Wegweiser

Sybille Meyer

„Wir wollen die Müllflut in den Städten eindämmen.“
Sybille Meyer

Während viele Göttinger ihre Mittagspause mit einem Coffee-to-go in einem der Parks der Stadt verbringen, eilt die Berufsschullehrerin Sybille Meyer zwischen zwei Unterrichtsstunden zu diesem Interviewtermin. Ihre Mission: endlich eine Strategie zu finden gegen die Massen von Einwegbechern, die in Deutschland Tag für Tag in den Abfall wandern. „Wir wollen mit einem gut durchdachten Mehrwegsystem die Müllflut in den Städten eindämmen“, sagt Meyer. 2016 entwickelte die 48-Jährige mit einer Schülergruppe im Rahmen eines Unterrichtprojekts den „Fair-Cup“. Den kann man heute schon an tausend Standorten wie Bäckereien oder Cafés kaufen und bekommt bei der Rückgabe sein Pfand zurück. Die Becher werden dann gesammelt, gereinigt, bis zu 500-mal wiederverwendet und schließlich recycelt – so weit, so bekannt. Doch Meyer will viel mehr.

Was den Fair-Cup im Vergleich mit anderen Becher-Rückgabesystemen so besonders macht: Becher und Deckel sind kompatibel mit Pfandrückgabe-Automaten, die heute schon in vielen Supermärkten stehen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass der Fair-Cup in Zukunft flächendeckend unkompliziert zurückgegeben werden kann. Sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Fair-Cup-App, die den Nutzern schon jetzt den kürzesten Weg zur nächsten Rückgabestelle weist. Und: Sämtliche Becher sind in einer Datenbank gespeichert. Dadurch kann der „Becher-Flow“ genau dokumentiert werden, um das ganze Pfandsystem stetig effizienter zu machen. Meyer will Strukturen schaffen, die weiter wachsen können. So sollen die Einwegbecher in Zukunft verschwinden.

Rückschläge erlebte sie allerdings auch schon, etwa als viele der Projektpioniere – die Schüler der damaligen Abschlussklasse – nach dem Abitur die Stadt verließen. Plötzlich stand Meyer fast allein da, doch sie machte eisern weiter: „Wenn ich A sage, dann sage ich auch B.“ Ihre Beharrlichkeit hat sich gelohnt: Der Fair-Cup wurde als bisher einziger Mehrwegbecher mit dem „Blauen Engel“ des Umweltbundesamts ausgezeichnet. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der als Umweltminister einst das Dosenpfand einführte, lobte das Projekt bei einem Auftritt in Göttingen, seinem Wahlkreis.

Heute arbeitet Meyer mit einem zehnköpfigen Team von Freiwilligen und Studenten an ihrem Start-up. Noch ist das Projekt auf Förderung von Unternehmen angewiesen und trägt sich nicht selbst. Im Schulalltag, erklärt Meyer, sehe sie aber, wie sich jeden Tag mehr junge Menschen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit interessierten. „Wenn Ökologie mehr geschätzt wird als die schöne Oberfläche, dann ist die Zeit für unser Pfandsystem da“, sagt sie und eilt zurück in die Schule – die Mittagspause ist vorbei.

Sybille Meyer