Ein Werbespot wie ein Zuckerrausch: Meisterwerke von Picasso, Munch, Vermeer und van Gogh erwachen zum Leben und werfen sich heimlich eine Colaflasche quer durch den Ausstellungsraum eines Museums zu, die dann einen Kunststudenten mit Durchhänger erfrischt und zu blühender Kreativität verhilft. Kunstikonen treffen Markenikone – zugegeben, diese visuelle Achterbahnfahrt ist spektakulär anzusehen. Wie so viele Spots von Coca-Cola, einer der bekanntesten Marken der Welt. Der Kern des Geschäfts allerdings bleibt dabei schön außen vor, denn der hat mit „Real Magic“, so der Slogan, wenig zu tun: der Verkauf klebrig-süßer Zuckerlösungen.

Achtung, wir verraten an dieser Stelle die sagenumwobene Cola-Formel: Wasser, Kohlensäure, der Farbstoff E 150d (Zuckerkulör für das typische Braun), Phosphorsäure, Aroma und Koffein – und natürlich reichlich Süßungsmittel. 18 Würfelzucker stecken in einem halben Liter der (zuckerhaltigen) „Original Taste-Variante. Und Coca-Cola kann nicht nur Cola: Zum Portfolio gehören unter anderem auch Fanta, Sprite, Mezzo Mix, Vio und Lift Apfelschorle.

Auch wenn gesunde Ernährung ein großes Thema ist – die Entwicklung geht in eine andere Richtung. 15 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, Tendenz seit der Coronapandemie steigend, was im späteren Leben zu Diabetes, Bluthochdruck und Herzerkrankungen führen kann. Schon lange machen sich Ernährungsverbände wie Foodwatch deshalb für ein Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel stark, die sich explizit an Kinder richtet. Fachleute empfehlen außerdem eine Zuckersteuer: Frankreich erhebt bereits seit 2012 solch eine Abgabe auf süße Lebensmittel, Großbritannien seit 2018 – wodurch laut Studien das Übergewicht zumindest etwas zurückgegangen ist. In Deutschland setzt sich derzeit Ernährungsminister Cem Özdemir für ein Kinder-Werbeverbot ein.

Der Coca-Cola-Konzern sieht durch solche Entwicklungen offenbar sein Geschäftsmodell bedroht und will mit einer aktuellen Kampagne einer strengeren Regulierung zuvorkommen. Seine Werbung richte sich gar nicht an Kinder unter 14 Jahren, behauptet das Unternehmen, man halte sich an eine strenge Selbstverpflichtung – dabei kursieren Spots wie der im Museum fröhlich-bunt in den sozialen Medien. Und was den Zucker angeht, gebe es nun ein Ziel bis 2025: „50% unserer verkauften Getränke in Europa sind kalorienreduziert oder kalorienfrei“, steht auf der Website, die mit Fotos von Menschen in weißen Kitteln betont seriös daherkommt. Damit wendet der Konzern den aktuellen Trick der Tabaklobby an, die Raucher nun zu vermeintlich gesünderen E-Zigaretten bewegen will. Nach dem Motto: Soll doch jede und jeder selbst entscheiden.

Indem Coca-Cola also verstärkt zuckerfreie Zero- und Light-Sorten in den Regalen platziert, will der Konzern sein verantwortungsvolles Mitwirken am Zuckerentzug der Gesellschaft signalisieren. Gleichzeitig will er jedoch vom gezuckerten Angebot nicht lassen. Das Unternehmen sitzt im mächtigen Lebensmittellobby-Verband Food Drink Europe, der seine Anliegen mit gesponserten Gesundheitsorganisationen, eingeschleusten Mitgliedern in Fachkommissionen, Sponsoring und vermeintlich unabhängigen Instituten, die industriefreundliche Studien herausbringen, durchdrückt.

Übrigens: Zuckerfreie Getränke mit Süßungsmitteln sind zwar generell gesünder als Zucker und können dabei helfen, sich zuckerfreier zu ernähren. Als völlig gesund können sie aber nicht gelten, insbesondere der langfristige, regelmäßige Konsum ist noch nicht ausreichend erforscht. Voriges Jahr stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Süßstoff Aspartam, der zum Beispiel in Coke Zero steckt, als „möglicherweise krebserregend“ ein. Der Gemeinsame Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA), der ebenfalls der WHO unterstellt ist, wertete allerdings im selben Jahr den moderaten Genuss als unbedenklich. Außerdem warnen Mediziner und Ernährungswissenschaftlerinnen vor schädlichen Wirkungen auf Darmflora und Stoffwechsel. Und: Süße Getränke, ob kalorienarm oder nicht, können es erschweren, süße Ernährungsgewohnheiten abzulegen. Für genauere Aussagen über Auswirkungen auf Personengruppen wie zum Beispiel Kinder fehlen ausführliche Untersuchungen. Nicht zuletzt deswegen empfiehlt auch das Bundeszentrum für Ernährung, „Ernährungsgewohnheiten insgesamt zu überdenken und generell möglichst wenig zu süßen.

In der Kampagne bezieht sich Coca-Cola bewusst nur auf unseren Kontinent – wie steht‘s um die Limo im Rest der Welt? In Mexiko zum Beispiel, wo sich die Zahl der Diabetes-Toten zwischen 2011 und 2021 verdoppelt hat und jedes dritte Kind zu dick ist, hat der Konzern durch aggressives Marketing sogar traditionelle Zeremonien erobert. Ein Softdrink ist dort oft leichter zu bekommen als sauberes Trinkwasser. So muss Werbung also gar nicht erst explizit an Kinder gerichtet werden, um den Nachwuchs zu erreichen. Extrem süß zu schmecken, bunt, cool und allgegenwärtig zu sein genügt. „Real Magic“ eben.

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