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Lena

Für die dementen Gäste ist Lenas Normalität ein Geschenk
Lena

Henne Lena ist knapp ein Jahr alt, nicht besonders schlau, nicht besonders hübsch, sie legt nicht einmal besonders viele Eier. Das Besondere an Lena ist die Normalität, die sie ausstrahlt. Das Huhn lebt mit 15 weiteren in der Schweiz auf dem Hof Obergrüt bei Luzern – einem Milchviehbauernhof, auf dem Menschen mit Demenz Urlaub machen.

Für die Patienten, denen Alltag, Freunde und Familie immer fremder werden, ist Lenas Normalität ein Geschenk. Morgens öffnen sie den Hennen die Stalltür, holen die Eier aus den Nestern, zählen sie, kochen oder backen damit und bringen die Hühner abends zurück in den Stall. Die Gäste erlebten dabei etwas, das ihnen im Alltag abhandengekommen sei, erklärt Luzia Hafner: das Gefühl, gebraucht zu werden. Die ausgebildete Pflegefachkraft und Bäuerin hat mit dem Demenzhof vor mehr als 13 Jahren Pionierarbeit geleistet – bisher gibt es nur vereinzelt vergleichbare Projekte. Bis zu neun Personen werden hier intensiv betreut, manche für einen Tag, andere bis zu sechs Wochen. Krankenkassen und Heimatgemeinden unterstützen bei der Finanzierung. Für die Angehörigen ist es oft das erste Mal seit Jahren, dass sie die anstrengende Pflege aus der Hand geben.

Die Idee sei nicht neu, sagt Hafner. Früher seien alte und demente Menschen ganz selbstverständlich in einfache Arbeitsabläufe einbezogen worden. In unserer auf Effizienz getrimmten Zeit gebe es dafür aber immer weniger Raum.

Lena, die von einer Mitarbeiterin per Hand aufgezogen wurde, ist sehr zutraulich: Sie lässt sich von den vergesslichen Gästen streicheln und auf den Arm nehmen. Manchmal scheint es, als genösse sie die Aufmerksamkeit: Sie flattert übermütig auf den Zaun und gackert, als wollte sie sich mit den Besuchern unterhalten. Die sind ein dankbares Publikum  sie, die oft ungewollt im Mittelpunkt stehen und mit den Symptomen ihrer Krankheit Aufsehen erregen, können entspannen, wenn im Garten die Hühner den Ton angeben. Dass die Gäste Probleme damit haben, sich die Namen der Tiere zu merken, wird pragmatisch gehandhabt: Alle braunen Hennen heißen Lena.

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