Donald Trump hat in den letzten Tagen Importzölle für Stahl- und Aluminiumimporte angekündigt. Deutsche Zeitungen und US-Medien fragen sich, ob das der erste Schlag eines neuen „Handelskrieges“ sei. Die Debatte um die aktuellen Handelsabkommen und Importe schwelt seit langem: Zwei Tage nachdem US-Präsident Donald Trump auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos versöhnliche Töne angestimmt hat, ging er bei einem Fernsehinterview mit dem britischen Sender ITV wieder auf Konfrontation – getreu seinem Motto „Amercia first“ warf Trump der EU eine „sehr unfaire“ Handelspolitik vor und sprach darüber, eine Menge Probleme mit der Europäischen Union zu haben. Anders als Trump setzt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel weiterhin auf Kooperation und internationale Zusammenarbeit. „Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt“, appellierte sie. Es sei gefährlich, „in nationale Lösungen zu flüchten“, warnte sie. Welche Handelsabkommen plant die EU, nachdem TTIP mit den USA auf Eis gelegt wurde? 

Die EU verhandelt mit einigen anderen Ländern und Regionen ähnliche Abkommen wie TTIP – jedoch oft unterhalb des Radars der breiten Öffentlichkeit. Die Verbraucherschutzorganisationen Foodwatch und die Initiative für ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft Powershift haben ein Positionspapier mit dem Titel „Handel um jeden Preis?“ veröffentlicht, in der sie fünf geplante Abkommen der EU kritisieren. Sie kommen zum Ergebnis, dass Umweltstandards, Verbraucherrechte und die Demokratie gefährdet seien.

Die EU plant aktuell Verträge unter anderem mit Indonesien, Japan und dem südamerikanischen Mercosur-Staatenbund, zu dem Staaten wie Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gehören. Doch diese erhielten laut Foodwatch ähnliche Vorhaben wie TTIP oder CETA, das viel kritisierte Abkommen mit Kanada: Zum Beispiel Handelsausschüsse ohne ausreichende demokratische Kontrolle oder eine Aufweichung des Vorsorgeprinzips beim Gesundheits- und Verbraucherschutz sowie Sonderklagerechte für Konzerne.

Konkret kritisiert das Positionspapier besonders drei Punkte: Das europäische Vorsorgeprinzip sei in keinem der Abkommen abgesichert. Das bedeute, dass eine Substanz wie beispielsweise ein Pestizid solange zugelassen bleibe, bis deren Schädlichkeit nachgewiesen ist. Zweitens kritisiert Foodwatch, dass Handelsausschüsse ohne ausreichende Kontrolle eine Art Paralleljustiz entstehen lassen würden, über die Konzerne in Zukunft Staaten wegen politischer Regulierungsmaßnahmen verklagen könnten. Drittens bemängelt die Verbraucherschutzorganisation, dass Umwelt- und Verbraucherstandards durch die Handelsverträge gesenkt oder vertraglich so festgeschrieben werden, dass sie in Zukunft nicht mehr einseitig von einem Handelspartner verschärft oder verbessert werden könnten.

„Die EU hat aus den Protesten gegen TTIP und CETA offenbar nichts gelernt"

Ähnliche Punkte waren bereits bei den Abkommen mit den USA und Kanada kritisiert worden. „Die EU hat aus den Protesten gegen TTIP und CETA offenbar nichts gelernt“, kritisiert Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch International. „Auf dem Altar des Freihandels sollen Verbraucherschutz, Umweltstandards und demokratische Prinzipien geopfert werden – zulasten der Menschen in Europa und der Menschen in den Partnerländern.“ Bode betonte bei der Vorstellung des Positionspapiers in Brüssel, dass er generell nicht gegen Handel sei, er fordere jedoch einen Handel, der den Menschen dient und nicht den Interessen von Konzernen. „Genau wie bei TTIP und CETA geht es bei den neuen Handelsabkommen nicht nur um den Abbau von Zollschranken, sondern auch um Verbraucherrechte und Umweltschutzstandards – und die Frage, wie und wer darüber in Zukunft entscheidet“, sagt Thomas Fritz von Powershift, einer der Autoren des Papiers. Die Organisationen fordern deshalb den Stopp der aktuellen Verhandlungen und eine Neuausrichtung der europäischen Handelspolitik.

Die Freihandelsabkommen können laut Report politische Ziele wie den Klima- und Umweltschutz unterlaufen

Welche Schäden die Umwelt nehmen könnte, darauf geht das Papier ebenfalls ein: „Erhebliche Umweltrisiken im Hinblick auf den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität ergeben sich aus den Handelsverträgen mit Brasilien und Indonesien.“ Durch die Handelsverträge wird höchstwahrscheinlich die Produktion in vielen Bereichen angekurbelt. Eine höhere Rindfleischproduktion in Brasilien und eine Steigerung des Palmölanbaus in Indonesien würde demnach die Treibhausgasemissionen erhöhen. Doch auch andere Länder sind betroffen. Mehr Aquakultur in Vietnam würde zum Beispiel laut Papier die marine Biodiversität belasten. „Diese Beispiele sind ein Beleg für die Kritik, dass die Freihandelsabkommen politische Ziele wie den Klima- bzw. Umweltschutz unterlaufen können“, so der Report. 

Die EU-Kommission, die für die Freihandelsabkommen zuständig ist, weist die Kritik an den Verträgen seit Jahren zurück. Sie argumentiert, dass EU-Standards nicht ausgehöhlt werden würden. Die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, erklärte gegenüber der französischen Zeitung „Le Monde“, warum sich die EU nach dem zähen Ringen um TTIP und CETA besonders für Abkommen mit anderen Ländern interessiert: „Da die USA eine sehr negative Einstellung gegenüber Handel haben, wollen wir Europäer zeigen, dass wir den Handel auf eine nachhaltige Art und Weise weiterentwickeln können“, sagte sie. „Wir versuchen, einen Kreis an Freunden aufzubauen, mit denjenigen, die daran glauben, dass Handel etwas Gutes ist und nicht dazu da ist, sich gegenseitig zu bestrafen.“

Beispiele dafür, wer das sein könnte, geben die aktuellen Verhandlungen. Die Gespräche mit den Mercosur-Staaten sind derzeit in der Endphase. Mit Japan hat die EU bereits eine politische Grundsatzeinigung auf ein neues Freihandelsabkommen abgeschlossen. Und erst vor wenigen Wochen einigten sich die EU und Mexiko auf fünf neue Kapitel für ein neues Handelsabkommen, welches einen vor 21 Jahren geschlossenen Vertrag ergänzen soll. Mexiko will mit dem neuen Vertrag ebenfalls unabhängiger von den USA werden. Trump hatte in der Vergangenheit gedroht, das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko zu kündigen. Getreu seines Mottos: „America first“.

Lesen Sie mehr zum Thema in der neuen Ausgabe des Greenpeace Magazins 2.18 „Globalisierung“. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!