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Zwischen Idylle mit braunem Image - Arte-Doku über Bautzen

Bautzen ist mehr als 1000 Jahre alt. Seit Attacken auf Flüchtlinge und AfD-Wahlerfolgen fühlt die sächsische Kleinstadt ein Stigma. Ein Arte-Team ist in einem Wahljahr in die Gesellschaft eingetaucht.

Bautzen/Berlin (dpa) - «Bautzen - Wir müssen reden.» Mit Bildern von einem Bürgerforum zur Kommunalwahl 2019 beginnt eine zehnteilige Arte-Dokureihe über die beschauliche ostsächsische Kleinstadt, die ab kommenden Montag (19.40 Uhr) ausgestrahlt wird. Es müsse gelingen, wie in einer Demokratie auch andere Positionen auszuhalten und sich sachlich damit auseinander zu setzen, «ohne das Gegenüber persönlich zu verunglimpfen», wirbt Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) in der vollen Maria-und-Martha-Kirche um gegenseitige Toleranz.

Und mit seinem nächsten Satz wird klar, was die Filmemacher in den äußersten Osten Deutschlands lockt: Viele Menschen hätten das Gefühl, dass Stadt und Region «mit einem fast schon leichtfertig vergebenen Etikett» versehen werden, was dem Lebensgefühl «hier kein bisschen entspricht». Es geht um die Stigmatisierung als rechte Hochburg und «braunes Nest». Für Arte ist Bautzen in der sorbischen Lausitz ein Beispiel für die gesellschaftlichen Verwerfungen, wie sie in ganz Europa zu beobachten sind.

Das Team um die Regisseure Anne-Sophie Jakubetz und Mathias von der Heide hat in der Stadt an der Spree ein halbes Jahr Alltag und Debatten bis zur Landtagswahl beobachtet: Politiker und Bürger, gebürtige und Wahl-Bautzner, Sorben und Ausländer. Sie ist für einen Ägypter gleichermaßen Zuhause wie für «Ostsachsen.TV»-Eigentümer David Vandeven aus Hessen oder die Kinder der syrischen Lehrerin Ruba Osman, die Flüchtlingen Nachhilfe in Deutsch gibt. «Für sie ist Bautzen die Heimat, die können sich fast nicht an Syrien erinnern», sagt der Vater.

Die Alleinerziehende Nancy, die mit Flüchtlingsfrauen ehrenamtlich ein Café im schon zu DDR-Zeiten ungeliebten Plattenbauviertel Gesundbrunnen betreibt, ärgert sich beim Backen über ihre Mutter. Die wählt AfD, damit CDU und SPD «mal einen Dämpfer kriegen». In Social Media und Öffentlichkeit geraten Blogger wie Stadtführer Andreas Thronicker und die Grünen-Lokalpolitikerin Annalena Schmidt, die sich gegen Rechts engagiert, immer wieder aneinander.

Die städtische Gleichstellungsbeauftragte Andrea Spee-Keller will, dass die Menschen miteinander reden statt Kränkungen zu kultivieren. Auch Abiturient Richard Juros kritisiert beim Stammtisch des Bürgerbündnisses, für das sein Vater kandidiert, die provozierende Wortwahl. «Hier reden alle nur übers Image und keiner über Kommunalpolitik.» Nancy war schon mal weg - und ist zurückgekommen in ihre Heimat. Sie will, dass ihre Kinder dort aufwachsen. «Hier bin ich zu Hause, das ist meine Stadt.»

Immer wieder fängt die Kamera zwischendrin auch die Schönheit des mehr als tausendjährigen Bautzen mit seinen Türmen, der Burg und den engen Gassen ein. In die Schlagzeilen geriet die Stadt 2016 nach dem Brand in einer geplanten Asylbewerberunterkunft und, wenige Monate später, nach Auseinandersetzungen zwischen jungen Geflüchteten und einheimischen Jugendlichen auf dem Kornmarkt - Ahrens spricht von «Menschenjagdszenen».

Arte zeigt die Grautöne statt Schwarz-Weiß. «Es ist nicht so, als gäbe es überhaupt kein Thema mit Neofaschismus», sagt Regisseur von der Heide. Beeindruckt habe die Filmemacher die sehr rege Diskussionskultur der Bürger. «Das fand ich sehr verblüffend, da könnte sich die eine oder andere Stadt auch im Westen eine Scheibe abschneiden.» Auch wenn dabei durchscheint, dass die Erfahrungen mit der DDR und der Nachwendezeit eine Rolle beim hohen Stimmenanteil der AfD spielen. In einer keineswegs abgehängten Region.