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Seehofer dringt auf mehr Beteiligung der EU-Staaten bei Seenotrettung

Seenotrettung bedeutet in Europa schon seit langem eine Hängepartie nach der anderen. Mitunter müssen die Migranten wochenlang auf den Schiffen ausharren, ehe sie an Land dürfen. Innenminister Seehofer will während des deutschen EU-Ratsvorsitzes für neuen Schwung sorgen.

Berlin (dpa) - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nimmt die EU-Staaten bei der Seenotrettung in die Pflicht. «Vor dem Hintergrund des zu erwartenden Anstiegs der Abfahrten über den Sommer brauchen wir in den kommenden Wochen eine breite Beteiligung», heißt es in einem Papier seines Ministeriums, über das Seehofer am Dienstag bei einer Videokonferenz mit seinen EU-Kollegen beraten will, und das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Man rufe die EU-Staaten dazu auf, «die Mittelmeeranrainer im Umgang mit Ausschiffungen nach Such- und Rettungseinsätzen zu unterstützen». Zugleich will Seehofer Anreize für Migranten vermeiden, sich auf den Weg nach Europa zu machen.

Die Situation auf dem Mittelmeer, «insbesondere die Lebensgefahr, in die sich diejenigen begeben, die versuchen, Europa illegal auf dem Seeweg zu erreichen, (erfüllt) uns mit großer Sorge», heißt es in dem Diskussionspapier, das Ende Juni an die anderen EU-Staaten geschickt wurde. Noch immer versuchten Schleuser, die Regeln der Seenotrettung für ihr «skrupelloses Geschäftsmodell» auszunutzen. Deutschland hat in den kommenden sechs Monaten den Vorsitz unter den EU-Staaten und kann damit auch die politische Tagesordnung beeinflussen.

Schon seit Jahren findet die EU keine Lösung für den Umgang mit aus Seenot geretteten Migranten. Mittelmeerländer wie Italien und Malta bitten die anderen Staaten immer wieder um Hilfe - meist erklären sich aber nur wenige Länder bereit, Menschen aufzunehmen. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie erklärten Italien und Malta, keine sicheren Häfen mehr für die Schiffe bieten zu können. Dennoch brechen immer wieder Migranten von Libyen und Tunesien in Richtung Europa auf.

Auf dem privaten Rettungsschiff «Ocean Viking» harrten zuletzt 180 Migranten aus. Die Organisation SOS Méditerranée forderte eigenen Angaben vom Donnerstag zufolge schon fünf Mal erfolglos einen sicheren Hafen für die Geretteten in Italien und Malta an.

Seehofer hatte sich im September vergangenen Jahres mit seinen Kollegen aus Malta, Italien und Frankreich im maltesischen Vittoriosa zwar auf eine Übergangslösung zur Verteilung von Bootsmigranten aus dem zentralen Mittelmeer geeinigt. Darüber hinaus beteiligten sich aber stets nur wenige Länder wie Luxemburg, Irland oder Portugal. Zudem ist die Regelung mittlerweile ausgelaufen.

In dem Papier betont das Innenministerium nun, es sei eine «europäische Aufgabe», «weitere Tote im Mittelmeer» zu verhindern und das «menschenverachtende Geschäft» der Schleuser zu beenden. Es nennt mehgrere Maßnahmen, um einen anziehenden Effekt auf Migranten zu vermeiden.

So solle mit Blick auf Menschenhandel oder illegale Migration enger mit der Polizei aus Herkunfts- und Transitstaaten zusammengearbeitet werden. Zudem müsse Europa mehr tun, um den «seeseitigen Außengrenzschutz» zu verstärken - «insbesondere zur Befähigung der Küstenwachen der nordafrikanischen Mittelmeeranrainer, damit diese ihrer Pflicht zur Seenotrettung in professioneller Weise unter Wahrung menschenrechtlicher Standards nachkommen kann».

Die EU unterstützt die libysche Küstenwache schon seit 2016, damit sich möglichst wenige Menschen auf den Weg nach Europa machen. Dabei gibt es schon lange Vorwürfe, die Küstenwache bringe Migranten auch aus internationalen Gewässern zurück nach Libyen und gehe hart gegen die Flüchtenden und Rettungsorganisationen vor. Seehofer will zudem, dass abgelehnte Schutzsuchende schneller zurück geschickt werden. Unter anderem sollten die EU-Länder gemeinsame Charterflüge organisieren und freiwillige Rückreisen fördern.

Am Ende des Papiers stellt Seehofer seinen Kollegen zwei Fragen: Zum einen möchte er wissen, welche Unterstützung sie sich zur Bekämpfung von Schleusern oder beim Außengrenzschutz vorstellen können. Zum anderen, unter welchen Voraussetzungen sie zur Unterstützung des Malta-Mechanismus - also zur Aufnahme Geretteter - bereit wären.

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