Von Geoengineering geht eine große Verlockung aus. Um den globalen CO2-Ausstoß so zu drosseln, dass wir die globale Erwärmung unter zwei oder sogar 1,5 Grad halten, sind radikale Änderungen nötig – die dauern lange, sind mühsam und implizieren viel Verzicht. Oder man greift eben chemisch oder physikalisch in das Klima ein, mit völlig unabsehbaren Konsequenzen. Das Gefährliche: Im Moment gibt es kein internationales Übereinkommen, welches das regeln oder verbieten würde.

Das wollte die Schweiz bei der am Freitag endenden vierten UN-Umweltversammlung in Nairobi ändern. Unter dem Titel „Innovative solutions for environmental challenges and sustainable consumption and production“ diskutierten die Teilnehmer in der kenianischen Hauptstadt eine Woche lang miteinander. Die Geoengineering-Resolution der Schweiz zielte ursprünglich darauf ab, eine umfassende Studie zu den Chancen und Risiken der unterschiedlichen Geoengineering-Methoden in Auftrag zu geben. Damit wollte das Land internationale Verhandlungen über und letztlich auch Regelungen für die noch wenig erforschten Technologien initiieren. „Es besteht die Gefahr, dass Geoengineering von jemandem ohne internationale Kontrolle eingeführt wird“, sagte Franz Perrez, Umweltbotschafter der Schweiz. „Wir sind darüber sehr besorgt.“ In ihrem Vorhaben unterstützt wurde die Schweiz von elf weiteren Regierungen so unterschiedlicher Länder wie etwa Burkina Faso, Mexiko, Georgien und Mali.

„In den letzten Tagen wurde die Resolution aber schon deutlich abgeschwächt“, berichtet Lili Fuhr, Referentin für internationale Umweltpolitk bei der Heinrich-Böll-Stiftung, die als Beobachterin der Verhandlungen in Nairobi akkreditiert war. Schließlich musste die Schweiz ganz aufgeben und zog ihren Antrag zurück. „Wir bedauern sehr, dass die Resolution gescheitert ist, weil sie eine Regulierungsdebatte hätte anstoßen können“, so Fuhr. Der enorme Widerstand sei wenig überraschend von den Ländern gekommen, die kein Interesse an eben solchen Regulierungen haben. Wortführend seien die USA und Saudi-Arabien gewesen, zwei Länder mit hohem CO2-Ausstoß. Beide haben bereits intensiv in die Erforschung von Geoengineering investiert. Eine Forschergruppe von der Harvard Universität etwa will noch dieses Jahr testweise einen Ballon in die Stratosphäre aufsteigen lassen, der dort kleine Mengen Kalziumkarbonat-Partikel verteilen soll.

Diese Methode gehört zum solaren Geoengineering, also dem Versuch, die Sonneneinstrahlung zu vermindern. Die Idee: Mithilfe von Ballons oder Flugzeugen werden kleine Schwebeteilchen, sogenannte Aerosole, in die Atmosphäre ausgebracht, damit sie dort das Sonnenlicht reflektieren. Der Effekt wird oft mit dem eines Vulkanausbruchs verglichen, bei dem ebenfalls eine große Menge Schwebeteilchen in die Stratosphäre geschleudert wird. Je nach Stärke des Ausbruchs kann das sogar das gesamte Weltklima beeinflussen. Dass die Aerosole aber auch die Wolkenbildung verstärken, belegten voriges Jahr Forscher vom US-amerikanischen Pacific Northwest National Laboratory. Sie untersuchten die Luftverschmutzung der Millionenstadt Manaus im brasilianischen Regenwald und fanden heraus, dass Wasserdampf schnell an den Aerosolen kondensierte. Immer größere Wolken türmten sich auf und brachten nicht nur mehr Regen, sondern auch Gewitter und Stürme. Ein anderer Ansatz von solarem Geoengineering zielt gleich auf die Wolken ab: In die Luft gesprühtes Meerwasser soll sich in ihnen festsetzen und so mehr Sonnenstrahlen reflektieren.

Neben solchen klimatischen Eingriffen forschen Wissenschaftler weltweit an der Möglichkeit, CO2 aus der Atmosphäre zurückzuholen und es dauerhaft in Böden, Ozeanen oder Bäumen zu speichern. Die Forschung steht immer noch am Anfang, trotzdem hat der Weltklimarat (IPCC) eine solche Rückholaktion bereits in seine Berechnungen für das 1,5-Grad-Ziel mit einbezogen.

Bei eben jenem Weltklimarat sehen die Gegner der nun abgeblockten schweizerischen Resolution auch die Verantwortung für den Umgang mit Geoengineering. Lili Fuhr von der Heinrich-Böll-Stiftung widerspricht dem: „In Anbetracht seines Mandats und seiner Expertise primär zu Fragen des Klimawandels ist klar, dass der IPCC keinesfalls alle Risikodimensionen dieses Themas abdecken kann und wird.“ Außerdem müsse man sich beim IPCC die Frage der Einflussnahme ganz genau anschauen, denn bei einem der primär Verantwortlichen für das Kapitel Geoengineering im für die Jahre 2021 und 2022 erwarteten sechsten Sachstandsbericht handelt es sich um einen Vertreter des saudischen Ölunternehmens Saudi Aramco. „Das wirft ernsthafte Fragen nach Interessenskonflikten und Objektivität der Bewertung auf“, urteilt Fuhr.

Dass Geoengineering längst nicht nur ein Klimathema ist, zeigt ein Blick auf die möglichen Folgen. „Wir wissen noch nicht genau, welche regionalen Auswirkungen Solar Geoengineering hat. Der globale Wasserkreislauf würde sich verlangsamen; es wird insgesamt weniger Regen geben – Dürre in manchen Regionen, aber auch heftige Regenfälle in anderen. Das könnte gravierende geopolitische Folgen haben“, sagte Janos Pasztor dem Greenpeace Magazin in der Ausgabe 6.17 im Interview. Er ist Direktor eines unabhängigen amerikanischen Gremiums, das eine breite öffentliche Debatte über die ethischen Aspekte von Geoengineering einleiten und internationale politische Rahmenbedingungen für mögliche Einsätze entwickeln soll. „Nehmen wir mal an, China sprüht morgen Partikel in die Stratosphäre. Nächstes Jahr bleibt der Monsun in Indien aus, Menschen hungern. Obwohl möglicherweise kein Zusammenhang besteht, könnte das die Spannungen zwischen den beiden Nationen steigern. Deshalb dürfen derartige Methoden nicht eingesetzt werden, bis wir die sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen besser kennen und bis wir ein internationales Regelwerk geschaffen haben.“

Aus genau diesem Grund pocht auch Lili Fuhr auf eine Regelung auf UN-Ebene. Bislang verbietet das London-Übereinkommen zum Schutz der Meere Geoengineering unter Wasser, nämlich die Eisendüngung der Ozeane, die das Algenwachstum und damit die Photosyntheseleistung fördern soll. Und die UN-Biodiversitätskonvention (CBD) empfiehlt ihren Mitgliedsstaaten, Geoengineering per Moratorium vorerst zu verbieten. Ausgerechnet die USA haben die aber niemals ratifiziert.