Liebe Leserinnen und Leser,

da kann der Frühling sich noch so zieren, selbst von Kaltlufttropfen, kräftigem Ostwind, Regen- und späten Schneefällen lassen sich Blumen und Bäume auf Dauer nicht abschrecken und beschließen trotzig: Ich blühe jetzt! Und so spaziert der winterblasse Mensch durch Wiesen, Parks oder Botanische Gärten und freut sich wie jedes Jahr darüber, dass die Blüten nach und nach alle herauskommen, erst Schneeglöckchen, dann Krokus, Tulpe, Narzisse, Schlüsselblume und ein paar Stockwerke höher Weide, Kornelkirsche, Pflaume, Magnolie…

Die weitaus meisten von ihnen haben übrigens einen Migrationshintergrund, sind aber mittlerweile Alteingesessene. Die Tulpe zum Beispiel stammt nicht aus den Niederlanden, sondern aus Mittel- und Zentralasien. Käme jemand auf die Idee, diese Einwanderinnen ausweisen zu wollen, hätte das eine Verödung unserer Landschaften und Gärten zur Folge; bei Obst und Gemüse würde es den Speisezettel treffen.  

Aber wer könnte so was auch wollen, es sei denn, wir haben es mit invasiven Arten zu tun. Riesenbärenklau, Drüsiges Springkraut, Wechselblatt-Wasserpest und wie sie alle heißen sind in unseren Breiten nicht gern gesehen. Mit Staunen erfährt man, dass die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Neobiota, wie zugereiste Pflanzen und Tiere auch genannt werden, nur von den Verheerungen übertroffen werden, die Stürme anrichten – womit Flora und Fauna noch vor Erdbeben, Überflutungen, Dürren, Waldbränden und anderen Naturkatastrophen liegen.

Andererseits: Gerade kommt das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut mit einer Studie um die Ecke, die Klimakrise und Artensterben untersucht und noch einmal darauf hinweist, dass sich beides gegenseitig beeinflusst. Bezogen auf die Biomasse seien bereits vier Fünftel der natürlich vorkommenden Säugetiere und die Hälfte der Pflanzen verschwunden, ganz ohne Ausweisungsbeschluss.

In Mannheim dürfte davon auf den ersten Blick nichts zu merken sein. Die dort am letzten Freitag eröffnete Bundesgartenschau (BUGA) verzeichnete jedenfalls gleich am ersten Tag einen Besucherrekord. Sie hat sich einiges vorgenommen – nachdem es in der Vergangenheit immer wieder Kritik an Naturzerstörungen durch solche Leistungsschauen gegeben hatte, will diese nun „die nachhaltigste BUGA aller Zeiten werden“ und „Umwelt- und Klimaschutz, ressourcenschonende Energiegewinnung und nachhaltige Nahrungsmittelsicherung“ thematisieren.

Das klingt löblich, denn kaum ist man, noch ganz beschwingt, vom Spaziergang zurück, da wird man von einem Strauß beunruhigender Nachrichten begrüßt: Die Menge an ausgestoßenen Treibhausgasen war letztes Jahr höher denn je, Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent, Deutschland hat seine Emissionsziele verfehlt, der Expertenrat für Klimafragen macht als Hauptverantwortliche dafür, wir ahnten es schon, den Gebäude- und den Verkehrsbereich aus...

Man sollte meinen, da wäre schnelles und entschlossenes Handeln seitens der Politik gefragt, doch diese treibt derzeit seltsame Blüten. Die in Berlin regierende „Fortschrittskoalition“ unterbricht kurz ihr Gezänk über den Heizungstausch bis zur Wiedervorlage (hat man je in einem Frühjahr so viel über das Heizen geredet?), will weiterhin die Sektorziele aufweichen, kein Sofortprogramm für den Verkehrsbereich auflegen und dafür sogar das Klimaschutzgesetz ändern. Der Expertenrat zeigt sich irritiert, Umweltverbände sind empört und prüfen Klagemöglichkeiten.

Hören Sie das auch? Tick. Tick. Tick. Schnell raus, solange da noch was wächst. Im Park, im Wald, im eigenen oder im Kleingarten; von mir aus fahren Sie nach Mannheim, wenn nicht gerade Bahnstreik ist. Klar, bei Sonne ist es herrlich. Aber eigentlich ist Regen besser, nicht nur für die Pflanzen. Freuen wir uns über jeden Tropfen. Heiß und trocken wird es noch früh genug.

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Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin