À la Saison

Brillanter Blumenkohl

Beliebt in der Kunst, der Mathematik und bei Hofe – Brassica oleracea var. botrytis bedient mit wolkenblumiger Leichtigkeit verschiedene Geschmäcker und Küchen. Er ist die Blüte allen Kohls und unser Gemüse der Saison im kulturhistorischen Porträt

Blumenkohl

Was nur hatten die Künstler mit diesem Kohl? War er Muse? War er Masche? Kurt Schwitters zum Beispiel. Der Dadaist und Schöpfer des Gedichts „An Anna Blume“ ließ sich 1926 während eines Aufenthalts in Holland jeden Morgen einen Blumenkohl im Ganzen garen, verspeiste ihn zum Frühstück und begutachtete dabei den Fang des Tages: Strandgut, das er soeben am Meer aufgelesen hatte – Futter für Collagen und Skulpturen. Es war ein exzentrisches Essexperiment, dessen Zweck frei nach Dada wohl darin bestand, zwecklos zu sein. Aber wer weiß? Schwitters hatte in jenen Wochen eine ausgezeichnete Schaffensphase.

Oder Salvador Dalí. Der Surrealist, 1955 zu einer Vorlesung nach Paris eingeladen, hatte einen wahrhaft überrealen Auftritt, als er seinen Rolls-Royce vor der Sorbonne parkte. Der Maestro war nicht allein gekommen: Er entstieg einem Coupé, das bis unters Dach gefüllt war – mit Hunderten Kilo Blumenkohl. Die Meinungen über seinen Vortrag gingen auseinander. Überliefert ist jedenfalls dieser Satz des Malerstars: „Eine Zeit lang habe ich mich mit einer Sonnenblume beschäftigt, fand sie aber zu schweigsam, und ich ziehe jetzt den Blumenkohl vor.“ Was nur wollte der Künstler damit sagen?

Fakt ist: Sowohl die Kerne in der Blüte der Sonnenblume als auch die Röschen des Blumenkohls wachsen in logarithmischen Spiralen. Ihr Abstand zum Mittelpunkt vergrößert sich mit jeder Umdrehung um den gleichen Faktor. Solche Formen finden sich in der Natur oft – etwa in Rhinozeroshörnern, Schneckenhäusern und Galaxien – und sie lassen sich mathematisch beschreiben. Dalí bewunderte die Dynamik solcher Kurven und verewigte Horn und Kohl 1956 in dem „Lebenden Stillleben“ Nature morte vivante.

Blumenkohl ist – was hatte man von einem Gemüse erwartet, das aussieht wie ein Gehirn? – auch ansonsten nicht gerade schlicht strukturiert: Seine Rose besteht aus Röschen, die wiederum aus Röschen bestehen. Sich vom Großen ins Kleine selbst ähnelnde Muster wie dieses nennt die Geometrie Fraktale. Auch sie sind überall. Man hat sie nicht nur in Bäumen, Bergen und Wolken gefunden, sondern auch im Textaufbau berühmter Romane. „Moby Dick“ – so ähnlich gestrickt wie ein Blumenkohl? Man staunt.

Wie dem auch sei. Von besonderer Art ist Brassica oleracea var. botrytis immer gewesen. Der Kreuzblütler, wohl einst von Kreuzrittern aus Kleinasien nach Italien importiert, eroberte nach und nach ganz Europa. Im Schloss Versailles schätzte man le chou-fleur seiner noblen Blässe wegen – und verkuppelte ihn flugs mit la calorie: Jeanne du Barry, einer Mätresse Ludwigs XV., ist das in Sahne schwimmende, dick mit Käse vergoldete „Gratin Dubarry“ gewidmet – ein Klassiker der französischen Küche.

Aber es muss ja nicht immer alles in Butter sein, schon gar nicht der Blumenkohl mit seinen vielen Mineralstoffen und Vitaminen. Seine süßen Schwefelnoten verzehren sich zwar nach Béchamelsoße mit Muskat, doch er brilliert auch als Ofengemüse mit Olivenöl, Knoblauch und dem säuerlichen orientalischen Sumach-Gewürz. Oder roh als fein gehackter Salat mit Zwiebeln, Koriander, Petersilie, Dill und Minze. Mit Kartoffeln und Kreuzkümmel verschmilzt er zum indischen Blumenkohl-Curry Alu Gobhi. Die Liste ließe sich fortsetzen: ein Kohl von Welt.

„Erziehung ist alles“, schrieb Mark Twain einst. „Der Blumenkohl ist nichts als ein Kohlkopf mit akademischer Bildung.“ Nur: Botanisch gesehen ist der Blumenkohl gar kein Kopf, sondern ein „fleischig verdickter Blütenstand“. Nicht Blumenkohl, Kohlblume sollte er heißen! Und der alte Ärzte-Song „Ich ess’ Blumen“ wäre in Deutschland mehrheitsfähig.

Blumenkohl-Falafel
Ein Rezept von Karin Midwer

Für 4 Portionen (ca. 24 Stück):
400g Blumenkohl (netto), 1 Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 1 Bund Petersilie, 1 Bund Koriander, 1/2 Zitrone, 2 EL pflanzlicher Joghurt (z.B. Sojajoghurt), 60g Mandeln, 1TL Currypulver, 1TL Kreuzkümmel, 1/2TL Salz, 1/2TL Pfeffer, ca. 100g Kichererbsenmehl, 20 g Maisstärke, 2EL Sesamöl

Zubereitung:

Blumenkohl waschen und putzen, in einer Küchenmaschine fein zerkleinern und in eine Schüssel füllen. Zwiebel und Knoblauch schälen, Kräuter waschen, alles grob hacken und dazu geben. Schale der Zitrone abreiben und den Saft auspressen. (Mindestens die Zitrone sollte Bioqualität haben.) Mandeln mahlen. Alle diese vorbereiteten Zutaten, auch den pflanzlichen Joghurt, mit den Gewürzen in die Schüssel geben und gut vermischen.

Das Kichererbsenmehl mit den Stärke vermengen und nach und nach unterrühren, bis eine formbare Masse entsteht. Bällchen formen und diese auf ein Blech mit Backpapier setzen. Mit Sesamöl rundherum bepinseln und im vorgeheizten Ofen 40 Minuten bei 180°C backen. Dazu schmeckt Minzjoghurt: Den restlichen pflanzlichen Joghurt (400 g Becher abzgl. der beiden EL) mit etwas kleingehackter Minze, einem Löffel Tahini, etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer abschmecken.

Und sonst so?

Neu im Mai:

Blattsalate, Brokkoli, Erdbeere, Kohlrabi, Mairübe, Mangold, Radieschen, Zucchini

Neu im Juni:

Erbse, Fenchel, Gurke, Heidelbeere, Himbeere, Johannisbeere, Kartoffel, Stachelbeere, Süßkirsche, Rucola und viele mehr

Blumenkohl
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