In unserer Serie „Klimagespräche“ halten wir Sie auf dem Laufenden, was auf der 24. UN-Klimakonferenz passiert, die vom 3. bis 14. Dezember im polnischen Katowice stattfindet. Ziel des Klimagipfels ist es zu entscheiden, wie die Verpflichtungen umgesetzt werden sollen, auf die sich die Staatengemeinschaft 2015 in Paris geeinigt hatte – also die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad, möglichst aber bei 1,5 Grad zu halten. Das Pariser Protokoll soll ab 2021 das Kyoto-Protokoll ablösen.

Fossilien sind etwas Schönes, in Stein verewigt erinnern sie an längst vergangene Lebensformen aus einer Zeit, lange bevor es Menschen gab. Wenn nun aber Deutschland auf der Klimakonferenz im polnischen Katowice die Auszeichnung „Fossil des Tages“ erhält, so ist daran nichts Schönes zu finden. Es ist ein Negativpreis, den die deutsche Delegation am vergangenen Freitag vom Climate Action Network (CAN) verliehen bekommen hat, und das – man kann das so klar sagen: verdient.

Denn Deutschland hat sein Klimaziel für 2020 offiziell aufgegeben. Statt den CO2-Ausstoß bis dahin um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, werden es wohl nur 32 Prozent sein. Und damit nicht genug: Die Bundesregierung unterstützt auch kein ehrgeizigeres EU-Klimaschutzziel für 2030 und blieb der Staatengemeinschaft das angekündigte Konzept für den deutschen Kohleausstieg schuldig. Die Kohlekommission wird einen entsprechenden Fahrplan erst nächstes Jahr vorschlagen. Im jährlichen Klimaschutz-Index von Germanwatch, CAN International und dem New Climate Institute ist Deutschland vom 22. auf den 27. Platz abgerutscht, vor allem weil es noch immer einer der größten Verbrenner der besonders klimaschädlichen Braunkohle ist.

„Deutschland hat hier im Wesentlichen nichts zu bieten, um Emissionen zu reduzieren“, fasst CAN zusammen. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth twitterte zerknirscht: „Für den ’Fossil of the Day‘ kann man sich ja nun schlecht bedanken. Aber immerhin möchte ich sagen, dass wir verstehen, warum er an uns geht.“

Doch auch die restlichen Länder glänzten in der ersten Verhandlungswoche nicht mit Entscheidungsfreude. Am Wochenende geriet eine Formalie zum Debakel: die Anerkennung des Klimaberichts, den der Weltklimarat im Oktober veröffentlicht hatte. Statt ihn offiziell „zur Kenntnis zu nehmen“, forderten viele Länder, der Report solle „begrüßt werden“. Das wollte Saudi-Arabien nicht, die USA, Russland und Kuwait schlossen sich an. Die Entscheidung musste vertagt werden.

Nach der ersten Verhandlungswoche zog Greenpeace ein enttäuschtes Fazit. „Es ist beunruhigend, dass hier kein Klimavorreiter in Sicht ist“, urteilte Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung der Umweltorganisation in Berlin.

Angesichts dessen kommen die „Eckpunkte einer CO2-Preisreform“ gerade recht, wie sie Ottmar Edenhofer, einer der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Christoph Schmidt, Chef der Wirtschaftsweisen kürzlich vorgeschlagen haben. „Wir müssen den Klimaschutz kosteneffizient und marktbasiert organisieren“, erklärte Edenhofer. Ihre Forderung: Ein Mindestpreis für den Ausstoß von Kohlendioxid, der schrittweise steigen soll. Deutschland solle eine entsprechende Initiative im europäischen Stromhandel starten und zugleich die Steuern auf fossile Energieträger wie Benzin und Heizöl anheben. Dafür solle die Stromsteuer sinken.

Im Einzelnen sieht der Plan vor, dass die Erlaubnis zum Ausstoß einer Tonne CO2 ab 2020 einen Mindestpreis von zwanzig Euro haben soll. Im Jahr 2035 sollen es 35 Euro sein. Bislang waren die CO2-Zertifikate im Emissionshandel viel zu günstig, weil es zu viele von ihnen gab. Um die fünf Euro kostete die Erlaubnis zum Ausstoß einer Tonne jahrelang. 2018 ist der Preis auf immerhin rund 15 Euro gestiegen. Allerdings gibt es Studien, die davon ausgehen, dass deutlich höhere Preise für CO2-Ausstoßrechte als im jetzt von Edenhofer und Schmidt vorgestellten Plan nötig wären, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Benzin würde dem Vorschlag der beiden Professoren zufolge um 4,7 Cent teurer, Diesel um 5,3 Cent. Weil auch diese Abgaben langsam steigen sollen, hätten die Menschen ein Interesse, auf CO2-arme Energiequellen umzusteigen. Die Senkung der Stromsteuer würde einen Drei-Personen-Haushalt im Gegenzug um mehr als 90 Euro pro Jahr entlasten.

„Es muss künftig deutlich teurer werden, Treibhausgase auszustoßen“, sagte Schmidt dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Und Edenhofer forderte die Bundesregierung auf, den Ausstieg aus der Braunkohle durch den CO2-Mindestpreis zu ergänzen. „Sonst würde es sich rechnen, bislang nicht ausgelastete Steinkohlekraftwerke hochzufahren“, sagte er. Es gebe viele Länder, die für einen CO2-Mindestpreis eintreten, erklärten die Professoren und verwiesen auf entsprechende Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

In der großen Koalition hat der Plan noch keine Mehrheit, faktisch alle Energie- und Klima-Denkfabriken befürworten aber ein solches CO2-Steuer-System. Zum „Fossil des Tages“ würde Deutschland mit einer solchen Politik sicher nicht mehr gewählt.