Die EU-Staaten haben am Freitag einem Freilandverbot für einige bienenschädliche Insektengifte zugestimmt. In dem zuständigen Ausschuss in Brüssel sprach sich eine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der Kommission aus, den Einsatz von sogenannten Neonicotinoiden auf Äckern zu verbieten und auf Gewächshäuser zu beschränken. „Die Gesundheit der Bienen bleibt für mich von größter Bedeutung, weil sie Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt betrifft“, sagte Vytenis Andriukaitis, der EU-Kommissar für Lebensmittelsicherheit. Neonicotinoide sind für Insekten deutlich giftiger als für Säugetiere oder Vögel. Sie greifen das zentrale Nervensystem an, können lähmen oder zum Tode führen.

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) freute sich über das Verbot für die Stoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. „Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa“, sagte sie. Bereits vor dem Votum hatte sie mitgeteilt, dass Deutschland mit einer „klaren Haltung abstimmen“ und dem Vorschlag der Kommission folgen werde. „Was der Biene schade, muss weg vom Markt“. Andere EU-Länder hatten ihre Entscheidung zunächst offen gelassen.

Bereits am Freitagmorgen hatte sich auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im „Morgenmagazin“ des ZDF zu Wort gemeldet und auf die Folgen der Gifte hingewiesen: „Das Insektensterben ist jetzt wirklich dramatisch“, sagte sie. Sollte sich die EU für ein Verbot der sogenannten Neonikotinoide entscheiden, müsste deren Einsatz unter freiem Himmel innerhalb von drei Monaten beendet werden, erklärte Schulze. Andernfalls wolle die Bundesregierung auch alleine gegen die Insektizide vorgehen: „Wir haben uns in Deutschland vorgenommen, dass wir eine andere Pflanzenschutzpolitik machen wollen“, sagte sie.

Auch Wissenschaftler sind sich einig, dass die Entscheidung positiv ist. „Es ist nicht gelungen, die schädlichen Auswirkungen der Neonicotinoide auf Bienen und andere Insekten zu entkräften. Daher führte an dieser Entscheidung kein Weg vorbei“, sagte Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung der Universität Göttingen. „Landwirte haben in der Vergangenheit zu sehr auf die hohe Wirksamkeit der Insektizide gesetzt und diese zu häufig verwendet. Das hat mittlerweile dazu geführt, dass vielfach Insekten gegen die Mittel resistent geworden sind. Wenn die Landwirte in Zukunft nicht mit leeren Händen dastehen wollen, müssen sie sich schnellstens wieder mit Ackerbauverfahren befassen, die den Insektenbefall mindern.“ Das seien Fruchtfolgen, angepasste Saattermine, Randstreifen und mechanische Verfahren. Das alles wirke deutlich schlechter als hoch wirksame Insektizide, aber gegen resistente Insekten blieben kaum andere Möglichkeiten übrig.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europaparlament und Mitglied im EU-Umweltausschuss sagte, dass das Verbot nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer weitgehend chemiefreien Landwirtschaft sein könne. „Das Anwendungsverbot war überfällig. Es hätte früher kommen müssen, denn die Aussaat der Zuckerrüben wird es in diesem Jahr nicht mehr betreffen.“ Mit der Entscheidung sei das „Roulette für die Artenvielfalt“ allerdings noch nicht beendet. Es werde, da die Gifte im Boden nur schwer abbaubar sind, einen Langzeiteffekt geben. Zudem sei der Einsatz im Gewächshaus weiterhin möglich. Das sei überflüssig und bedenklich. „Wir wollen keinen stummen Frühling“, sagte Häusling. „Deshalb führt langfristig kein Weg an einer ökologisierten, mindestens weitgehend chemiefreien Landwirtschaft vorbei.“

Doch die Industrie hat bereits neue Mittel in der Schublade. Zum Beispiel die Wirkstoffe Sulfoxaflor aus der Gruppe der Sulfoximine oder Flupyradifuron aus der Gruppe der Butenolide. Zwar keine Neonicotinoide, aber die Stoffe weisen eine verdächtige Ähnlichkeit auf. Auch sie binden sich an die Rezeptoren der Nervenzellen von Insekten und stören dadurch die Weiterleitung von Nervenreizen. Durch die EU sind beide Mittel bereits zugelassen. Flupyradifuron ist auch bereits in einigen Mitgliedsstaaten zugelassen, allerdings nicht in Deutschland.

„Irgendwann wird sich immer zeigen, dass sie gefährlicher für unsere Natur sind als zunächst behauptet“, sagt Häusling. „Was wir brauchen, ist ein Umdenken, um grundsätzlich einen Landbau zu etablieren, der ohne risikoreiche Chemie besteht.“