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Trendtier Huhn: Auch Städter wollen Eier von eigenem Federvieh Von Anja Sokolow, dpa

Frische Eier von den eigenen Hühnern - diesen Traum verwirklichen sich auch Großstädter immer öfter. Wer will, kann die Haltung auch erst einmal testen. Tierschützer sehen das kritisch.

Berlin (dpa) - Gackernde Hühner und krähende Hähne sind keine Seltenheit in Großstädten mehr. «Nach dem Urban Gardening kommt das Urban Livestock Farming», sagt Astrid Masson, Betriebsleiterin der Domäne Dahlem in Berlin mit Blick auf den Trend zu urbaner Nutztierhaltung. Es habe einen Generationenwechsel gegeben. «Viele jüngere Menschen ab 30 interessieren sich nun dafür.» Im Klischee sei eine Oma oder ein Opa Hühnerhalter, sagt der Präsident des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter, Christoph Günzel. «Mit dem Dioxinskandal vor etwa zehn Jahren ging es los. Und der Bio-Trend sorgt auch dafür, dass das Interesse an eigenen Hühnern steigt.»

Zu den Trend-Vorreitern gehört Vanessa Janßen aus Berlin-Rudow. In ihrem Garten scharren und picken seit Sommer 2019 sechs Hybridhennen, Kreuzungen verschiedener Rassen mit guter Legeleistung. Das Regiment führt ein Federfüßiger Zwerghahn. «Ich habe schon seit einigen Jahren daran gedacht, mir Hühner zuzulegen - als Verwerter für Essensreste und um eigene Eier zu haben», erzählt die 40-Jährige. Eine Freundin mit Hühnern habe sie schließlich ermutigt. Den Stall baute die gelernte Tierpflegerin und Ergotherapeutin selbst. «Seitdem wir die Hühner haben, brauchten wir für unsere fünfköpfige Familie keine Eier mehr kaufen und können auch immer wieder Eier verschenken.»

Auch im Internet tauschen sich inzwischen Zehntausende Hühnerfans bundesweit in sozialen Netzwerken über Ställe, Rassen und Futter aus oder posten Bilder ihrer gefiederten Freunde.

Hühner sind Experten zufolge als Einstieg in die Nutztierhaltung gut geeignet, aber man sollte sich vorher gut informieren. «Die Hühnerhaltung ist nicht unaufwendig. Einfach Tiere kaufen und mit ihnen in das Thema hineinwachsen ist nicht gerade tierfreundlich», sagt etwa Antje Feldmann, Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). Sie empfiehlt, sich bei Züchtervereinen oder in Seminaren und Büchern zu bilden.

Außerdem rät sie, mit den Nachbarn zu klären, ob sie mit dem tierischen Lärm leben können. Der sei längst nicht so akzeptiert wie der Lärm von Autos, Laubbläsern und Rasenmähern. Sie plädiert dafür, Hühner immer mit Hähnen zu halten. Alles andere sei nicht artgerecht. «Hähne geben eine Herdenstruktur vor und warnen die Hennen auch vor Gefahren, etwa durch Greifvögel aus der Luft.»

Wer erst einmal testen möchte, kann zunächst auch Hühner mieten. Anbieter aus verschiedenen Bundesländern sind zum Beispiel auf der Internetseite www.mieteeinhuhn.de zu finden.

Tierschützer sehen die Vermietung kritisch. «Tiere sind keine Gegenstände, die man ständig herumreichen kann, sie wollen eine gewisse Kontinuität», sagt Beate Kaminski vom Berliner Tierheim. Die Haltung in der Stadt sieht sie zwiegespalten. Es gebe viele Halter, die alles richtig machten. Doch es gebe auch andere: So habe das Tierheim erst vor kurzem Hühner aufgenommen, die jemand in Kartons auf einem Hochhausbalkon gehalten hatte. Die Tiere hatten sich im Stress gegenseitig verletzt.

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