À la Saison
Beste Bohne
Himmelsleiter und Bodenschatz, vom Minnesänger verachtet, von Aussteigern verehrt. Phaseolus vulgaris rankt sich unverblümt durch die Literatur – und ist unser Gemüse der Saison im Porträt
Er reitet auf Kanonenkugeln und zieht sich selbst aus dem Sumpf. Hieronymus Freiherr von Münchhausen ist um keinen Stunt verlegen. Einmal wirft er seine Axt mit so viel Schwung, dass sie aus Versehen „im Monde“ niederfällt. Verdammte Axt! „Mit welcher Leiter auf Erden sie herunterholen?“ Da fällt ihm ein, „dass die türkischen Bohnen sehr geschwind und zu einer ganz erstaunlichen Höhe emporwüchsen“.
Augenblicklich pflanzt er eine solche. Und siehe: Im Nu rankt sie sich „an eines von des Mondes Hörnern“ an – er ist gerade in Sichelform – und Münchhausen klettert „getrost nach dem Monde empor“, wo er „glücklich“ anlangt. Ein kleiner Schritt für einen Lügenbaron, ein großer für die bepflanzte Raumfahrt.
Hätte der Freiherr nicht zufällig jene Bohne zur Hand gehabt, seine Wurfaxt wäre im Monde geblieben. Und ob Neil Armstrong, der zweite Mann im Mond, das Werkzeug entdeckt hätte? Wohl kaum. Münchhausen jedenfalls nörgelte, es sei ein „mühseliges Stückchen Arbeit“, eine „silberne Axt an einem Orte wiederzufinden, wo alle andere Dinge gleichfalls wie Silber glänzten“.
Gejammer auf überirdisch hohem Niveau, wo Dankbarkeit angesagt wäre. Leider ist die Bohne es gewohnt, übersehen zu werden. Schon im Mittelalter galt die Hülsenfrucht aus der Familie der Schmetterlingsblütler als unbedeutend. Eine Bohne mehr oder weniger auf dem Teller interessierte eben niemanden die Bohne. Der Minnesänger Walther von der Vogelweide dichtete um die Wende zum 13. Jahrhundert: „Waz êren hât frô Bône, daz man sô von ir singen sol?“ Welchen Wert hat schon Frau Bohne, dass man sie so besingen muss? Ihr Stroh jedenfalls war so grob und billig, dass nur arme, oft ungebildete Menschen ihre Schlafstätten damit polsterten. Daher die sozial unkorrekte Wendung, jemand sei „dumm wie Bohnenstroh“.
Von der Vogelweide zielte noch auf die Dicke oder Ackerbohne (Vicia faba), die aus dem Mittelmeerraum stammt. Für Münchhausens filmreifen Spezialeffekt könnte bereits die hochwachsende Feuerbohne (Phaseolus coccineus) oder die Grüne alias Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) aus der Neuen Welt geradegestanden haben. Bereits bei seiner ersten Amerikareise 1492 soll Kolumbus Felder voller Gartenbohnen erspäht haben. Die sogenannten Indios kultivierten sie seit Jahrtausenden. In Europa verbreiteten sie sich rasch. Und „Frau Bohne“, deren haltbare Kerne die Menschen stets treu genährt hatten, verlor an Boden. Die neuen Sorten waren auch unreif und in ganzen Schoten gegart ein zarter Sommergenuss. Fortschritt aus Amerika!
Das grüne Aroma junger Gartenbohnen mit seinem Hauch nussiger Süße verträgt in der Küche kaum Einmischung. Etwas Salz im Kochwasser, ein paar fein gehackte Schalotten oder eine zerdrückte Knoblauchzehe, eine Idee Butter zum Schwenken – mehr braucht es nicht zur Vollendung. Zu einem Bohnensalat mit ofengeschmorten Tomaten und Basilikum passt Olivenöl. Und Bohnenkraut betont mit kräftigen Noten von Pfeffer und Thymian nicht nur das Bouquet der Bohne, sondern hilft auch der Verdauung. Bohnen dürfen übrigens niemals roh verzehrt werden, weil sie dann giftiges Phasin enthalten. Gegart stecken sie voller guter Eiweiße, Ballaststoffe und Mineralien wie Magnesium.
Wie alle Hülsenfrüchtler ist die Bohne auch für den Boden gesund. Als Leguminose beherrscht sie den Zaubertrick, Stickstoff aus der Luft mittels Bakterien in ihrem Wurzelwerk in die Erde zu schleusen, wo dieser Baustein des Lebens oft knapp ist. Sie düngt den Acker, während sie wächst. Reine Magie! Der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau spürte sie wohl auch. Als er 1845 allein in den Wald zog, um der Zivilisation zu entrinnen, säte er, der selbst gar keine aß, ausgerechnet Bohnen. In „Walden“, seinem berühmten Erlebnisbericht, notierte er: „Die Bohnen waren mir einfach ans Herz gewachsen.“ Sie hätten ihn mit der Erde verbunden. „Doch warum pflanzte ich sie überhaupt an? Weiß der Himmel, was mich dazu bewog.“
Mediterraner Bohnentopf
Ein Rezept von Karin Midwer
Für 4 Portionen
2 Bund Frühlingszwiebeln
250g reife Tomaten
200g neue Kartoffeln
500g junge grüne Bohnen
3 junge Knoblauchzehen
Je ein paar Stängel Petersilie und Minze
100ml Olivenöl plus etwas zum
Servieren (nach Geschmack)
3 Lorbeerblätter, 1 gestrichener TL Salz
Pfeffer, edelsüßes Paprikagewürz
Frühlingszwiebeln, Tomaten, Kartoffeln und Bohnen putzen und grob zerteilen. Knoblauchzehen, Petersilien- und Minzblättchen fein hacken. Frühlingszwiebeln in einem großen schweren Topf im Olivenöl ein paar Minuten anschwitzen. Knoblauch und Tomaten zugeben, 5 Minuten garen. Die restlichen Zutaten zugeben und mit wenig heißem Wasser auffüllen, sodass die Bohnen knapp bedeckt sind. Zugedeckt 20 Minuten köcheln lassen, abschmecken und weitere 10 Minuten ohne Deckel garen.
Tipp: Lauwarm mit Ciabatta und Fetakäse reichen.
Und sonst so?
Frisch im Juli – unter anderem:
Brombeere, Lauch, Mirabelle, Postelein, Pflaume, Sauerkirsche, Schalotte, Rettich, Zwiebel, Zuckerschote
Neu im August:
Apfel, Artischocke, Aubergine, Birne, Mais, Melone, Paprika, Radicchio