Wegweiser

Marco Scheel

„Ich will den Menschen ein Gefühl für das geben, was sie kaufen und tragen.“
© Philipp MeuserMarco Scheel© Philipp Meuser

Fair Fashion dank ungewollter Wolle
Marco Scheel ist auf Rügen aufgewachsen, hier ging er zur Schule, hier hat er in den Wellen der Ostsee das Surfen gelernt. Die Rauwolligen Pommerschen Landschafe fand er schon als Kind faszinierend – heute macht er aus ihrer Wolle Outdoorkleidung. „Der Vater einer Freundin war Schafzüchter und hat mir viel über die Schafe beigebracht“, erzählt er. „Ihr Geruch beruhigt mich und gibt mir ein Gefühl von Heimeligkeit.“ Doch als er erfuhr, dass der Züchter die Wolle der Tiere nach der Schur vernichtete – wie die meisten Schäfer der Insel – erschrak er. Der Verkauf lohne sich nicht. „Der Weltmarkt verlangt nach Merinowolle“, erklärt Scheel, der in Berlin Wirtschaftsingenieurswesen studierte.

Es müsse doch möglich sein, dachte er sich, die Wolle dieser alten Landrasse zu nutzen, so die Schäfer zu unterstützen und das zu fördern, was die Schafe von allein machen: für Artenvielfalt sorgen. „Das Schaf verbeißt tief, dadurch können viele Kräuter keimen“, erklärt Scheel.

Auf die Idee brachte ihn die Wolle selbst. Die groben Fasern und das Schafsfett machen sie wasserabweisend und isolierend. Perfekt für nachhaltige Funktionskleidung. Schwierig war es, eine Produktion ohne Schadstoffe aufzubauen, deren Stationen mit einer Ausnahme in Deutschland liegen. Denn: „Es gibt kaum noch jemanden, der Mischwolle bearbeiten kann“, sagt Scheel.

Los geht’s bei den Schäfern, denen er ein Vielfaches des Marktpreises bezahlt, der je nach Qualität zwischen fünfzig Cent und 1,20 Euro pro Kilo liegt. Die fettige „Schweißwolle“ wird in Säcke gepresst und in eine Wollwäscherei nach Belgien gebracht, die den Schmutz, einen Teil des Fettes und Pheromone entfernt. Anschließend verspinnt eine Spinnerei in der Lausitz die Wolle zu Garn, bevor in Bayern die letzte Tuchmacherei der Republik ein Tuch daraus webt, das in hoher Temperatur gewalkt wird. Dieses wird zu guter Letzt im mecklenburgischen Teplitz und in einer Nähmanufaktur im Erzgebirge zu Jacken und Pullovern zusammengenäht. „Ich will den Menschen ein Gefühl für das geben, was sie kaufen und tragen, woher es kommt und wer es produziert. Man kann uns besuchen, sich alles anschauen und mit den Schäfern sprechen.“

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