Wegweiser

Angelika Mann

„Ameisen bringen mich bis heute zum Staunen: totale Faszination.“
Angelika Mann

Bekanntlich wurde die Erde gesprengt, da sie einer Hyperraum-Umgehungsstraße im Weg war. Was der Menschheit im Kultroman „Per Anhalter durch die Galaxis“ zu ihrem Überleben fehlte: jemand wie Angelika Mann, die im rechten Moment „Halt!“ ruft – und rettet, was zu retten ist. Im Fall der Biologin sind es Ameisen, die sie rettet, auch sie zu Millionen.

Bedroht der Bau einer Umgehungsstraße oder eines Wohngebiets ein Volk von Waldameisen, klingelt Manns Telefon. Die Dresdnerin leitet die Deutsche Ameisenschutzwarte, für die sich knapp 2000 Freiwillige von Rosenheim bis Kiel engagieren. Etwa 110 Ameisenarten leben in Deutschland, die meisten in kleinen Verbünden. Der Verein kümmert sich daher nur um die acht Waldameisenarten unter ihnen: Deren Nester beherbergen bis zu einer Million Einwohner. 82.045 Völker hat der Verein seit 1985 umgesiedelt.

Da Waldameisen ungern in aller Herrgottsfrühe in Säcke und Tonnen geschaufelt werden, begrüßen sie ihre Retter mit Ameisensäure, vergleichbar mit siebzig-prozentiger Essigsäure. „Da kriegt man bald kaum mehr Luft“, sagt Mann. Beim Umsiedeln trägt sie daher Handschuhe, Schutzbrille, Regenhose und Gummistiefel. „Ameisen umsiedeln ist Sport.“ Die Helfer bewegen pro Volk gut und gerne 200 Kilo Ameisen und Nestmaterial, die Königin nach Möglichkeit in einer eigenen Schachtel. Der neue Standort darf weder zu schattig noch zu nah an menschlichen Siedlungen sein. Und er muss mindestens einen halben Kilometer weg vom alten Nest sein, sonst wandern die Ameisen gleich wieder zurück.

„Ameisen spielen eine wichtige Rolle in der Waldhygiene, als Müllabfuhr und als Schädlingsbekämpferinnen“, sagt die Biologin der TU Dresden. „Aus gutem Grund stehen sie seit über 200 Jahren unter Naturschutz.“ Das ist die offizielle Begründung ihrer Mission. Die inoffizielle: Angelika Mann ist fasziniert von der Komplexität der Lebensweise. So wühlen sich nach dem Winter erste Arbeiterkolonnen durch den Schnee ins Freie, um auf sonnigen Flecken mit ihren schwarzen Leibern Wärme zu tanken. Die transportieren sie ins Innere des Baus zu den wechselwarmen Kollegen, die dann den nächsten, noch klammen Trupp nach oben schicken. So ist es im Nest stets wärmer als ringsum. „Ameisen bringen mich bis heute zum Staunen: totale Faszination.“

Angelika Mann