Biologie ist die „Lehre vom Leben“, doch manchmal erforschen Biologen auch das Sterben – etwa von Lachsen im Nordatlantik. Salmo salar, so erfahren wir durch ihre detektivische Arbeit, ist nicht nur der beliebteste Speisefisch der Deutschen, er hat auch zahlreiche natürliche Feinde. „Die Vielfalt der Räuber hat uns überrascht“, sagt John Fredrik Strøm von der Arktischen Universität im norwegischen Tromsø.

Doch wie findet man heraus, wer in den Weiten des Ozeans wen frisst? Erstaunlicherweise muss man dafür nicht einmal ein Schiff besteigen. Strøm stellt sich im Frühling, wenn in Nordnorwegen das Eis der Flüsse aufbricht, ans Ufer ihrer Mündungen und angelt. Lachse sind Wanderfische, sie vermehren sich im Süßwasser, jagen aber, dabei selbst nicht zimperlich, im Meer.

Geht dem 33-jährigen Forscher ein Fisch an den Haken, nimmt er ihn nicht mit nach Hause, sondern befestigt mit Draht nahe der Rückenflosse ein pop-up satellite archival tag (PSAT) und setzt ihn wieder aus. Das vierzig Gramm schwere Gerät zeichnet Temperatur, Druck und Lichtstärke auf, löst sich zu programmierter Zeit – oder wenn die Wassertiefe konstant bleibt, das Tier also nicht mehr lebt – vom Fisch, steigt an die Oberfläche und sendet die Daten in den Orbit. Strøm wertet sie am Computer aus, zusammen mit Kollegen rund um den großen Teich, die Lachse und ihre Wanderungen auf gleiche Weise erforschen.

Von insgesamt 227 besenderten Lachsen, berichtet die Gruppe nun in „Scientific Reports“, lieferten 156 ihre Daten. Die interessantesten Ergebnisse: Vier gingen Fischern ins Netz, drei wanderten zurück in die Flüsse, 38 starben aus unbekannten Gründen. Bei 22 Lachsen aber sind sich die Forscher sicher: Sie wurden gefressen und die Sender wieder ausgeschieden. „Ist die Temperatur plötzlich von zehn auf 37 Grad gestiegen, wissen wir: Es war ein Säugetier“, sagt Strøm. Auch das Tauchverhalten liefere wichtige Anhaltspunkte.

© Carsten Raffel© Carsten Raffel

So konnten die Forscher Heringshaie (Bild) und Blauflossenthune als wohl erfolgreichste Lachsjäger identifizieren. Beides sind endotherme Fische, die ihre Körpertemperatur regulieren können, wenn auch auf niedrigerem Niveau als Meeressäuger. Letztere – offenbar Grind- oder Belugawale, die Hunderte Meter tief tauchen – erbeuteten rund ein Viertel der Lachse. Fast ebenso viele landeten in den Mägen wechselwarmer Fische, etwa von Blauhaien und Schwertfischen.

Es sind spannende Informationen, die nicht nur die Forscherneugier befriedigen, sondern auch Einsichten für Fischereiwissenschaft und Artenschutz bringen. „Seit den Achtzigerjahren sind die Lachsbestände stark geschrumpft“, erklärt Strøm, „vor allem im Süden des Verbreitungsgebietes.“ Gerade dort wurden nun besonders viele Lachse von Räubern gefressen, die also neben Wasserverschmutzung, Flussbauwerken und Fischerei zusätzliche „Stressoren“ sind. Ihnen kann man das aber kaum zum Vorwurf machen.