Unter dem Motto „Creating a Shared Future in a Fractured World“ treffen sich ab Dienstag in Davos wieder die Reichen und Mächtigen, um über Fragen und Probleme der Weltwirtschaft zu diskutieren. Die UN-Sonderbeauftragte Rachel Kyte reist ebenfalls hin und will dort ihr Thema, „nachhaltige Energie für alle“, voranbringen. Ein Thema, das immer wichtiger wird. Der „Global Risks Report“, den das Forum kürzlich veröffentlicht hat, warnt insbesondere vor den Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörungen. So seien – neben Cyberattacken – insbesondere extreme Wetterverhältnisse, Naturkatastrophen, Wasserkrisen und das Versagen, den Klimawandel aufzuhalten oder sich daran anzupassen, die Hauptrisiko-Faktoren für die Menschheit im Jahr 2018. Wir haben mit Rachel Kyte gesprochen.

Der aktuelle Global Risks Report nennt als größte Gefahr die Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung. Wie ist Ihre Einschätzung: Werden dadurch Umwelt- und Klimathemen auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum dominieren?

Es ist jetzt schon das zweite oder sogar dritte Jahr, dass der Klimawandel als Risiko Nummer eins gesehen wird oder zumindest ganz oben auf der Liste steht. Das ist also keine Ausnahme mehr, sondern der Klimawandel wird als konsistentes Phänomen, als Problem, wahrgenommen. Und das zeigt, dass Klima- und Umweltthemen für alle Bereiche relevant sind und daher auch in allen Workshops, Seminaren und Vorträgen auf dem Forum mitreflektiert werden müssen. Beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos kommen die Teilnehmenden ja aus allen Branchen, da trifft sich die Bergbauindustrie, die Gastronomie, die Energiewirtschaft. Und ob bei all denen Klima- und Umweltschutz immer mitgedacht werden, das bezweifele ich. Aber das muss sich ändern.

© Sustainable Energy for All (SEforALL)Wir sprachen mit der UN-Sonderbeauftragten für nachhaltige Energie, Rachel Kyte, im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos
© Sustainable Energy for All (SEforALL)

Wir sprachen mit der UN-Sonderbeauftragten für nachhaltige Energie, Rachel Kyte, im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos

Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse des Reports Ihrer Meinung nach überhaupt? Schließlich basieren sie hauptsächlich auf einer Umfrage, die subjektive Einschätzungen erfasst.

Ein großer Teil der Befragten sitzt in den Führungsebenen von signifikanten Unternehmen aus der ganzen Welt. Und wenn die Wirtschaftseliten und Entscheidungsträger wiederholt Klimawandel und Umweltzerstörung als die Hauptrisikofaktoren identifizieren, dann zeigt das einfach, wie groß das Bewusstsein auch in der Wirtschaft dafür ist. Und das sind die Leute, die die strategische Ausrichtung von Firmen weltweit steuern und die über künftige Produkte und Dienstleistungen entscheiden. Also, ich würde sagen, so gesehen, sind die Ergebnisse sehr aussagekräftig.

Sie werden auch an dem Treffen teilnehmen, das dieses Jahr unter dem Motto „Creating a Shared Future in a Fractured World“ steht. Wie wollen Sie dazu beitragen, eine gemeinsame Zukunft in einer gespaltenen Welt zu schaffen?

Als UN-Sonderbeauftragte für den Energiebereich werde ich hauptsächlich an solchen Programmpunkten teilnehmen, die sich mit nachhaltiger Energie beschäftigen, und damit, wie wir Menschen auf der ganzen Welt zuverlässig mit sauberer und bezahlbarer Energie versorgen können. Also, ich werde da die ganze Zeit mit Staatschefs und Geschäftsführern internationaler Konzerne zusammensitzen, die sich alle dafür interessieren, wie man die Energiewende möglichst effektiv und bezahlbar gestalten kann.

Dieses Jahr erwarten die Organisatoren etwa 340 Politiker, 1.900 Wirtschaftsvertreter und 900 Teilnehmende von NGOs, aus der Wissenschaft, von Gewerkschaften und ebenso Journalisten. Was genau wollen die alle in Davos?

Im besten Fall ist das Weltwirtschaftsforum ein Ort, der Staatschefs und Konzernleiter zusammenbringt, sodass die hinter verschlossenen Türen Klartext reden können. Das ist manchmal notwendig, um sich bei bestimmten kontroversen Fragen zu einigen und abzustimmen. Genauso wie sich in Davos Menschen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen verständigen können oder Vertreter aus dem privaten und öffentlichen Sektor aufeinandertreffen. Im schlimmsten Fall ist das Treffen einfach eine enorme Ansammlung von Lippenbekenntnissen. Aber immerhin haben die Veranstalter stolz verkündet, dass diesmal 21 Prozent der Besucher Frauen sind. Die vorigen Jahre stagnierte die Zahl ­bei 17 oder 18 Prozent. Und wenn sich das verbessert, freut mich das. Allerdings frage ich mich, wie stolz man darauf sein kann. Das ist ja immer noch nur ein Fünftel Frauen.

Was, denken Sie, werden die bestimmenden Themen auf den zahlreichen Sitzungen des Forums sein?

Die Veranstalter pushen die Debatte, was die vierte industrielle Revolution bedeuten kann – also fundamentaler Wandel wie Post-Work-Gesellschaften oder künstliche Intelligenz. Aber auch fundamentale Fragen der Weltpolitik werden diskutiert, beispielsweise wie man auf einem globalisierten Weltmarkt damit umgeht, dass verstärkt populistische und nationalistische Regierungen die Handelsfreiheiten einschränken und internationale Abkommen zu Klimaschutz oder Ähnlichem erschweren. Und ein wichtiges Thema wird sein, wie mit künftigen Ungewissheiten umgegangen werden kann ­– also extreme Wetterverhältnisse und Überschwemmungen als Folgen des Klimawandels, Krisen im Finanzsystem, neue Technologien und unsicherer Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen wie sauberer Luft und sauberem Wasser. Zunächst war Indiens Staatschef Narendra Modi der wichtigste Politiker, der teilnehmen wollte. Bis natürlich US-Präsident Donald Trump sein Kommen angekündigt hat. – Da herrscht im Vorfeld einfach immer auch ein gewisser Zirkus darüber, wer teilnimmt.

© picture alliance/KEYSTONEEinen Tag vor dem offiziellen Start des Weltwirtschaftsforums in Davos eilen Teilnehmende durch die Hallen des Kongresszentrums. Die Veranstaltung bringt vom 23. bis zum 26. Januar 2018 Wirtschaftsvertreter mit Politikern, Wissenschaftlern und Menschen aus der Zivilgesellschaft zusammen
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Einen Tag vor dem offiziellen Start des Weltwirtschaftsforums in Davos eilen Teilnehmende durch die Hallen des Kongresszentrums. Die Veranstaltung bringt vom 23. bis zum 26. Januar 2018 Wirtschaftsvertreter mit Politikern, Wissenschaftlern und Menschen aus der Zivilgesellschaft zusammen

Und wie planen Sie, die für Sie wichtigen Themen auf die Agenda des Treffens zu bringen, wie nachhaltige Energien und Energiewende?

Die offizielle Agenda ist sorgfältig vorbereitet und es steht schon fest, wer die Sprecher und was die Themen sind. Und hier ist es wichtig, die Wirtschaftsvertreter in die Pflicht zu nehmen. Wir müssen über einen sinnvollen Preis für Kohle reden und darüber, dass die Rentenfonds nicht in den Sand gesetzt werden. Aber dann gibt es noch die inoffiziellen Treffen am Rande der Konferenz. Und die sind eigentlich das Wichtigste an der ganzen Veranstaltung, weil die ganzen Absprachen in den informellen Treffen getroffen werden. Manche Leute kommen zum Weltwirtschaftsforum und besuchen keine einzige der offiziellen Veranstaltungen. Ich meine, die offiziellen Sessions sind natürlich wichtig, aber zu den eigentlichen Absprachen und Initiativen kommt es da nicht – die passieren hinter verschlossenen Türen.

Wie begegnen Sie der Kritik, dass es sich beim Weltwirtschaftsforum um ein exklusives Elitentreffen handelt, wo die Mächtigen „Champagner trinken“, während „die Welt am Abgrund torkelt“?

Das Weltwirtschaftsforum ist eine private Organisation, wo sich Wirtschaftseliten austauschen können. Mit den Jahren ist es dann zu einem Ort geworden, wo auch Politiker hinkommen, um dort die Wirtschaftsbosse zu treffen. Die Auswahl, wer kommen darf, ist selektiv. Und ist das elitär? Ja, aber die Veranstalter organisieren das Weltwirtschaftsforum privat – und deshalb dürfen die das. Und dafür sorgen, dass die Wirtschaftseliten im Anschluss auch wirklich etwas für eine bessere Welt tun, das ist der Kampf, den Organisationen weltweit führen müssen.