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Entsetzen nach Blutbad bei Feiertags-Parade in den USA Von Magdalena Tröndle, Denis Düttmann und Can Merey, dpa

Kein Tag vergeht ohne Waffengewalt in den USA. Nun hat ein Schütze bei einer Parade anlässlich des Nationalfeiertages scheinbar wahllos in eine Menschenmenge geschossen. Präsident Biden spricht von einer «Epidemie der Waffengewalt» - ändern dürfte das wenig.

Chicago (dpa) - Trauer und Fassungslosigkeit nach den tödlichen Schüssen bei einer Parade zum Unabhängigkeitstag in einem Vorort von Chicago: Ausgerechnet am Nationalfeiertag in den USA hat ein Schütze in Highland Park im Bundesstaat Illinois das Feuer auf friedlich Feiernde eröffnet, mindestens sechs Menschen getötet und viele verletzt. Stunden nach der Tat wird ein junger Mann am Montagabend (Ortszeit) festgenommen, sein Motiv gibt den Ermittlern noch Rätsel auf. Die Gewalttat dürfte die ohnehin hitzige Debatte um schärfere Waffengesetze weiter befeuern.

US-Präsident Joe Biden zeigte sich «schockiert über die sinnlose Waffengewalt, die an diesem Unabhängigkeitstag wieder einmal Trauer über eine amerikanische Gemeinde gebracht hat». In seiner Mitteilung hieß es: «Ich werde den Kampf gegen die Epidemie der Waffengewalt nicht aufgeben.» Biden und seine Demokraten fordern seit langem schärfere Waffengesetze. Weitreichende Reformen scheitern aber immer wieder am Widerstand der Republikaner im Kongress und am Einfluss der mächtigen Waffenlobby-Organisation NRA.

Mit einem laut Polizei «leistungsstarken Gewehr» soll der 21 Jahre alte Mann in Highland Park vom Dach eines Geschäftsgebäudes scheinbar wahllos auf die Menschenmenge geschossen haben. Nach Informationen der Polizei vom Dienstag hatte der mutmaßliche Täter die Waffe zuvor legal in Illinois gekauft. Er habe bei der Tat rund 70 Schüsse abgegeben und sein Vorgehen wochenlang geplant, hieß es. «Es sah aus wie ein Schlachtfeld», schilderte eine Augenzeugin dem Fernsehsender CNN. Dem Direktor des nahe gelegenen Krankenhauses in Highland Park zufolge seien dort 25 Patienten im Alter von acht bis 85 Jahren mit Schusswunden behandelt worden.

«Wenn ihr heute wütend seid, sage ich euch: Seid wütend», sagte der demokratische Gouverneur von Illinois, Jay Robert Pritzker. «Ich bin wütend, dass noch mehr unschuldige Menschen durch Waffengewalt getötet wurden. Ich bin wütend, dass ihre Angehörigen durch das, was heute geschehen ist, für immer gebrochen sind, ich bin wütend, dass Kinder und ihre Familien traumatisiert wurden. Während wir den 4. Juli nur einmal im Jahr feiern, sind Amokläufe zu einer wöchentlichen - ja, wöchentlichen - amerikanischen Tradition geworden.»

Die USA haben seit langem mit einem gigantischen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Bluttaten dieser Größenordnung gehören in den USA zur traurigen Normalität. Die Nichtregierungsorganisation Gun Violence Archive registrierte seit Anfang des Jahres bislang 313 Angriffe mit Schusswaffen mit vier oder mehr Opfern. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 landesweit fast 20 000 Menschen erschossen - mehr als 50 pro Tag. In den USA sind Schusswaffen oft leicht erhältlich.

Erst Ende Mai richtete ein 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in Texas ein Massaker an: Er tötete in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und 2 Lehrerinnen, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger in Buffalo im Bundesstaat New York zehn Menschen erschossen, die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus.

«Wir müssen mehr dafür tun, damit unsere Städte und Gemeinden sicher sind. Wir müssen Sturmgewehre und Magazine mit hoher Kapazität los werden», sagte die demokratische Senatorin für Illinois, Tammy Duckworth, nach der Tat in Highland Park. «Das letzte Mal, dass ich an einem 4. Juli eine so leistungsstarke Waffe so schnell schießen hörte, war im Irak», sagte Duckworth, die selbst als Hubschrauberpilotin im Irakkrieg schwer verwundet wurde.

Im vergangenen Monat beschloss der Kongress unter dem Eindruck der Amokläufe von Texas und anderer Bluttaten parteiübergreifend ein Gesetz gegen Schusswaffengewalt, das aber weit hinter Bidens Reformvorschlägen zurückblieb. Experten werteten die Verschärfung des Waffenrechts zwar als die wichtigste seit Mitte der 1990er. Das Gesetz ist inhaltlich allerdings nur ein überparteilicher Minimalkompromiss, den Kritiker als völlig unzureichend rügen.

Das von Biden Ende vergangenen Monats unterzeichnete Gesetz sieht eine intensivere Überprüfung von Waffenkäufern vor, die jünger als 21 Jahre sind. Zudem geht es darum, Gesetze aus Bundesstaaten auszuweiten, um potenziellen Gefährdern Waffen abnehmen zu können. Illegaler Waffenhandel soll auf Bundesebene bestraft werden können. Zudem sollen Milliarden in psychische Gesundheitsvorsorge und Anti-Gewalt-Programme fließen. Auch für die Sicherheit von Schulen sind weitere Mittel vorgesehen. Das von Biden und seinen Demokraten geforderte Verbot von Sturmgewehren fehlt in dem Gesetz.