionell heißt, schädigt die Biodiversität und findet bei den Verbrauchern immer weniger Akzeptanz“, sagt er. 

Eine „ideologische Hemmschwelle“ verhindere, dass einige konventionelle Bauern auf Biolandwirtschaft umstellen.

Um die Bio-Branche auch in Zukunft zu unterstützen, fordert er von der Politik weiterhin verlässliche Prämien für Höfe, die auf eine nachhaltige Erzeugung umstellen. Außerdem sei es wichtig, dass stärker in die grüne Forschung investiert werde. Beim Wachstum der Bio-Branche ist Löwenstein realistisch. Im Vergleich zu 2015 ist die Bio-Fläche 2016 um sieben Prozent auf 8,9 Prozent der Gesamtanbaufläche gewachsen. 20 Prozent Ökolandbau bis Ende 2020 wäre ambitioniert – aber machbar. 

Bei vielen konventionellen Kollegen sieht Löwenstein jedoch eine „ideologische Hemmschwelle“, bei dem Gedanken daran, auf eine biologische Herstellungsweise umzustellen. „Viele Bauern rechnen gar nicht durch, was es ihnen bringen würde auf Ökolandbau umzustellen“, sagt er.

In seiner Zukunftsvision wünscht er sich eine „Landwirtschaft, die ohne Krücken“ auskommt. In der Pflanzen nicht gespritzt werden müssen und Tiere nicht mit Medikamenten vollgepumpt werden. Robustere Pflanzensorten und Tierrassen müssten her. Dass weniger produziert werden würde, ist für Löwenstein kein Problem. Der Markt würde die Nachfrage regeln. „Wenn Fleisch teurer wäre, würden die Leute weniger davon essen“, sagt er. Auch Hubert Weiger, Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sagte bei der Vorstellung des „Fleischatlas 2018“ letzte Woche in Berlin: „Weniger und dafür besser ist die Losung“. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt derzeit bei etwa 59 Kilogramm Fleisch.

Samentüten und Blühstreifen für mehr Artenvielfalt

Konventionelle Landwirte und Gegendemonstranten haben im letzten Jahr mit der Demonstration „Wir machen euch satt“ auf die Frage der Versorgungssicherheit hingewiesen. In diesem Jahr planen sie deutschlandweit Aktionen, um die Artenvielfalt zu schützen. Unter dem Titel „Deutschland blüht auf“ verschenken sie zum Beispiel Samentüten und Bauern sähen neue Blühstreifen an ihren Äckern.

Marcus Holtkötter, der konventionelle Bauer, ist sich sicher, dass es auch in Zukunft einen Markt für herkömmlich hergestelltes Fleisch und Gemüse geben wird. „Viele Leute sagen, sie seien bereit mehr Geld für Bio-Lebensmittel auszugeben“, sagt er, „doch an der Kasse sieht das bislang nicht so aus.“

Technologische Fortschritte als Chance für Biobauern und konventionelle Landwirte

Holtkötter geht außerdem davon aus, dass sich die konventionelle und biologische Landwirtschaft immer weiter angleichen werden. Große Chancen sieht er im technologischen Fortschritt. „Wenn Bauern in Zukunft Maschinen einsetzen können, die gezielt Unkraut vernichten, bräuchten wir weniger zu Pflanzenschutzmittel greifen und hätten gleichzeitig keine Einbußen bei der Produktion“, sagt er.

Bei der Grünen Woche in den Berliner Messehallen sind die Bio-Landwirte entsprechend der Agrarflächenverteilung eindeutig in der Unterzahl – sie sind alle in einem kleinen Bereich in Halle 1.2 zu finden. Außerhalb des Gebäudes hingegen wird die Demo „Wir haben es satt“ umso lauter sein.