Es ist mal wieder so weit, die UN-Klimakonferenz steht bevor. Bei der COP24 vom 3. bis 14. Dezember im polnischen Katowice soll das Klimaabkommen von Paris in ein „Regelbuch“ mit konkreten Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgase übersetzt werden. Zur Erinnerung: In der französischen Hauptstadt hatte sich die Staatengemeinschaft 2015 völkerrechtlich bindend darauf geeinigt, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, möglichst sogar bei 1,5 Grad. Das Pariser Protokoll wird ab 2021 das Kyoto-Protokoll ablösen, das 2020 ausläuft. Es setzt auf Selbstverpflichtungen der unterzeichnenden Staaten, die schrittweise angezogen werden sollen.

Das Problem ist nur: Es funktioniert bisher nicht. Und das nicht nur, weil die USA unter Donald Trump nicht mitmachen wollen, sondern auch, weil die Selbstverpflichtungen der übrigen Staaten bei weitem nicht ausreichen – und außerdem oft schon jetzt gar nicht erst eingehalten werden. Wie jedes Jahr vor der Klimakonferenz berechneten Experten des UN-Umweltprogramms Unep die aktuellen globalen Treibhausgasemissionen. Nachdem sie in den letzten drei Jahren stagniert hatten, sind sie nun – nein, nicht gesunken, sondern erneut gestiegen. 53,5 Gigatonnen lautet der neue Weltrekord.

Die gute Nachricht: Zumindest das Problembewusstsein ist da, zum Beispiel bei der Europäischen Kommission. „Heute schlagen wir eine Strategie vor, damit Europa als erste Volkswirtschaft der Welt bis 2050 klimaneutral wird“, erklärte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete am Mittwoch. Das würde eine völlige Abkehr von Öl, Kohle und Gas in der Wirtschaft, der Energieversorgung und im Verkehr bedeuten – und einen Investitionsbedarf von bis zu 290 Milliarden Euro pro Jahr. „Wir können es schaffen, und wenn wir Erfolg haben, werden andere folgen“, gab sich Cañete zuversichtlich.

Können wir das? Wir sprachen darüber mit Antje Boetius, der Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meersforschung in Bremerhaven. Sie hat die Auswirkungen des Klimawandels in den Polarregionen mit eigenen Augen gesehen und mahnt immer wieder öffentlich vor den drastischen Konsequenzen für das Leben auf der Erde:

Bei der UN-Klimakonferenz in Katowice soll das Pariser Klimaabkommen in die Praxis umgesetzt werden. Was ist die größte Hürde?

Meiner Meinung nach ist es der sehr günstige Preis fossiler Brennstoffe. Wir sind die billigen Preise von Kohle und Erdöl gewohnt, das spielt in allen Bereichen unseres Lebens eine Rolle – ob bei den Kunststoffen, die das Meer vermüllen, bei billigen Flügen oder eben bei der subventionierten Kohle, für die wir den Wald abholzen. Würde es einen Aufschlag für die Umweltschäden geben, eine Belohnung für die Vermeidung von CO2 und eine schlauere Förderung alternativer Energien und anderer Formen von Klimaschutz, könnten wir diese Hürde schnell beseitigen.

Welche Länder machen Ihnen die größten Hoffnungen, welche die größten Sorgen?

Natürlich wünschte ich mir, wir in Deutschland – die Bürger, die weltweit operierende Wirtschaft – wären selbst ein Vorbild im Klimaschutz und ein Motor von globaler Innovation. Die größten Sorgen macht mir die Schere zwischen dem Wissen um den Klimawandel und seine Folgen auf der einen Seite und die mangelnden Taten auf der anderen. In Deutschland macht mir die gefühlte Lähmung der Politik Sorgen, sie muss ja den Rahmen setzen für den Fortschritt. Hoffnungen macht mir aktuell Skandinavien, dort ist enorm viel getan worden für den Umbau der Energie. Aber erstaunlicherweise gibt es gerade auch vermehrt Berichte, dass China beim Rückgang von Emissionen relativ gut da steht. Das wäre natürlich global enorm wichtig, wenn sich dort der Trend umkehren würde.

Ein kürzlich vorgestellter Sonderbericht des Weltklimarats zeigte, dass wir die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad beschränken müssen, wollen wir extreme Folgen wie etwa den Verlust von 99 Prozent der Korallen weltweit verhindern. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Staatengemeinschaft das erreichen kann – und will?

Ja, die Forschungsergebnisse zu den Unterschieden zwischen 1,5 und 2 Grad sind erstaunlich. Wir müssen einfach begreifen, wie viel es für die Korallen, für das Meereis der Arktis und letztendlich auch für unser Wetter ausmacht, welches Ziel wir auswählen. Ich bin immer noch optimistisch, dass wir vorankommen – hoffentlich weil Wirtschaft, Wissenschaft und die Bürger aufwachen und den Umbau angehen. Und hoffentlich nicht erst, wenn uns weitere Katastrophen auf schmerzhafte Weise beibringen, was wir zu verlieren haben.

Zusammen mit 15 Staatsoberhäuptern und Regierungschefs rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu auf, „alles Menschenmögliche“ zu unternehmen, um die Klimawandel aufzuhalten. Doch auch Deutschland hinkt seinen eigenen Zielen hinterher. Ist es schon zu spät?

Es ist nie zu spät, etwas Richtiges zu tun.