In der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße, zwei zentralen Verkehrsachsen im Hamburger Westen, graben Bauarbeiter Löcher in den Boden und setzen neue Masten und Verkehrsschilder ein, die über mögliche Ausweichrouten informieren. Die Schilder, auf denen explizite Fahrverbote angezeigt werden, sind bestellt. Sie sollen erst im Mai aufgestellt werden – und sind auch dann erst einmal mit Streifen durchgestrichen. Hamburg ist zwar vorbereitet auf die Umsetzung der Fahrverbote für ältere Diesel im Innenstadtbereich. Doch es fehlt noch die entscheidende Information vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

„Die Verbotsschilder sind zunächst noch als ungültig markiert. Zu einem bestimmten Stichtag werden sie dann an allen Stellen gleichzeitig in Kraft gesetzt“, sagt Jan Dube, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Der genaue Stichtag steht noch nicht fest, aber der Senat peilt die Woche nach Pfingsten an. Dann sollen zwei Streckenabschnitte auf der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße für bestimmte Dieselmodelle nicht mehr befahrbar sein. Das genaue Datum hängt davon ab, wann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine schriftliche Urteilsbegründung nachreicht.

Ende Februar dieses Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge rechtlich zulässig sind. Das Grundsatzurteil fiel zwar für die Städte Düsseldorf und Stuttgart, es ist aber richtungsweisend für alle folgenden Urteile. Dadurch machte Leipzig den Weg für Kommunen in Deutschland frei, um ältere Dieselfahrzeuge von hochbelasteten Straßen zu verbannen. Denn die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid, die seit dem Jahr 2010 gelten, werden in vielen deutschen Großstädten jedes Jahr überschritten. Deshalb hatte die Umweltorganisation „Deutsche Umwelthilfe“ gegen 19 Städte im ganzen Bundesgebiet geklagt.

Hamburg ist gezwungenermaßen in der Vorreiterrolle

Hamburg gehörte nicht zu den aktuell 19 beklagten Städten. Das liegt allerdings nicht an der Luftqualität, denn die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschreitet Hamburg regelmäßig. Es liegt vielmehr an Hamburgs Vorgeschichte: Die Stadt hat schon ein Gerichtsverfahren wegen seiner schlechten Luftwerte hinter sich und ist daher gezwungenermaßen so gut auf Fahrverbote vorbereitet wie wenige andere Kommunen. „Hamburg ist meines Wissens die erste Stadt, die solch eine Durchfahrtsbeschränkung für bestimmte Diesel-Fahrzeuge verhängt. Wir haben schon letztes Jahr alle Schritte geplant und somit Pionierarbeit geleistet“, sagt Jan Dube gegenüber dem Greenpeace Magazin.

Schon 2014 hatte der „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) wegen zu hoher Stickstoffdioxid-Belastung gegen Hamburg geklagt. Daraufhin schrieb das Verwaltungsgericht der Kommune vor, bis zum Sommer 2017 einen fundierten Luftreinhalteplan vorzulegen. „Da mussten wir genau berechnen, welche Maßnahme welche Verbesserung für die Luftqualität bringt. Und das haben wir getan“, so Dube. Vergangenes Jahr im Sommer legte die Umweltbehörde dann – in Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde sowie der Innenbehörde – einen Luftreinhalteplan mit zehn großen und einigen kleineren lokalen Maßnahmen vor. „Seit dem Leipziger Urteil sind schon einige andere Kommunen auf uns zugekommen und haben sich nach unseren Maßnahmen und Berechnungen erkundigt“, sagt Jan Dube.

Unter anderem verspricht die Stadt, den Radverkehr und das U- und S-Bahn-Netz auszubauen, über 200 saubere Busse anzuschaffen, über tausend Ladepunkte für E-Fahrzeuge zu bauen und einen Fuhrpark fast ausschließlich schadstoffarmer Autos anzulegen. Außerdem sieht der Maßnahmenkatalog vor, die Schadstoffbelastung am nördlichen Hafenrand zu senken und mehr Landstrom- und Flüssiggas-Versorgung für Schiffe am Kai anzubieten.

Fahrverbote sind die Maßnahmen, über die alle reden

„Und zwei dieser Maßnahmen sind die, über die jetzt alle reden: die Durchfahrtsbeschränkungen an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße“, so Dube. Am 30. Juni 2017 nahm der Hamburger Senat den Luftreinhalteplan an und steht seitdem in den Startlöchern. Denn bis zum Grundsatzurteil im Februar 2018 in Leipzig war unklar, ob Kommunen überhaupt berechtigt sind, Fahrverbote als Maßnahme umzusetzen. „Sobald es grünes Licht vom Bundesverwaltungsgericht gab, haben wir losgelegt. Wenige Tage nach dem Urteil haben wir die Verkehrsschilder und Masten bestellt“, sagt Umweltbehördensprecher Dube. Die Bauarbeiten sind mittlerweile in vollem Gang. Nur der letzte Schritt fehlt noch.

Von der ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung erhoffen Jan Dube und Kollegen sich nun Hinweise, für welche Diesel-Typen die Verbote genau gelten sollen. „In unserer bisherigen Planung sollen Typen mit der Norm Euro sechs nicht betroffen sein. Die Beschränkungen gelten zunächst nur für Diesel mit der Abgasnorm Euro fünf und älter“, so Dube. Für solche Lkw und Diesel-Pkw soll ein 600 Meter langer Abschnitt auf der Max-Brauer-Allee gesperrt werden und etwa 1,7 Kilometer der Stresemannstraße nur für Lkw. Anlieger seien von der Beschränkung ausgenommen.

Ob die Autofahrer sich an die Verbote halten, wird die Polizei zunächst mit Schwerpunkt- und dann mit Stichprobenkontrollen überprüfen. Dass dafür mehr Polizeibeamte eingestellt werden müssen, sieht Jan Dube nicht. Die Fahrverbote sollen ganzjährig gelten – und so lange gültig bleiben, bis die Stickstoffdioxid-Werte auch ohne die Maßnahmen unter dem EU-Grenzwert bleiben würden. Der Sprecher der Umweltbehörde ist zuversichtlich, dass Hamburg mit den bisher geplanten Maßnahmen künftig die EU-Grenzwerte einhalten kann. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Denn wenn das Gericht in seiner Urteilsbegründung andere Auflagen macht, muss die Stadt ihre Fahrverbotsschilder danach ausrichten. Und so wartet Hamburg weiter auf die alles entscheidende Information aus Leipzig.