Der CO2-Ausstoß ist in Deutschland und Europa bereits kräftig gesunken, bevor das Coronavirus die Wirtschaft lahmlegte. Das sollte Mut machen für die Zeit danach, findet Wolfgang Hassenstein

Es ist in den vergangenen Wochen viel über Lichtblicke berichtet worden, welche die Coronakrise der Umwelt beschert: saubere Luft über Peking, klares Wasser in den Kanälen von Venedig, weniger Fluglärm am Himmel über Frankfurt. Und entgegen allen Erwartungen wird Deutschland nun sein Klimaschutzziel für 2020 doch noch erreichen. Nur: Keiner jubelt.

Denn das wäre nicht nur zynisch, es wäre auch falsch, wie Experten sogleich erklärten. Der Blick auf Dellen in der Emissionskurve während vergangener Wirtschaftskrisen zeigt nämlich, dass diese danach stets rasch wieder mehr als ausgeglichen wurden – durch noch mehr Industrieproduktion und noch mehr Verkehr. „Einmaleffekte“ haben keine positive Langzeitwirkung, im Gegenteil: In Krisen gehen die Investitionen dramatisch zurück, auch solche in den ökologischen Umbau der Energie- und Verkehrssysteme. Solange Corona-Hilfen der Bundesregierung nicht an einen „Green Deal“ geknüpft sind, zementieren sie bestehende Verhältnisse. Dabei wäre so ein grüner Marshallplan, wie ihn auch Greenpeace fordert, eine Riesenchance.

Schon jetzt hat das Virus die politische Entscheidungsfreude mobilisiert. Im September noch erklärte Angela Merkel zum „Klimapaket“, Politik unterscheide sich von Wissenschaft. Politik sei das, „was möglich ist“. Im März dann verkündete dieselbe Kanzlerin in Sachen Corona „Maßnahmen, die es in unserem Lande so noch nicht gegeben hat“. Der Maßstab sei, „was uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Thema sagen“. Den Rat der Wissenschaft beherzigen, um Leben zu retten? Warum sollte sich das nicht auch anwenden lassen auf die auf lange Sicht noch größere Menschheitskrise? Auf Klima und Corona?

Die gute Nachricht ist, dass die Emissionen schon vor der Pandemie gesunken sind – und zwar im Rekordtempo. Laut einer Auswertung der Denkfabrik Agora Energiewende ging der CO2-Ausstoß im europäischen Stromsektor 2019 gegenüber dem Vorjahr um 120 Millionen Tonnen zurück – ein Minus von satten zwölf Prozent. Grund dafür sei der gestiegene CO2-Preis im Emissionshandel gewesen, erklären die Experten, und ein starker Zubau bei den Erneuerbaren.

Zuweilen hilft auch die Natur mit: Die vielen Winterstürme haben bewirkt, dass Deutschlands Kohlemeiler wochenlang auf Sparflamme liefen. Bis Mitte März lieferten die Erneuerbaren bundesweit 52 Prozent des Stroms – so wurden mal eben zusätzlich 15 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Applaus!

Ich finde es wichtig, sich solche Erfolge bewusst zu machen. Klimaschutz wirkt. Klar ist aber auch, dass das bisher Erreichte noch lange nicht genügt.

Derzeit ist bekanntlich der Ausbau der Windkraft zum Stillstand gekommen, die Frage ist also, wie es weitergehen soll.

Passend dazu hat das Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme jüngst ausgerechnet, dass viele Wege zur Klimaneutralität bis 2050 führen. Ein „Szenario Inakzeptanz“ etwa zeigt, dass es auch mit weniger Windkraft und dafür mehr Fotovoltaik klappen kann. Wird dann aber teurer.

Sympathischer ist mir das „Szenario Suffizienz“: Hier nehmen die Forscher an, dass in weiten Teilen der Gesellschaft ein Wertewandel einsetzt, der zu Verhaltensänderungen und sinkendem Energiekonsum führt. Das wäre billiger – und passt vielleicht besser in die Zeit. So hat die Coronakrise, so schlimm sie ist, ja bereits einen Radfahrboom ausgelöst. Möge er anhalten.