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(Zusammenfassung 1930) US-Proteste nach Floyds Tod dauern an - Demonstrationen in Washington (Foto - aktuell)

Der brutale Tod von George Floyd wird für immer Teil der
US-Geschichte sein. Sein Schicksal hat viele Menschen berührt, die
nicht einfach wieder zum Alltag zurückkehren wollen. Sie gehen
massenhaft auf die Straßen - und fordern Veränderung.

Washington (dpa) - Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei
einem brutalen Polizeieinsatz reißen die Massenproteste gegen
Rassismus und Polizeigewalt in den USA nicht ab. In der Hauptstadt
Washington erwartete die Polizei am Samstag Demonstrationen unter
anderem vor dem Weißen Haus, vor dem Kapitol und am Lincoln Memorial.
Washingtons Polizeichef Peter Newsham sagte, die Proteste könnten zu
den größten zählen, die er bislang gesehen habe. Am Mittag (Ortszeit)
versammelten sich bereits zahlreiche Menschen friedlich. Auch in
anderen US-Städten wie New York und Philadelphia kam es wieder zu
Demonstrationen, wie auf Fernsehbildern zu sehen war.

«Während wir uns Gehör verschaffen, passen Sie bitte weiterhin
aufeinander auf», schrieb Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser
auf Twitter. Auch viele Kinder würden demonstrieren. Bowser hatte
einen Ort vor dem Weißen Haus am Freitag offiziell als «Black Lives
Matter»-Platz benannt. Auf eine dorthin führende Straße ließ Bowser
in riesigen gelben Lettern ebenfalls «Black Lives Matter» pinseln -
auf Deutsch in etwa: «Die Leben Schwarzer sind wichtig». An zwei
Gebäuden ließ die Bürgermeisterin Leuchttafeln mit derselben
Aufschrift anbringen.

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte am Montagabend an
dem nun neu benannten Platz Proteste gewaltsam auflösen lassen.
Zeitgleich hatte Trump im Weißen Haus eine Ansprache gehalten, in der
er mit dem Einsatz des Militärs wegen der landesweiten Proteste
drohte, die zum Teil in Ausschreitungen ausgeartet waren. Unmittelbar
danach war Trump für einen Fototermin zu einer nahe gelegenen Kirche
gegangen und hatte dort mit einer Bibel in der Hand für die Kameras
posiert. Trumps Vorgehen war auf scharfe Kritik gestoßen.

Trump hat Floyds Tod bei dem brutalen Einsatz in Minneapolis im
Bundesstaat Minnesota am Montag vergangener Woche mehrfach scharf
verurteilt und das Recht auf friedliche Proteste betont. Ihm wird
jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren
und nicht genug Verständnis zu zeigen für den Zorn über
Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land.

Ausschreitungen und Plünderungen im Zuge der Proteste haben
inzwischen deutlich nachgelassen. Die Hauptstadt Washington hat sich
zu einem Zentrum der Proteste entwickelt - auch weil sich ein Teil
der Wut gegen Trump richtet. In Raeford im Bundesstaat North Carolina
- in der Nähe von Floyds Geburtsort Fayetteville - fand am Samstag
eine Gedenkveranstaltung statt, zu der Zehntausende Menschen erwartet
worden waren. An diesem Dienstag soll Floyd im texanischen Houston
beerdigt werden, wo er aufgewachsen war.

Floyd war bei einer Festnahme in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota
gestorben. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun
Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt -
trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen. Der Beamte
und drei weitere beteiligte Polizisten wurden nach Bekanntwerden des
Vorfalls entlassen. Sie wurden inzwischen festgenommen und angeklagt.
Floyd war wegen des Verdachts, in einem Laden mit einem falschen
20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden.

Floyds Tod hat das Land erschüttert und zu Veränderungen in vielen
Bereichen geführt. Die Stadt Minneapolis kündigte umfassende
Polizeireformen an. Künftig dürften Beamte keine Würgegriffe mehr
anwenden und Verdächtige nicht am Nacken festhalten, erklärte
Bürgermeister Jacob Frey. Zudem müssten alle Polizeibeamte, die
Zeugen einer «ungenehmigten Gewaltanwendung» ihrer Kollegen würden,
dies unter Strafandrohung melden. Die mit dem Bundesstaat Minnesota
juristisch bindend vereinbarten Reformen seien ein guter Schritt, um
die Kultur der Polizei zu ändern und «systematischen Rassismus zu
entwurzeln», schrieb Frey auf Twitter.

Auch im bevölkerungsreichen Westküstenstaat Kalifornien soll ein
Würgegriff, bei dem die Blutzufuhr zum Gehirn unterbunden wird,
künftig verboten werden. Gouverneur Gavin Newsom erklärte am Freitag,
die Methode werde aus dem Trainingsprogramm für Polizeibeamte
gestrichen, zudem solle auch eine gesetzliche Regelung folgen. Auch
der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, stellte am
Freitag einen Gesetzentwurf vor, der unter anderem den Würgegriff bei
Polizeieinsätzen verbieten soll. Zudem sollen Akten zu früherem
Fehlverhalten von Polizisten transparent einsichtlich gemacht werden.

In New York kündigte Manhattans Staatsanwalt Cy Vance an,
Demonstranten nicht wegen Verstößen gegen die nächtliche
Ausgangssperre zu belangen. «Die strafrechtliche Verfolgung von
Demonstranten, denen diese geringfügigen Delikte vorgeworfen werden,
untergräbt die wichtigen Verbindungen zwischen den
Strafverfolgungsbehörden und den Gemeinschaften, denen wir dienen»,
hieß es in einer Mitteilung.

In der Millionenmetropole hatten zuletzt immer wieder Tausende
Menschen weitestgehend friedlich demonstriert. New York, Atlanta, Los
Angeles, Washington, Minneapolis und andere Städte hatten nach
Ausschreitungen am Rande der Proteste zeitweise Ausgangssperren
verhängt. In Washington zum Beispiel war die Polizei angewiesen
worden, friedliche Demonstranten trotz Ausgangssperre nicht
festzunehmen. Bowser hat die Ausgangssperre inzwischen wieder
aufgehoben, weil die jüngsten Proteste friedlich verliefen.

Der Tod Floyds hat nach Ansicht des früheren US-Präsidenten Barack
Obama eine «ehrliche» Debatte über Rassismus in den USA ausgelöst.
Die von Floyds Tod ausgelöste Bewegung sei «inspirierend», sagte der
58-jährige Ex-Präsident in einem Videochat. «Es hat in der
vergangenen Woche in diesem Land so viel ehrliche Gespräche zum Thema
Rassismus gegeben wie nie zuvor in der Zeit, an die ich mich erinnern
kann», sagte Obama. Nicht nur von Seiten einer Minderheit, sondern
von «einem großen Teil des Landes». Obama, der erste schwarze
US-Präsident, hatte sich zuletzt nur sehr selten zu aktuellen
politischen Themen geäußert. Seit Floyds Tod hat er aber bereits
mehrfach über Rassismus gesprochen.

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