Der 3. März ist internationaler Tag des Artenschutzes. Ein Tag, an dem es dem Namen nach eigentlich darum gehen sollte, den Schutz der Arten zu feiern. „Sustaining all life on earth“ (Alles Leben auf Erden erhalten) lautet das diesjährige Motto. Von der Realität ist das allerdings weit entfernt.

Ursprünglich war der 3. März tatsächlich ein Grund zum Feiern: An diesem Datum wurde 1973 das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES ausgehandelt, das den internationalen Handel mit rund 5800 Tier- und 30.000 Pflanzenarten reguliert. Das war ein wichtiger Schritt, der Handel ist aber längst nicht das größte Problem der Tier- und Pflanzenwelt. Es ist das menschliche Leben an sich – unsere Landwirtschaft, unsere Städte, der Verkehr, die Emissionen, der Raubbau und das nicht enden wollende Verlangen nach mehr. Das sechste Massensterben sei „nahezu gewiss“, sagt der Biologe Paul Ehrlich von der amerikanischen Stanford University voraus. Es wäre das erste Massensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier und das erste, das von Lebewesen ausgelöst wurde. Mit dieser drastischen Aussage schaffte es im vergangenen Mai auch der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) auf die Titelseiten: Macht der Mensch weiter wie bisher, droht er von den geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Welt eine Million unwiederbringlich auszurotten, heißt es im ersten von den Vereinten Nationen beauftragten Zustandsbericht des IPBES.

2020 als Superjahr der Biodiversität

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse gilt es nun in konkrete Gegenmaßnahmen umzusetzen. Auf internationaler Ebene kommen dafür im Oktober die Vertragsstaaten der UN-Konvention über biologische Vielfalt im chinesischen Kunming zur 15. Weltnaturschutzkonferenz zusammen. Die Staaten wollen dort neue verbindliche Maßnahmen verhandeln. UN-Behörden tauften 2020 wegen dieser Chance hoffnungsfroh das „Superjahr der Biodiversität“. 

Ralf Seppelt, Landschaftsökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und einer der Autoren des IPBES-Berichts, verspricht sich viel von der Konferenz: „Während in der Öffentlichkeit nicht viel von dem Schock-Effekt des Berichts geblieben ist, zeigt er politisch durchaus seine Wirkung. Fast alle Ergebnisse und Empfehlungen finden sich in den Entwürfen für die Verhandlung zum nächsten Zehnjahresprogramm der Konvention für Biodiversitätsschutz.“

Um allerdings die gleiche Schlagkraft wie das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 zu bekommen, fehlt es dem bisherigen Entwurf noch an klaren Zielen, kritisieren einige der Beteiligten. „Die Klarheit, sozusagen der Polarstern, ist nicht da. Die Mission ist gut, aber sie ist noch nicht so messbar“, sagt etwa Marco Lambertini, Generaldirektor des WWF International. Einige konkrete Ziele stehen aber bereits im Entwurf, berichtet Seppelt: „Was ganz klar gesagt wird, ist: Ein weiterer Netto-Verlust der Funktionsfähigkeit von Frischwasser-, marinen und terrestrischen Ökosystemen ist zu vermeiden und bis 2050 soll sich der Zustand um zwanzig Prozent verbessert haben, um die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme zu gewährleisten. Das ist weit mehr als die UN-Konvention bislang gefordert hat.“ Die einzelnen Staaten seien angehalten vorzuschlagen, wie sie das auf ihrem Gebiet umsetzen.

Deutschland: Eher Weile statt Eile

Wie also sieht das in Deutschland aus? Das Bundesumweltministerium hatte bereits 2014 eingeräumt, dass die bisherigen Maßnahmen zum Schutz und der Erhaltung der biologischen Vielfalt nicht ausreichten, und rief daraufhin die „Naturschutz-Offensive 2020“ ins Leben. „Die Umsetzung einiger Maßnahmen hat daraufhin neuen Schwung erhalten“, teilt eine Sprecherin des Umweltministeriums auf Anfrage etwas vage mit. „Eine Neuauflage der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung für die Zeit nach 2020 ist aktuell durch das federführende Bundesumweltministerium in Vorbereitung.“ Um den „jahrzehntelangen Stillstand in der Agrarpolitik“ zu überwinden, plane Bundeskanzlerin Angela Merkel außerdem eine Zukunftskommission einzusetzen.

Etwas mehr Eile wäre angebracht. Rund 1400 Tier- und Pflanzenarten sind hierzulande laut der Roten Liste von Aussterben bedroht – darunter etwa der Feldhamster, der Schreiadler und der Hochmoor-Laufkäufer. Bei den Pflanzen stehen unter anderem Wassermoos, Flammen-Adonisröschen und das Zierliche Wollgras kurz vor dem Verschwinden. Immer neue Studien belegen das Schwinden der Arten, etwa das der Vögel: Anfang Februar teilte das Bundesamt für Naturschutz mit, dass die Zahl der Brutvögel in Deutschland zwischen 1992 und 2016 um 14 Millionen Exemplare sank, also um acht Prozent. Besonders hart traf es Rebhühner und Kiebitze, ihre Bestände nahmen in dem genannten Zeitraum um beinahe neunzig Prozent ab.

Dass das Vogelsterben aber kein deutsches Phänomen ist, zeigte eine Gruppe norwegischer Forscher mit einer Publikation in den „Biology Letters“ der britischen Royal Society. Nach ihrer Berechnung überdauern Vogelarten nur noch rund 3000 Jahre bevor sie aussterben – das ist deutlich kürzer als man bislang annahm. Im Vergleich zum vormenschlichen Zeitalter sterben Vogelarten demnach tausendmal schneller aus.

Das Verschwinden von Vogelarten ist untrennbar mit dem der Insekten verknüpft, denn die sind nicht nur wichtige Bestäuber sondern auch Nahrungsgrundlage für die Vögel. 2017 rüttelten deutsche Hobby-Entomologen die weltweite Öffentlichkeit mit dieser Zahl auf: Seit 1989 nahm die Masse der flugfähigen Insekten um mehr als drei Viertel ab. Die Aufregung war nur von kurzer Dauer. Eine Überblicksstudie der Universität Sydney im Jahr darauf erreichte nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit. Demnach schrumpft die Population von 41 Prozent der Insektenarten, ein Drittel von ihnen ist vom Aussterben bedroht.

Warum geht es angesichts solcher Zahlen in der Politik trotzdem nur schleppend voran? Das könnte am Zuschnitt der Ressorts liegen, also an der Organisation der Bundesrgeierung. „In den Diskussionen mit Politikern aus dem Umweltministerium stelle ich immer wieder fest, dass sie die Probleme zwar rational vollständig erfassen, aber hilflos mit den Schultern zucken“, sagt Ralf Seppelt. „Sie sagen: Die Maßnahmen liegen in ganz anderen Referaten – in der Wirtschaft, im Verkehr, in der Energieversorgung – und das scheint die Crux zu sein.“

Mehr zum Thema

MEHR BEITRÄGE