Ein Plakat stiftet derzeit Verwirrung in deutschen Fußgängerzonen: Darauf posiert das Supermodel Cara Delevingne in futuristischer Pool-Atmosphäre und hält eine geheimnisvolle Sprühflasche. Auf dem Flakon steht: „Industrial Emissions Face Mist“, wörtlich übersetzt: Industrie-Emissions-Gesichtsnebel. Und unter der prominenten Britin prangt nicht etwa das Logo von Chanel, Dior oder Gucci, sondern das des schwedischen Energiekonzerns „Vattenfall“. Der Slogan dazu: „Industrielle Emissionen – rein genug für dein Gesicht“.

Abgase also? Ins Gesicht? Eine Industrie, die aus Emissionen Kosmetik herstellen könnte? Saubere Sache! Und passt gut, möchte man meinen. Denn ist Vattenfall nicht Schwedisch für Wasserfall?

Tatsächlich malen die Vattenfall-Website und der dazugehörige Werbeclip eine wasserklare Zukunft aus, die schon „in einer Generation“ eintreten soll. Anscheinend wird die Industrie dann nur noch grünen Wasserstoff verbrennen, und dessen Abfallprodukt ist weder CO2 noch Ruß, sondern schlicht: Wasser. Theoretisch also rein genug, um daraus mit Zutaten wie Gurkenfruchtwasser, Glycerin und Grapefruchtkernextrakt – so das offizielle Produktblatt des Emissionsgesichtswassers – ein Kosmetikprodukt zusammenzumischen. Folgerichtig ist der Nebel, den sich das Model im Spot auf seine makellose Haut sprüht und dazu „Water, water, water“ haucht, nicht einfach ein Gesichtsspray: „Es ist systemischer Wandel in einer 50ml-Flasche.“ Man könnte auch Übertreibung in Flakons dazu sagen.

Viel Nebel um fast Nichts

Denn die Realität ist deutlich ernüchternder und deutlich schmutziger als die polierte Edelstahl-Kulisse mit Wasserstofftanks, die das Model durchschreitet. Tatsächlich konnte man den Nebel in Flaschen gar nicht kaufen, sondern nur in kleiner Stückzahl gewinnen. Was unfreiwillig auf das Kernproblem hinweist: Es gibt diese sauberen Emissionen bisher kaum. Vattenfall betreibt mit dem schwedischen Stahlunternehmen SSAB und dem staatlichen Bergbaukonzern LKAB im lappländischen Oxelösund nur eine einzige kleine Pilotanlage, die fossilfreien Stahl herstellt. Aus dieser stammen auch die paar Fläschchen Gesichtsspray.

Die Krux: Wasserstoff ist nur dann klimafreundlich, wenn er mit grünem Strom aus Wasser hergestellt wurde. Weltweit trifft das aber bislang auf nur etwa ein Prozent des Wasserstoffs zu. Das macht ihn kostbarer als jedes Chanel-Parfum. Der bislang „handelsübliche“ Wasserstoff stammt meist nicht einmal aus Wasser, sondern aus Erdgas oder Kohle, oder fällt als Nebenprodukt in der Chemieindustrie an. Grüner Wasserstoff findet in Industrieprozessen noch so gut wie keine Verwendung. Es gibt ihn schlicht kaum, und selbst wenn, wäre die Industrie noch nicht entsprechend umgerüstet. Schuld an diesem Versäumnis sind nicht zuletzt Konzerne wie Vattenfall, die jahrzehntelang Strom aus Kohle und Gas erzeugt haben, statt die erneuerbaren Energien massiv auszubauen. Und ein massiver Ausbau wäre nötig, um die Industrie auch ganz tatsächlich mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Denn seine Herstellung ist ungeheuer energieintensiv.

Pappelruß statt Wasserdampf

Fossile Unternehmen geben also gerne mit kleinen Vorzeigeprojekten an, um von ihrem nach wie vor schmutzigen Kerngeschäft abzulenken. Bei Vattenfall besteht dies in weiten Teilen nicht nur aus fossilen Brennstoffen – etwa in Deutschland zu 35 Prozent aus Erdgas und zu 14 Prozent aus Kohle – sondern auch zunehmend aus Biomasse. So betreibt die Vattenfall-Tochter „Energy Crops“ unter anderem in Brandenburg einen „Energiewald“, also eine Baumplantage zur Produktion von Zehntausenden Tonnen Hackschnitzeln. Die sollen in Berliner Heizkraftwerken verfeuert werden, statt auf der gleichen Fläche, etwa mit Wind- oder Solarkraft, saubere erneuerbare Energie zu erzeugen. Was viel effizienter wäre.

Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe und der Nabu warnen gar, dass dieser neue Brennholzboom klima- und artenschädlicher sein kann als das Verbrennen der Kohle, die das Holz ersetzen soll. Ob sich Cara Develingne diese Abgase auch so cool ins Gesicht sprühen würde?

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