Vielen Menschen ist im Lockdown der Wert einer intakten Natur bewusster geworden – und die Bedeutung der Wissenschaft. Wir sollten uns die positiven Nebeneffekte der Krise bewahren, meint Wolfgang Hassenstein
Die vergangenen Monate waren auch dadurch geprägt, dass es draußen fast immer schön war, was den Lockdown deutlich erträglicher machte. Vor allem Gartenbesitzer waren gut dran: Viele nutzten die Zeit, um ihre ergrünenden Refugien noch hingebungsvoller zu beackern als in anderen Jahren und wurden mit einer noch reicheren Blütenpracht belohnt.
In der leiser und gefühlt auch kleiner gewordenen Welt erfreut uns offenbar gerade das Nebensächliche, etwa Tierbeobachtungen. Ich habe in unserem Großstadtvorgarten mithilfe eines hervorgekramten Bestimmungsbuches die „Rotpelzige Sandbiene“ identifiziert, eine Schönheit, die ihrem Namen alle Ehre macht.
Viele Menschen, so mein Eindruck, sind in der Krise empfindsamer geworden und empfänglicher, auch dafür, wie sehr wir die Natur eigentlich brauchen. Vielleicht erklärt das auch, weshalb die Nachrichten von Tieren so beliebt waren, die in der Ruhe der Lockdowns verlorene Areale zurückeroberten: Gänse beim Citybummel, Finnwale vor Marseille, Kojoten in San Francisco. Das wirkte nicht bedrohlich, sondern tröstlich.
Etwas Bedrohliches lag dagegen im meteorologisch so angenehmen Frühling, denn schon wieder wurden Rekorde gebrochen: Laut Deutschem Wetterdienst war der April „sehr mild, extrem trocken und der sonnenscheinreichste seit 1951“. Land- und Forstwirte fürchten nun ein drittes Dürrejahr in Folge und bangen um Ernten, Tierbestände, Bäume.
Es ist ein Bangen auf hohem Niveau. Wir neigen in Coronazeiten dazu, kleinräumiger und kurzfristiger zu denken – Nachrichten jenseits der Frage, wann ein Impfstoff entwickelt sein könnte, dringen kaum durch. So fand auch eine Studie von Anfang Mai in Deutschland keine Beachtung, die mit drastischen Zahlen in Erinnerung rief, dass die größte Gefahr für unsere Spezies wohl nicht von einem Virus ausgeht.