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USA reduzieren Botschaftspräsenz in Kiew - EU-Außenminister beraten

Im Ukraine-Konflikt ist keine Entspannung in Sicht. Die USA reduzieren nun ihr Botschaftspersonal in Kiew auf freiwilliger Basis - und sprechen von einer Vorsichtsmaßnahme. Doch die Lage scheint ernst.

Washington (dpa) - Die US-Regierung verringert angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt mit Russland ihre Botschaftspräsenz in Kiew. Die freiwillige Ausreise nicht unmittelbar benötigter Beschäftigter wegen der anhaltenden Bedrohung durch russische Militäraktionen sei genehmigt worden, teilte das US-Außenministerium mit. Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten wurden aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. Einem Bericht der «New York Times» zufolge erwägt US-Präsident Joe Biden nun sogar die Entsendung von mehreren Tausend US-Soldaten zu Nato-Verbündeten im Baltikum und in Osteuropa. Über die jüngsten Entwicklungen in der Krise wollen die Außenminister der EU-Staaten sich mit ihrem US-Kollegen Antony Blinken an diesem Montag austauschen.

Es handle sich bei den Maßnahmen die US-Botschaft betreffend um «Vorsichtsmaßnahmen», sagte eine hochrangige Beamtin des US-Außenministeriums. Auf die Frage, warum diese Entscheidung ausgerechnet jetzt getroffen worden sei, verwies das Ministerium auf die Warnung des Weißen Hauses aus der vergangenen Woche, wonach es jederzeit zu einem Einmarsch Russlands in die Ukraine kommen könne. Die Ausreise des nicht vor Ort notwendigen Personals sei freiwillig. Familienangehörige seien jedoch dazu verpflichtet, das Land zu verlassen. Über den Schritt war bereits seit einigen Tagen spekuliert worden.

US-Präsident Joe Biden hatte sich über die Krise mit Moskau am Wochenende mit seinem Sicherheitsteam beraten. Der «New York Times» zufolge steht nun die Entsendung von US-Soldaten sowie von Kriegsschiffen und Flugzeugen zu Nato-Verbündeten im Raum. Die US-Regierung zeigte sich diesbezüglich zuletzt eher zurückhaltend. Die Zeitung berief sich auf mehrere nicht namentlich genannte Beamte. Aus dem Weißen Haus gab es für derartige Pläne zunächst keine Bestätigung. Zu den Optionen gehöre die Entsendung von 1000 bis 5000 Soldaten in osteuropäische Länder, mit der Möglichkeit, diese Zahl zu verzehnfachen, wenn sich die Lage verschlechtere, hieß es in dem Bericht. Eine Entscheidung werde noch in dieser Woche erwartet.

Auf die Frage, ob die USA US-Soldaten in die Ukraine im Falle einer Invasion schicken würden, reagierte US-Außenminister Blinken am Sonntag ausweichend. Die Nato selbst werde weiterhin in erheblichem Maße gestärkt werden, falls Russland erneute Aggressionen verübe, sagte er. Biden hatte eine Entsendung von US-Soldaten in die Ukraine zuvor ausgeschlossen. Die USA unterstützen die Ukraine mit militärischem Material. Aktuell sind dem Pentagon zufolge weniger als 200 Militärs der Nationalgarde von Florida in der Ukraine im Einsatz.

Nach den umstrittenen Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen deutschen Marine-Inspekteurs Kay-Achim Schönbach sah sich Blinken außerdem genötigt, Deutschland zu verteidigen. Er wurde in mehreren Interviews auf das Thema angesprochen. «Ich kann Ihnen sagen, dass die Deutschen unsere Besorgnis teilen und entschlossen sind, schnell, wirksam und geschlossen zu reagieren», sagte Blinken auf die Frage, ob die Bundesregierung zu zurückhaltend in der Krise sei. Der deutsche Vizeadmiral hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für Russlands Staatschef Wladimir Putin geäußert.

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte in der «Süddeutschen Zeitung», «dass es hohe Kosten haben würde für Russland, wenn es eine militärische Aggression gegen die Ukraine gibt». Auf Nachfrage, welche das sein könnten, sagte er: «Im Kreise der Verbündeten verständigen wir uns, wie mögliche Maßnahmen aussehen.» Die Bundesregierung hatte klar gemacht, dass bei einem russischen Einmarsch in die Ukraine alle Optionen auf dem Tisch liegen - auch Konsequenzen für die Gaspipeline Nord Stream 2.

Bei dem Treffen in Brüssel soll nun der Umgang mit als inakzeptabel erachteten Forderungen Russlands Thema sein. Zudem wird erwartet, dass Blinken über die Krisengespräche mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Genf berichtet. Nach Angaben des Auswärtigen Dienstes der EU wird sich Blinken per Videokonferenz zu einem physischen Treffen der europäischen Minister zuschalten. Für die Bundesregierung wird Außenministerin Annalena Baerbock erwartet.

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Erklärtes Ziel Russlands ist es etwa, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato, aber auch die EU lehnen diese Forderungen als inakzeptabel ab.

Die USA passten auch ihre Reisehinweise für die Ukraine und Russland an. Für beide Länder wurde bereits zuvor von Reisen abgeraten - es gilt weiterhin die höchste Gefahrenkategorie 4. Für die Ukraine warnt die US-Regierung nun konkret vor der zunehmenden Bedrohung durch russische Militäraktionen - zuvor war neben Corona vor den «zunehmenden Bedrohungen seitens Russlands» die Rede. Das Außenministerium machte deutlich, dass es im Falle eines Einmarsches Russlands keine Evakuierungsaktion geben werde - US-Bürgerinnen und -Bürger sollten sich nun um kommerzielle Flüge bemühen.

US-Außenminister Blinken bekräftigte, dass Russland versuche, die Ukraine zu destabilisieren, um die Regierung in Kiew zu stürzen. Dabei nahm er auch Bezug auf die Warnung aus London, wonach Russland angeblich massiv politischen Einfluss in der Ukraine nehme und eine pro-russische Führung in Kiew etablieren wolle. Derartiges Vorgehen sei Teil des russischen «Werkzeugkastens».

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