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(KORR-Bericht - Wiederholung vom 29.5. - Zum Internationalen Tag der Umwelt am 5. Juni) Klimawandel in Afrika - Aktivisten kämpfen um Aufmerksamkeit Von Gioia Forster, dpa

Afrika trägt nur geringfügig zum Klimawandel bei - leidet aber
unverhältnismäßig stark unter den Folgen. Aktivistinnen wie
die Uganderin Vanessa Nakate finden, dass der Kontinent nicht genug
Beachtung findet. Sollte er aber - gerade in der Corona-Krise.

Kampala (dpa) - «In der Schule wird der Klimawandel unterrichtet als
etwas, das in der Zukunft passieren wird», sagt Vanessa Nakate. «Und,
dass man sich darum keine Sorgen machen muss.» Doch dann hat die
23-Jährige angefangen, sich in ihrer Heimat Uganda umzuschauen. «Ich
merkte, dass die Folgen jetzt schon in meinem Land zu spüren sind.»

Nakate wird oft mit Greta Thunberg verglichen. Sie ist eine der
bekanntesten jungen Klimaaktivisten und -aktivistinnen in Afrika. Vor
mehr als einem Jahr hat sie Thunbergs Klimabewegung Fridays for
Future erstmals in ihrer Heimat umgesetzt; im Corona-Lockdown macht
sie nun in den sozialen Netzwerken weiter. Doch Nakate kämpft nicht
nur gegen den Klimawandel, sondern auch um mehr Aufmerksamkeit für
den Kontinent, der am meisten unter den Folgen leidet - und für mehr
Beachtung auf der globalen Bühne des Klimaaktivismus.

Afrika hat bislang nur etwa drei Prozent zum globalen CO2-Ausstoß
beigetragen. Doch die Zukunft sieht unverhältnismäßig düster
aus: «Kein Kontinent wird so stark unter den Folgen von Klimawandel
leiden wie Afrika», heißt es vom UN-Umweltprogramm (UNEP). In Afrika
werden die Temperaturen Prognosen zufolge stärker ansteigen als in
anderen Regionen der Welt. Dürren, Überschwemmungen und Zyklone
könnten sich verstärken. Sollten die globalen Temperaturen um zwei
Grad steigen, werden laut UNEP mehr als die Hälfte der Menschen
Afrikas von Unterernährung bedroht sein.

Auch die wirtschaftlichen Folgen werden enorm sein. In den
vergangenen 30 Jahren haben die meisten afrikanischen Länder wegen
der Klimaveränderungen bereits jährlich 10 bis 15 Prozent an Wachstum
des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts verloren, wie eine Studie unter
anderem des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt.
Länder, in denen Landwirtschaft eine große Rolle spielt, leiden
demnach bereits wirtschaftlich am meisten und werden es auch in der
Zukunft tun. «Die meisten der afrikanischen Volkswirtschaften sind
schlecht an ihre derzeitigen Klimabedingungen angepasst», heißt es.

Trotzdem ist es schwer, für ihren Kampf Beachtung zu bekommen, sagt
Nakate - vor allem dort, wo der Diskurs um den Klimawandel am
lautesten ist, in Europa und Nordamerika. Internationale Medien sind
erst durch ein schlecht zugeschnittenes Foto auf die 23-Jährige
aufmerksam geworden. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar
hatte die US-Nachrichtenagentur AP Nakate aus einem Bild mit Thunberg
und anderen europäischen Aktivistinnen entfernt. Dagegen hatte sich
die Uganderin ausgesprochen und viel Zuspruch bekommen. Doch der Hype
- und das Interesse an ihrem Aktivismus - ist seitdem wieder
abgeebbt.

In der Heimat haben es Nakate und ihre Mitstreiter nicht einfacher.
Die Herausforderungen sind zwar groß, das Wissen um den Klimawandel
aber gering. «Die Menschen haben so viele andere Probleme», sagt
Happy Khambule, ein Experte für Klima- und Energiepolitik bei
Greenpeace. Und noch verstünden die meisten nicht die Verbindung
zwischen den Klimaveränderungen und ihren täglichen Problemen wie dem
Mangel an Zugang zu sauberem Wasser oder der Heuschrecken-Plage in
Ostafrika, die durch extrem viel Regen verstärkt wurde.

Obwohl afrikanische Länder wenig zum globalen CO2-Ausstoß beitragen,
fordert Khambule mehr Handlung von den Regierungen auf dem Kontinent.
Der Klimawandel sei wie Covid-19: Ein Problem, das nicht vermieden
werden könne. «Die Länder müssen reagieren und sie müssen hart sein»
- weg von Industrien, die auf fossilen Brennstoffen beruhen; stärkere
Maßnahmen, um die Bevölkerungen gegen die Klimawandel-Folgen zu
wappnen. Aus Sicht von Khambule und Nakate ist die Corona-Krise eine
einmalige Gelegenheit für dieses Umdenken.

Doch das muss auch in der Bevölkerung passieren. «Im globalen Norden
gibt es ein gewisses Privileg», sagt Nakate. Die meisten Menschen
wüssten, was der Klimawandel ist; die Klima-Botschat von Thunberg und
Co. treffe dort auf fruchtbaren Boden. Nakate trifft nach eigenen
Angaben oft auf Widerstand, wenn sie mit Menschen in ihrer Heimat
Uganda redet. «Warum kümmerst du dich nicht um andere Probleme?»,
bekomme sie etwa zu hören. Deswegen geht es Nakate mit kleinen
Schritten an: Sie geht in Schulen und spricht mit der jüngeren
Generation. Sie setzt sich für Solaranlagen und energieeffiziente
Öfen ein. Sie organisiert in ihrem Heimatort Aufräumaktionen und
redet dabei mit Menschen. «Wir nutzen eine Sprache, die den Menschen
zu verstehen gibt, dass wir in einer Krise stecken.»

Khambule glaubt daher, dass das Greta-Modell des Klimaaktivismus in
Afrika nicht unbedingt funktionieren würde. «Eine Bewegung rund um
einen Personenkult würde sich hier schwer tun», sagt der
Greenpeace-Experte. Die Probleme der Menschen seien zu
unterschiedlich, als dass eine große Botschaft Wirkung haben würde.
«Der Aktivismus hier hat einen eigenen Ansatz»: keine Massenproteste
oder Reden vor einem Millionenpublikum; dafür gezielte Kampagnen, die
die akuten Probleme der Menschen ansprechen. Vielleicht braucht
Afrika also gar keine Greta, sondern viele, viele Vanessas.

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