Seit George Floyd am 25. Mai bei einer gewaltsamen Festnahme von Polizisten in Minneapolis getötet wurde, muss sich nicht nur die amerikanische Polizei die Frage gefallen lassen: Wie sehr ist sie von Rassismus zerfressen? So auch die Umweltbewegung – das zumindest fragen nun mehrere Aktivisten. Sie kritisieren unter anderem, viele Engagierte handelten aus der Perspektive einer weißen Mittel- und Oberschicht. „Viele der Institutionen aus der Umwelt- und Naturschutzbewegung wurden von Menschen errichtet, denen der Naturschutz am Herzen lag, denen die Tierwelt am Herzen lag, denen Bäume und Freiflächen am Herzen lagen, (...) aber nicht die Schwarzen Menschen“, sagte Elizabeth Yeampierre unlängst in einem Interview. Als Ko-Vorsitzende der „Climate Justice Alliance“, einem amerikanischen Bündnis für Klimagerechtigkeit, leitet sie eine Koalition von mehr als siebzig Organisationen, die sich mit dem Klimawandel befassen und dabei insbesondere auch rassistische und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten ansprechen. Sie stellte fest: „Der Klimawandel ist das Resultat einer Ära von Ausbeutung, Kolonialismus und Sklaverei.“ Und auch innerhalb der Umweltschutzbewegung gebe es eine lange Geschichte des Rassismus, so Yeampierre.

In den USA reicht die bis in die Zeit nach der Sklaverei zurück. Nach dessen Ende konnten Schwarze Menschen nicht einfach dort wohnen, wo die Weißen wohnten. „Sie bekamen Land, auf dem sie schließlich von Dingen wie der petrochemischen Industrie umgeben waren.“ Die damalige Naturschutzbewegung engagierte sich währenddessen für die Errichtung von Nationalparks. „Nach dem Bürgerkrieg hatte die US-Regierung den neu emanzipierten Schwarzen Bürgern Land versprochen, aber diese Grundstücke wurden ihnen – und vielen indigenen Stämmen – weggenommen, um Platz für neue Nationalparks und Naturdenkmäler zu schaffen“, schreibt Brentin Mock in dem amerikanischen Outside Magazine. Sie stellten gefährdete Pflanzen über gefährdete People of Colour, gestützt wurden die Naturschutzorganisationen dabei vom damaligen Präsidenten Theodore Roosevelt. „Es gibt keine Debatte darüber, für wen sie das Land schützen wollten“, schreibt Mock, und fügt überspitzt an: „Man hätte es einem Schwarzen Farmer damals nachsehen können zu glauben, Roosevelt sei so wild entschlossen, diese Wälder zu erhalten, weil den Weißen die Bäume für die Lynchmorde ausgingen.“

Dass die Schwarze Bevölkerung in den USA bis heute überproportional unter Umweltverschmutzung leidet, ist kein Geheimnis. Schon 1987 veröffentlichte die „United Church of Christ's Commission for Racial Justice“ (Kommission für Rassengerechtigkeit der Vereinigten Kirche Christi) einen Bericht, der die unverhältnismäßig hohe Anzahl von Sondermülldeponien in Gemeinden mit mehrheitlich von Rassismus betroffener Bevölkerung dokumentierte. Dennoch sind sie in der Umweltbewegung unterrepräsentiert. Die amerikanische Schriftstellerin Toni Morrison gab dafür schon 1975 eine Erklärung: „Die sehr beträchtliche Funktion von Rassismus (…) ist die Ablenkung. Er hält dich davon ab, deine Arbeit zu machen. Er lässt dich wieder und wieder deine Daseinsberechtigung erklären.“ 

Ayana Elizabeth Johnson, Meeresbiologin und Politikberaterin aus Brooklyn, erfährt das am eigenen Leib: „Gemeinschaften um Klimalösungen zu bauen ist mein Lebenswerk. Aber ich bin auch eine Schwarze Person in den USA. Ich arbeite an einer existenziellen Krise, aber in diesen Tagen kann ich mich wegen einer anderen nicht mehr konzentrieren“, berichtet sie in der Washington Post. Rassismus raubt schlicht Zeit und Energie, die Johnson und so viele andere sehr viel lieber in den Umweltschutz stecken würden, wenn sie könnten. „Wenn wir den Klimawandel erfolgreich bekämpfen wollen, brauchen wir People of Colour“, schreibt sie. „Nicht nur, weil das Streben nach Vielfalt eine gute Sache ist und nicht einmal, weil Vielfalt zu besseren Entscheidungen und wirksameren Strategien führt, sondern auch, weil Schwarze Menschen deutlich mehr über den Klimawandel besorgt sind als Weiße (57 Prozent gegenüber 49 Prozent) und Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln sind sogar noch besorgter (70 Prozent).“

Rassismus in der Umweltbewegung ist kein rein amerikanisches Problem. Die Klimaaktivistin Tonny Nowshin sah sich dieses Jahr in Deutschland aufgrund von Rassismus ausgegrenzt. Als die in Bangladesch aufgewachsene Wirtschaftswissenschaftlerin im Mai an den Protesten gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4 teilnahm, wunderte sie sich darüber, dass sie im Anschluss auf keinem der von Greenpeace veröffentlichten Fotos von der Aktion zu sehen war. „Alle, die dabei waren, waren abgebildet. Nur ich nicht. In einer Szene hatte ich sogar direkt neben Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer gestanden – aber das Foto hörte neben ihr auf“, schreibt sie in einem Gastbeitrag in dem Onlinemagazin Klimareporter und in der Taz. Ihre Anschuldigungen wiegen schwer: „Ich werde in der Klima-Szene geduldet, solange ich sie mir nicht so zu eigen mache wie die weißen Aktivist:innen. Als BIPoC – also Schwarze, Indigene und People of Colour – sind wir nur willkommen, wenn wir die Vorzeige-Betroffenen spielen.“

Ähnliches hatte auch die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate letztes Jahr erlebt. Bei einer Pressekonferenz in Davos war sie mit vier anderen – weißen – Klimaaktivistinnen erschienen. Auf einem von der Presseagentur AP veröffentlichten Foto waren aber nur ihre weißen Kolleginnen zu sehen, sie selbst war abgeschnitten worden. „Als ich das Foto sah, sah ich nur einen Teil meiner Jacke. Ich stand nicht auf der Teilnehmerliste. Keiner meiner Kommentare von der Pressekonferenz war enthalten", sagte Nakate nach dem Vorfall der britischen Zeitung The Guardian. „Es war, als wäre ich gar nicht da gewesen.“ Nach einem Sturm der Entrüstung entschuldigte sich die Presseagentur bei Nakate und veröffentlichte die Original-Version des Fotos.

© AP Photo / Markus SchreiberDie Klimaaktivistinnen Vanessa Nakate, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson and Loukina Tille gaben diesen Januar zusammen eine Pressekonferenz beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Presseagentur AP verbreitete dieses Foto – allerdings schnitt sie Vanessa Nakate ganz links ab
© AP Photo / Markus Schreiber

Die Klimaaktivistinnen Vanessa Nakate, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson and Loukina Tille gaben diesen Januar zusammen eine Pressekonferenz beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Presseagentur AP verbreitete dieses Foto – allerdings schnitt sie Vanessa Nakate ganz links ab

Und auch Greenpeace entschuldigte sich bei Tonny Nowshin: „Indem wir uns hier selber in den Fokus gestellt haben, wurde Tonny Nowshin als einzige nicht-weiße Sprecherin und Teilnehmerin der Aktion unsichtbar gemacht“, teilt die Umweltorganisation mit. „Wir sind dankbar, dass Tonny Nowshin uns auf unseren Fehler aufmerksam gemacht hat. Wir sind dankbar, dass sie uns als vornehmlich weiße Menschen damit schonungslos vor Augen führt, dass auch wir nicht frei von unbewussten Rassismen sind.“

Auch in Deutschland leiden von Rassismus betroffene Menschen stärker unter den Folgen von Umweltverschmutzung, als weiße Menschen. Laut dem Umweltbundesamt sind Menschen mit niedrigerem Sozialstatus und Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von verkehrsbedingten Gesundheitsbelastungen wie Lärm und Luftschadstoffen betroffen und haben weniger Zugang zu städtischen Grünflächen. Das Umweltbundesamt gibt einen Ausblick: „Umweltgerechtigkeit wird aufgrund der zunehmenden sozialen Polarisierung in Deutschland eine immer größere Bedeutung erlangen – auch vor dem Hintergrund des Klimawandels.“ Und Greenpeace ist gewillt zu lernen: „Für Greenpeace kann die Rettung des Planeten nur gelingen, wenn wir uns nicht nur vehement für den Schutz des Klimas und der Arten einsetzen, sondern auch gegen Gewalt, Rassismus und menschenverachtendes Denken und Handeln.“