Wegweiser

Gerd Winter

„Umweltrecht gehört zum Rüstzeug von Juristen.“
© Paula MarkertGerd Winter© Paula Markert

Klima schützen statt nur Paragraphen reiten

Gerd Winter könnte schon im Ruhestand sein, aber Ruhe ist nichts für ihn. Als Anwalt hat der heute 78-Jährige schon viele Klagen ausgefochten, etwa gegen Atomkraftwerke, als 1988 der Reaktor bei Lingen im Emsland ans Netz gehen sollte. Heute forscht der Bremer Juraprofessor zu Klimaklagen oder schreibt Rechtsgutachten für die EU-Kommission und Bundesämter, etwa über Gentechnik-Anbaugesetze oder Umweltverantwortung im Lieferkettengesetz.

Seinen Studierenden möchte er nahebringen, dass Umweltrecht alles andere als trocken ist – und das anhand realer Praxis statt öder Paragrafen. „Normalerweise lehren wir das Recht mit fiktiven Fällen“, sagt er. Das wollte er ändern und kam auf die Idee der „Umweltrechtsklinik“. Vorbild sind die „Legal Clinics“ in den USA, wo Studierende ehrenamtliche Rechtsberatung anbieten.

Winter trommelte 15 Studierende zusammen, die sich umweltfreundliche Projekte suchten, darunter Carsharing-Angebote, energiesparende Minihäuser, Lebensmittelrettung oder Reparaturinitiativen. Dann erkundigten sie sich vor Ort, mit welchen Gesetzeshürden die Menschen kämpfen, und suchten mögliche Auswege. Eine reguläre Rechtsberatung erfordert zwar das zweite Staatsexamen, doch die Gutachten der Studierenden bieten wertvolle Ersthilfe.

Zum Beispiel in Oldenburg: Dort helfen Ehrenamtliche in einem Reparaturcafé beim Flicken defekter Alltagsgeräte. Sie waren sich nicht sicher, ob sie dafür haften müssen, wenn dabei mal etwas ganz kaputtgeht. Die Studentin Alina Noglik fand heraus, dass die Tüftlerinnen und Tüftler davon befreit sind, da sie lediglich Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Inzwischen möchte das Café weitere Dienste gegen Gebühr anbieten. Dazu hat Noglik ausgearbeitet, wie sich die Haftungsfrage in erträglichen Grenzen halten lässt.

In einer anderen Arbeit geht es ums sogenannte Containern: Bislang drohen Geld- oder gar Haftstrafen, wenn man Essen aus Mülltonnen von Supermärkten fischt. 2020 bestätigte das Verfassungsgericht, dass es sich um Diebstahl handelt. Emelie D’Souza schlägt in ihrer Abschlussarbeit daher ein Gesetz vor, in dem Müll als herrenlos erklärt wird. Bis das Gesetz kommt, könnten die Container-Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.

Umweltrecht und -klagen werden wichtiger, da ist sich Gerd Winter sicher. Mit seiner Idee möchte er nicht nur die Lehre aufpeppen, sondern einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. „Juristen müssen die Klimakrise verstehen und welche Rechtspraxis sie erfordert“, sagt Winter. Die Gutachten sind auf der Website der Uni Bremen öffentlich zugänglich.

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