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VW setzt Produktion wegen Corona-Risiken aus - Kernmarke im Plus Von Jan Petermann, dpa und Marco Engemann, dpa-AFX

Der größte Autobauer der Welt bekommt nun auch in der Heimat die Coronavirus-Krise deutlich zu spüren: Volkswagen will die Fertigung in vielen Werken aufgrund der wachsenden Gefahr für die Belegschaft unterbrechen. Im vergangenen Jahr lief es noch gut für den Konzern. Wolfsburg (dpa) - Die Folgen der Coronavirus-Pandemie schlagen jetzt auch in Deutschland und Europa voll auf die Produktion von Volkswagen durch. Der weltgrößte Autokonzern muss nach Unterbrechungen in China auf dem Heimatmarkt ebenfalls die Fertigung in zahlreichen Werken wegen der Ausbreitung des neuen Erregers vorübergehend aussetzen. Mit den vorgelegten Zahlen für 2019 schnitt VW noch gut ab. An den allermeisten Standorten solle am Freitag (20. März) die letzte Schicht laufen, hieß es aus dem Betriebsrat in Wolfsburg. In den vergangenen Tagen hatte es auch in deutschen VW-Fabriken erste bestätigte Fälle von Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus gegeben, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann. Der Betriebsrat beriet in mehreren Krisensitzungen mit dem Vorstand über die Lage. Vorstandschef Herbert Diess sagte, es sei nun Priorität, Standorte abzuschalten, um die weitere Virusverbreitung einzudämmen. Man sei aktuell «in Diskussionen, wie wir beginnend in dieser Woche die Werke runterfahren». Es zeichne sich ab, dass die Fabriken in Deutschland und Europa für zwei bis drei Wochen pausieren müssen. Das Unternehmen gehe davon aus, dass man die kommende Zeit insbesondere in Deutschland aber mit Kurzarbeitergeld überbrücken könne. Hierzu hatte die Bundesregierung kürzlich Erleichterungen auf den Weg gebracht. Der Betriebsrat erklärte, bei den Gesprächen mit dem Vorstand sei es vor allem um die Lage im «direkten Bereich» gegangen, «wo auf den Montagelinien Schulter an Schulter an unseren Fahrzeugen gearbeitet wird». Das Robert-Koch-Institut empfehle etwa Mindestabstände, die an den Stationen aber oft nicht einzuhalten seien. «Wir dringen hier auf verbindliche Ansagen», hieß es in Richtung Management. Es gab heftige Kritik, viele Mitarbeiter würden nicht ausreichend informiert und beraten. Die Unterbrechung am Freitag komme zu spät. Es sei nicht einzusehen, warum Kollegen «ohne klare Worte aus dem Management für ein paar hundert Autos mehr eine Ansteckung riskieren sollen, die sie dann womöglich früher oder später nach Hause tragen». Diess betonte, es sei am wichtigsten, die Gesundheit und Sicherheit der Belegschaft sowie von deren Familien sicherzustellen: «Oberstes Ziel ist es, die Ausbreitung des Coronavirus so stark wie möglich zu verlangsamen.» Welche genauen Folgen der Schritt für das weltweit verzweigte Produktionsnetz der VW-Marken hat, war zunächst unklar. Für die Werke in den USA und Mexiko sieht das Management derzeit noch keine Konsequenzen. Der Konzernchef erklärte, viele Standorte richteten sich auf zwei Wochen Unterbrechung ein. Die deutschen VW-Standorte waren nach jüngsten Angaben bisher nur von relativ wenigen nachgewiesenen Sars-Cov-2-Infektionen betroffen. Am vergangenen Wochenende wurden Fälle in Baunatal bei Kassel sowie im Stammwerk Wolfsburg bekannt. Den betreffenden Beschäftigten soll es jüngsten Angaben zufolge gut gehen, sie sind in Quarantäne. VW hatte zuletzt etwa Hygiene- und Abstandsvorschriften verschärft, auch Kantinen sollten geschlossen werden. Dienstreisen wurden verboten, größere Versammlungen vertagt. Der größte deutsche Industriekonzern hat weltweit mehr als 670 000 Beschäftigte. Bisher waren die Lieferketten nach offiziellen Angaben nicht nennenswert unterbrochen oder gefährdet. Diess sagte, die Werke in Übersee seien «derzeit nicht in kritischem Zustand, da sehen wir das noch nicht». Der durch Software-Probleme verzögerte Start des Elektroautos ID.3 - wichtigstes Projekt von VW im laufenden Jahr - soll im Sommer nach wie vor stehen, trotz «temporärer Shutdowns». Auch bei einer Pause von drei Wochen sei die geplante Produktion von 100 000 Fahrzeugen in Zwickau möglich. In China hatten der Konzern zuletzt fast alle Standorte wieder ans Netz genommen. Laut Finanzvorstand Frank Witter sind die finanziellen Risiken der Viruskrise bisher nicht abschätzbar. Im ersten Quartal dürfte sich das operative Ergebnis aber gegenüber dem Vorjahreszeitraum wohl «mindestens halbieren». Im abgelaufenen Jahr konnte die VW-Kernmarke trotz konjunktureller Abkühlung in vielen Ländern noch einmal einen höheren Gewinn einfahren. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen stieg bei den VW-Pkw von 3,2 Milliarden Euro (2018) auf 3,8 Milliarden Euro (2019). Die Kosten zur Bewältigung der Dieselkrise blieben mit rund 1,9 Milliarden Euro ungefähr auf Vorjahresniveau. Für Porsche meldete der Konzern vor Sonderfaktoren ein leichtes Gewinnplus um 2,4 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Auch Skoda, Seat und Bentley sowie die Lkw-Töchter Scania und MAN verbesserten sich. Bei Audi sank der Betriebsgewinn dagegen von 4,7 auf 4,5 Milliarden Euro, bei den leichten Nutzfahrzeugen von 780 auf 510 Millionen Euro. Die weitere Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage stimmt VW eher pessimistisch. «2020 ist ein sehr schwieriges Jahr», meinte Diess. Auch die konjunkturelle Situation mache ihm Sorgen. «Durch die Bündelung unserer Kräfte, eine enge Zusammenarbeit und gute Moral im Konzern wird es uns gelingen, die Corona-Krise zu bewältigen.» Für den Gesamtkonzern waren die Eckdaten bereits bekannt. Demnach konnte die VW-Gruppe 2019 ihren Gewinn unterm Strich um 12,8 Prozent auf 13,3 Milliarden Euro steigern. Der Umsatz legte um 7,1 Prozent auf 252,6 Milliarden Euro zu. Gründe sind etwa starke SUV-Verkäufe, Spareffekte und sinkende Kosten zur Bewältigung der Abgaskrise.