Während die Aktivisten in und um den Hambacher Forst weiter ausharren, rückt RWE nicht von seiner Position ab, das uralte Waldstück räumen zu lassen. Ein kurzfristiger Verzicht auf die Rodung des Waldes würde das Unternehmen vier bis fünf Milliarden Euro kosten, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz und bezeichnete die Chance auf eine endgültige Rettung des „Hambi“ als „Illusion“. Der tragische Todesfall eines Journalisten hat bei den Menschen vor Ort Spuren hinterlassen. Wir haben mit einem Aktivisten gesprochen, der vor wenigen Tagen mitsamt seinem Baumhaus geräumt wurde. Im Interview erzählt er, wie die Aktivisten den Vorfall zu verarbeiten versuchen – und beklagt Falschinformationen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und der Polizei.

Wie haben Sie die Räumungen der letzten Tage erlebt?

Es war eine sehr intensive Zeit. Weder ich noch die anderen Waldbewohner haben auch nur annähernd verarbeitet, was alles passiert ist. Zuerst haben wir eine Woche Belagerung erlebt, währenddessen standen wir unter unglaublicher Anspannung, weil es jeden Tag danach aussah, als würde jetzt die Räumung anfangen. Tagelang konnten wir nicht von den Bäumen runter. Die psychische Belastung war sehr hoch. Abends wurden wir von der Polizei mit Flutlichtern bestrahlt und regelmäßig mit Hupkonzerten geweckt. Als ich geräumt wurde, hatte ich Glück. Die Leute, die mich aus meiner Befestigung im Baum geschnitten haben, waren relativ freundlich. Viele andere hatten nicht so viel Glück.

Wie ging es weiter?

Ich war zunächst in der Gesa (Anm. der Redaktion: Gefangenensammelstelle), kam aber bald wieder frei. Jetzt arbeite ich in der Pressegruppe. Am Mittwoch ist dann der Mensch abgestürzt. Bis dahin war die Situation hier noch positiv beladen, weil wir den bürgerlichen Rückhalt bemerkt und gesehen haben, wie stark die Bewegung gewachsen ist. Aber seit dem Tod unseres Freundes hat alles nochmal eine andere Konnotation bekommen.

Wie hast du diese Situation erlebt? Wie hat dich die Nachricht des Todesfalls erreicht?

Ich hatte gerade Pressedienst als es passierte. Ich habe es also direkt mitbekommen. Das war eine schwierige Situation, weil wir das emotional erst mal nicht an uns heranlassen konnten. Es gab dann ein Statement des Pressesprechers der Polizei, in dem behauptet wurde, es hätte während des Vorfalls keinen Polizeieinsatz gegeben. Das stimmt nicht. Wir haben die Videos gesichtet, die inzwischen auch veröffentlicht wurden. Darin ist deutlich erkennbar, dass die Polizei zwanzig Meter entfernt von der Unglücksstelle im Einsatz ist. Erst am Abend haben wir so richtig verstanden, was da eigentlich passiert ist.

Wie ist derzeit die Lage vor Ort?

Wir sind unglaublich traurig über den Verlust dieses Menschen, und wir sind unglaublich wütend über die Geschehnisse in der Zeit danach. Innenminister Herbert Reul hatte formuliert, dass es jetzt nicht weitergehen könne wie zuvor. Und auch von anderen Stellen hieß es, dass es einen zwischenzeitlichen Räumungsstopp geben würde. Trotzdem blieben die Besetzer teilweise von der Polizei umstellt, wurden in der Nacht mit Flutlicht beleuchtet. Am Freitag hat die Polizei wieder begonnen zu räumen. Die Einsatzkräfte räumen auch auf brutale Weise Sitzblockaden und sind wieder mit schweren Maschinen im Wald, um Blockaden zu beseitigen – von einem Räumungsstopp kann also keine Rede sein. Es gab sogar erneut eine Situation, bei der Menschenleben gefährdet wurden, weil an falschen Seilen gezogen und gerüttelt wurde.

Wie reagieren die Aktivisten darauf?

Wir sind wütend. Offenbar werden aus dem Vorfall keine Lehren gezogen. Noch nicht einmal der Einsatz wird temporär pausiert. Der Polizeisprecher hat in der ersten Pressekonferenz nach dem Todesfall zugesagt, die Polizei werde den Menschen in den Baumhäusern helfen. Als daraufhin Leute von den Bäumen heruntergekommen sind, um an der Schweigeminute teilzunehmen, sind Einheiten auf sie zugestürmt und haben sie festgenommen.

Wie wird es in den kommenden Tagen weitergehen?

Herbert Reul hat im Radio erzählt, dass die Aktivisten in großer Zahl den Wald verlassen würden und dass wir den Kampf aufgegeben hätten. Aber das stimmt nicht. Der Widerstand geht in jedem Fall weiter. Am Sonntag wird es einen Waldspaziergang geben. Wir gehen davon aus, dass mindestens so viele Leute kommen, wie am letzten Sonntag. Es wäre ja irgendwie das Mindeste, wenn der Waldspaziergang jetzt wieder in den Wald gelassen würde. Ich weiß aber nicht, ob wir davon ausgehen können.