Die Situation der Moore in Deutschland ist tragisch. 95 bis 98 Prozent sind laut des Umweltverbandes Nabu aktuell schon zerstört, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) spricht sogar von 99 Prozent. „Ein intaktes Moor ist baumfrei und da kann man getrost sagen, von solchen sind nur noch ein Prozent in Deutschland erhalten“, sagt Heinz Klöser, der sich beim BUND um den Erhalt der Moore kümmert. Für den Klimaschutz seien Moore allerdings unverzichtbar, sogar mehr noch als Wälder. „Es ist ein absolutes Unding, dass diese Feuchtgebiete immer noch trockengelegt und abgetorft werden“, so Klöser.

Moore sind Ökosysteme, die über einen mindestens vierzig Zentimeter mächtigen sogenannten Torfhorizont verfügen, der wiederum mindestens dreißig Prozent organische Bodensubstanz aufweisen muss. Torf bildet sich durch abgestorbene Pflanzenteile wie beispielsweise Moose. In wassergesättigten Milieus zersetzen diese sich nicht vollständig und bleiben unter Luftabschluss als organisches Material erhalten. Bei diesem Vorgang wird auch Kohlenstoff eingeschlossen und langfristig gespeichert. So haben Moore mehr Kohlenstoff gebunden als alle Wälder der Welt – und sie hatten in den vergangenen 11.000 Jahren eine klimakühlende Wirkung.

Die Nützlichkeit von Torf wird Mooren zum Verhängnis

Doch Torf eignet sich nicht nur als Kohlenstoffspeicher. Früher nutzten Menschen ihn als Brennstoff, heute für Kosmetika und Medizin – und als Pflanzenerde. Torf ist keimfrei und weist gleichbleibende Qualität auf. Außerdem lässt er sich – selbst nährstoffarm – durch seine schwammartige Struktur beliebig mit Dünger versetzen. Das führt zu einer riesigen Nachfrage in Deutschland. Acht Millionen Kubikmeter benutzen Garten- und Gemüsebauern von der schwarzen Erde jedes Jahr, zwei weitere Millionen die Hobbygärtner. Zwar kommt der schwarze Rohstoff inzwischen verstärkt aus dem Baltikum und anderen osteuropäischen Staaten, aber auch in Niedersachsen bauen deutsche Firmen weiterhin Torf ab.

„Niemand traut sich, dem Abbau Einhalt zu gebieten“, sagt Heinz Klöser im Gespräch mit dem Greenpeace Magazin. „Das ist nicht sanktioniert, man kann an jeder Ecke Torf oder torfhaltige Erde kaufen.“ Sogar in Naturschutzgebieten werde weiterhin abgetorft, da man die alten Verträge nicht antasten wolle. Die letzten Konzessionen laufen 2070 aus. Erst danach könnten die Flächen renaturiert, also als Moore wiederhergestellt werden. Das ist allerdings ein aufwendiger und langwieriger Prozess.

Es dauert mehrere hundert Jahre bis ein neues mächtiges Moor entsteht

Andreas Hermann koordiniert das EU-Projekt „Peat Restore", das trockengelegte Moore und Torfabbaugebiete im Baltikum, Polen und Deutschland wieder bewässern will. Wieviel Zeit nötig ist, um ein neues Moor entstehen zu lassen, hängt von vielen Faktoren ab: vor allem vom Ausgangszustand der Fläche und von den Standortbedingungen, also dem Klima, der Vegetation und dem Grundwasser. „Man kann für wachsende Torfmoose von etwa ein bis zwei Millimetern pro Jahr ausgehen. Um ein entsprechend mächtiges Moor zu generieren, dauert es daher mehrere hundert Jahre“, sagt Hermann.

Neben dem Torfabbau macht Andreas Hermann insbesondere auch die Land- und Forstwirtschaft für die Misere verantwortlich. „Durch Entwässerung und Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sind die meisten Moore bedroht“, so der Nabu-Experte. Aber auch der Klimawandel selbst begünstigt das Sterben der Moore. Wasserabhängige Ökosysteme reagieren besonders empfindlich auf Klimaänderungen – durch höhere Temperaturen und auch die dadurch verlängerte Vegetationsphase steigt der Wasserbedarf von Feuchtgebieten.

„Und dass es durch den Klimawandel immer wärmer wird, ist wahrscheinlich der einzige Konsens, auf den sich bei dieser komplexen Thematik alle einigen können“, sagt BUND-Experte Heinz Klöser. Die Temperaturerhöhung ist gerade für Moore in Permafrost-Gebieten wie Skandinavien oder Russland fatal. Tauen diese ganzjährig auf, trocknen die Moore aus, die sonst im Winter zugefroren und im Sommer feucht sind.  

Laissez-faire im Klimawandel als weltpolitischer Trend

Die Klimaziele für 2020 waren das erste, was Union und SPD in ihren Sondierungsverhandlungen Anfang dieses Jahres kippen wollten. Kurz darauf erklärte der UN-Klimarat das 1,5-Grad-Ziel für kaum mehr erreichbar. Und auch bei den Mooren ist keine Priorisierung von Klimaschutz erkennbar. Landwirte und Torfstecher, die weiterhin Moore trockenlegen, tragen also zum derzeitigen Trend bei.

Denn wenn der Wasserspiegel der Moore sinkt, kommen die Torfschichten mit Luft in Berührung. Durch den Sauerstoff oxidiert der Kohlenstoff und entweicht als klimaschädigendes Kohlendioxid (CO2). Außerdem entsteht besonders in den nährstoffreichen Niedermooren oder in Kombination mit Kunstdüngern sogenanntes Lachgas (N2O), was noch drastischer zur Klimaerwärmung beiträgt als CO2.

„Aktuell wird die Gesamtemission aus allen entwässerten Mooren in Deutschland auf etwa 45 Millionen Tonnen Treibhausgase geschätzt“, sagt Nabu-Experte Andreas Herrmann. Das ist der höchste moorbedingte Treibhausgasausstoß in der EU. Wenn Deutschland im Klimaschutz also doch noch etwas reißen will, sollte es sich auch um seine Moore kümmern.

In der Ausgabe des Greenpeace Magazins 6.17 „Hitzefrei“ erzählt die Naturschützerin Loenie Kulp, warum Moorschutz immer auch Klimaschutz ist. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!